Herzen in Aufruhr – Thomas Hardys „Herrin von Thornhill“ ersteht in Stephen Frears Comicverfilmung „Tamara Drewe“

„Immer Drama um Tamara“ (Gemma Arterton) in dem betulichen englischen Dörfchen Ewedown „Am grünen Rand der Welt“. Chirurgisch optimiert ist Tamara Drewe in ihren Heimatort zurückgekehrt, um Popstar Ben (Dominic Cooper) zu interviewen, dessen Band dort auftritt. Ihren Ex-Geliebten Andy (Luke Cobb), den notorisch fremdgehenden Erfolgsautoren Nicholas (Roger Allam) und Ben verlockt die zur Sexbombe gewandelte Tamara Drewe. Zum Leid von Nicholas duldsame Gattin Beth (Tamsin Greig) und Dorfteenagern Jody (Jessica Bardem). Die deutsche Titelfassung ist wörtlich gemeint. Das Drama ereignet sich vorzugsweise um Tamara herum. Die Titelfigur bleibt eine im Vergleich zu der kauzigen Schriftsteller-Riege uninteressante Randfigur, die selbst Frears lästig zu sein scheint. Der Geist von Posy Simmons Comicvorlage tritt auf der Leinwand zurück vor dem Esprit des Regisseurs.

„Tamara Drewe“ gleicht einem literarischen Vaudeville, dessen banale Handlung nur funktionieren kann, wenn die Akteure sie mit sprühendem Wortwitz und ironischer Doppelbödigkeit vortragen. Fast gelingt Frears unterhaltsamer Adaption von Comic und Klassiker dieses Kunststück. Die Protagonisten wissen um ihre stereotypen Eigenschaften und sagen einander diese selbst ins Gesicht. Äußerlich überspitzt Frears die charakterliche Typologie noch, ohne seinen Figuren ihrer psychologischen Feinheiten zu berauben. Nie verkommen das Ensemble zu Karikaturen, nicht zuletzt dank der hinreißenden Darsteller. Gemma Arterton bleibt eher blass, wie auch ihre „Tamara Drewe“ die unpersönlichste der Dorfbewohner scheint. Zum Schwan geworden wird sie von zwei anderen hässlichen Entlein in den Schatten gestellt, Theaterschauspieler Tamsin Greig und der großartigen Jessica Barden als skandalsüchtiger Landpomeranze. Man gönnt ihnen den kurzen Triumph, denn das Schicksal hässlicher Entlein ähnelt dem des übrigen Film-Federviehs. Entweder werden sie gerupft oder enden gleich als Legehennen.

„Genau wie wir.“, verhielte sich das Vieh, sinniert Glen. Und auch Haustiere, heißt es zuvor, seien im Grunde wilde Tiere. Am wildesten von ihnen statuiert „Tamara Drewe“ ein Exempel. „Bestie“ zischt eine Anwohnerin und schießt es nieder. Gleiches blüht „Tamara Drewe“, nur dass sie statt einer Kugel Amors erliegt. Nur mit Hardys Moral hat Fears zu kämpfen. Ihr zu widersprechen wagt er nicht, sie als Happy End auszugeben gelingt ihm nicht. Ihr Glück „Am grünen Rand der Welt“ erinnert an das zynische Fazit, für das der Sprecher buchstäblich in den Boden gestampft wird: „That ´s what storytellers are: liars and thiefs.“,

Titel: Tamara Drewe – Immer Drama um Tamara

Land/ Jahr: Großbritannien 2010

Genre: Komödie

Kinostart: 30. Dezember 2010

Regie: Stephen Frears

Drehbuch: Moira Buffin

Darsteller: Gemma Arterton, Roger Allam, Bill Camp, Tamsin Greig, Luke Evans, Dominic Cooper, Jessica Bardem, Charlotte Christie, John Bett, Josie Taylor

Kamera: Ben Davis

Musik: Alexandre Desplat

Schnitt: Mick Audsley

Laufzeit: 111 Minuten

Verleih: Prokino

www.prokino.medianetworx.de

Vorheriger ArtikelMartina Gedeck oder Jessica Schwarz? Matthias Schweighöfer oder Ulrich Tukur? Wer wird bester Schauspieler/in? Hessischer Film- und Kinopreis 2010 im Rahmen der Buchmesse am 8. Oktober in der Alten Oper in Frankfurt am Main
Nächster ArtikelQuadratisch, praktisch, gut – Der VW Caddy ist nicht nur ein prima Stadtlieferwagen, sondern macht auch als Pkw eine gute Figur