HITCHCOCK (USA 2012) – Alfred, Alma und Psycho

Ende der 50er Jahre war Alfred Hitchcock (Sir Anthony Hopkins) einer der erfolgreichsten Regisseure  dank Filmen wie Der Unsichtbare Dritte, Das Fenster zum Hof und Über den Dächern von Nizza. Er galt als der unbestrittene Meister der Spannung, aber Stagnation war nicht Hitchcocks Sache. Unzufrieden suchte er eine Herausforderung, welche er in Form des Romans Psycho von Robert Bloch fand. Blochs Roman basierte lose auf den Gräueltaten eines Mörders und Grabräubers aus Wisconsin, USA. Paramount Pictures, das Studio unter dessen Vertrag Hitchcock stand, sah das allerdings anders und weigerte sich den Film zu finanzieren.  

Als Alfred Hitchcock 1926 Alma Reville heiratete, war die Anschaffung des Traurings vermutlich die beste Investition seines Lebens. 1979 brachte er es in seiner Dankesrede für den Life Achievement Award des American Film Institutes auf den Punkt: ohne sie wäre er vielleicht auch an diesem Abend hier, aber als einer der Kellner. Ohne Alma (Dame Helen Mirren) wäre auch die Dusche nur eine Dusche geblieben, denn gerade Psycho hätte er nie ohne sie drehen können. Obwohl ihre Beziehung zu diesem Zeitpunkt nicht die einfachste war, unterstützte sie ihn. Die Hitchcocks setzten ihr Haus aufs Spiel um den Film zu finanzieren und während alle Alfred rieten die Geschichte abzuschwächen oder besser noch einzumotten, riet Alma ihm sogar noch drastischer zu sein.

HITCHCOCK ist ein Film über einen Regisseur und seinen vielleicht wichtigsten Film. Auf den ersten Blick scheint es ein Biopic zu sein, aber es fühlt sich nicht wirklich so an, zumindest nicht wie ein modernes. Als Hitchcock seiner Frau das Buch gibt, damit sie die entscheidende Mordszene liest, kommentiert sie diese trocken: charmant sei es und Doris Day solle es als Musical verfilmen. Irgendwie ist HITCHCOCK so geworden, ein bisschen wie ein Doris Day Film. Er ist ausgesprochen schön anzusehen, die Kulissen und vor allem die Kostüme sind großartig, die Geschichte ist spannend und aufschlussreich und die Schauspieler überzeugend. Man bekommt einen Einblick in Hitchcocks Seelenleben, seine Ehe und die damalige Zeit, aber der Film bleibt immer harmlos. Wer die gnadenlose Aufdeckung der seelischen Untiefen erwartet, voyeuristische Blicke auf seine Obsession für blonde Schauspielerinnen, in kurz: die übliche Demontage eines großen Genies, der wird hier enttäuscht werden.

Natürlich hat auch HITCHCOCK Schwächen. Die permanenten Anspielungen auf sein Übergewicht sollen vermutlich für eine heitere Note sorgen, sind jedoch milde ausgedrückt überflüssig. Und dann gibt es da noch die Maske. Selten glaubt man Hitchcock wirklich auf der Leinwand zu sehen, zu schlecht ist die Arbeit der Maskenbildner. Sir Hopkins gibt sich redlich Mühe, wird aber von Mirren komplett an die Wand gespielt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ihm dieser verschmitzte Blick, den der Meister so gerne auf Portraits aufblitzen lies, einfach nicht gelingen will. James D’Arcy als Anthony Perkins und Toni Colette als Hitchcocks Assistentin sind großartig und auch Scarlett Johansson als Janet Leigh überzeugt, wenn sie auch gar nicht nach Leigh sondern nur nach Johansson aussieht.

HITCHCOCK ist zwar kein herausragender, aber ein guter, interessanter und sehr humorvoller Film. Vielleicht hätte man mehr daraus machen können, aber darum schien es Gervasi nicht zu gehen und es ist schon fast ironisch, dass seine Zurückhaltung von einigen so kritisiert wird, wie Hitchcocks Mangel an derselben damals. HITCHCOCK ist weder so gut noch so wichtig wie ein Film von Hitchcock selbst, aber es ist ein gepflegter, angenehmer Film, der sehr viel von der Zeit hat, in der er spielt.

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HITCHCOCK (USA, 2012); 20th Century Fox; Filmlänge: 98min; Regisseur: Sacha Gervasi; Drehbuch: John J. McLaughlin; Stephen Rebello; Besetzung: Anthony Hopkins; Helen Mirren, Scarlett Johansson; Jessica Biel; Toni Collette; FSK: ab 12 Jahren; Kinostart: 14. März 2013 (Deutschland).

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