Heidi als Heimatfilm – Natur und Bruno Ganz pur

Almöhi (Bruno Ganz) und Heidi (Anuk Steffens) auf dem Weg ins verschneite Dörfli. Ganz pur im neuen Heidi-Heimatfilm von Alain Gsponer. © Matthias Fleischer, bvk

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Hoch oben in den Bergen ist die Welt friedlich und ruhig“, solange nicht Heidi (Anouk Steffen) für Jubel, Trubel und Heiterkeit sorgt und den Öhi (großartig gespielt von Bruno Ganz) zum Schlittenfahren bringt.

Der Heidi-Film von 2015 unter der Regie von Alain Gsponer hält sich über 110 Minuten einerseits an die Romanvorlage von Johanna Spyri. Peter (Quirin Agrippi) muss die Waise, die von Tante Dete (Anna Schinz) beim Großpapa in den Schweizer Bergen abgeliefert wurde wie eine Ziege, mit auf die Alm nehmen und bekommt den väterlichen Rat, daran zu denken, dass sie die Berge nicht kenne. Da ahnt der Zuschauer schon den Ausgang. Die wunderbare Welt der Berge lernt das kleine Mädchen mit einem großen Herzen und einer wilden Mähne schnell kennen und lieben, wie die menschenscheuen Außenseiter Geissenpeter und Alpöhi. Während die Kinder über Wiesen und durch Wälder streifen und Natur pur erleben, zieht die Zeit den Berg hinauf. Tante Dete taucht wieder auf, klaut Heide mit List und Tücke vom Hof des Alten, um sie nach Frankfurt an den Main mitten in die Bourgoisie zu bringen. Die wilde Heidi soll der gelangweilten wie gehbehinderten Klara (Isabelle Ottmann) im hochherrschaftlichen Hause Sesemann als Gespielin dienen und vom strengen Kindermädchen Fräulein Rottenmeier (Katharina Schüttler) zivilisiert werden. Bis auf die Rottenmeier schließen Heide alle in ihr Herz, sogar Sebastian (Peter Lohmeyer), der Diener), Herr Sesemann (Maxim Mehmet) und Grossmama Sesemann (Hannelore Höger). Von Heimweh geplagt wird Heidi zur Schlafwandlerin und schließlich zurück in die Berge geschickt.

Andererseits blendet trotz Beachtung des Stadt-Land-Themas der Film, der auf dem Drehbuch von Petra Volpe basiert, allen christlichen Klamauk der Urheberin aus. Die Natur in ihrer Ursprunglichkeit tritt in den Vordergrund und die Familie, aber nicht die bürgerliche mit dem biederen Beigeschmack. Da die Produktion 2014 vorwiegend in Deutschland und der Schweiz, dort in Sufers im Rheinwald und in Latsch im Albulatal, erfolgte, während die Postproduktion 2015 erledigt wurde, werden diese beiden Orte der Eidgenossenschaft in diesem Jahr sicherlich den einen oder anderen Reisenden mehr begrüßen dürfen, auch wenn sich diese Schweiz Menschen vom Schlage einer Heidi oder eines Alpöhis heute nicht mehr leisten können.

Auf manchen mag die pure Naturidylle übrigens kitschig wirken, denn sie spiegelt weder die Wirklichkeit als Ganzes wider, noch gesellschaftliche Zustände, die der Aufstände Wert wären. Heidi ist kein Dokumentarfilm. Der Film ist und bleibt Fantasie, die Geschichte ist eine Erzählung, Fiktion und noch viel mehr, ein Traum von einer heilen Welt. Und das ist nicht verboten. Im Gegenteil: Schön, wenn am Ende alles gut wird. Märchen müssen nicht morbide sein und Filme nicht Funken schlagen.

Dieser kurzweiligen wie unüblichen Heimatfilm mit bester Besetzung, großen Gefühlen in großartigen Naturlandschaften mit gelungener musikalischer Begleitung (Niki Reiser), solider Kamera (Matthias Fleischer) und ordentlichem Schnitt (Michael Schaerer) ist nicht nur sehens- sondern empfehlenswert.

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