Harmlos auf den ersten, aber um so schockierender auf den zweiten Blick – Serie: „Walton Ford. Bestiarium“ ist jetzt Publikumsmagnet in der Albertina in Wien (Teil 2/2)

Walton Ford

So entstand eine eigene Gattung, indem er Quellen in altmeisterlicher Schrift zitierend die Blätter gleichzeitig mit Tiergeschichten oder Einzeltieren füllt, die entweder eine Beweisführung der Quelle bedeuten oder gerade deren Gegenteil. Die Bilder strahlen eine Moral aus, so denkt man, wenn man die pfiffigen Wolfsaugen oder den müden Blick des gefesselten Affen in „A Monster of Guiny“ 151,8 x 104,1 Zentimeter aus dem Jahr 2007 ansieht. Tiere dienten immer den Menschen als ihr Ebenbild, das tierisch verfremdet um so deutlicher sprechen durfte. Das war bei den Fabeln des Äsop im 6. Jahrhundert v.Chr. nicht anders, als im 17. Jahrhundert La Fontaine und alle seine Nachfolger, die als Moral, zugespitzt als Satiren, dem Menschen vermittelten, daß er „homo homini lupus“ sei, wenn er nicht über Gesellschaftsverträge das Miteinander von Menschen zivil regele.

Nun unterläuft Walton Ford jegliche abwertend gemeinte Moralisierung seiner Tierwelt durch die Farbenpracht, mit der er sie darstellt. So ist auf den ersten Blick bunt und schön, was sich beim näheren Hinschauen als Schrecken der Wildnis, also als Überleben von Tieren im Kampf ums Dasein entpuppt. Aber nicht immer. Es gibt auch die reine Schönheit, die Darstellung eines Vogels oder einer Blütenpracht, wie sie vor allem die Stiche wiedergeben, die ebenfalls durch die altmodische schöne Schrift einen an die liebevollen Darstellungen der ersten Naturforscher der Neuzeit erinnern. Walter Ford steht mit seinen Arbeiten einzig in der derzeitigen Welt dar. Sie entsprechen weder der heute gängigen Ästhetik, noch in ihrer naturalistischen Genauigkeit der Abbildung mit dem Stift und Pinsel dem derzeitigem Kunstmarkt. Ihn einen Solitär zu nennen, ist die einzig mögliche Charakterisierung, wenn man diese farbenprächtige, von Leben, aber auch Sterben überquellende Ausstellung der Fordschen Tierwelt in der Albertina betrachtet.

Zwar ähneln sich im Malstil die Aquarelle und Stiche, aber nicht in den Aussagen, von denen die einen philanthropisch, die anderen zivilisationskritisch, weitere mehrdeutig sind. Einfach nur schön, sind dann bestimmte Darstellungen von Vögeln wie „The Starling“ von 2002 in den Maßen 153,7 x 305,5 Zentimeter, so denkt man. Da geht einem das Herz auf, obwohl einem auf den zweiten Blick der aufgerissene Schnabel des Stars und seine roten Krallen anderes lehren. Aber erst einmal sieht man hingegossen die Amsel, Drossel, Fink und sonstige Vogelschar, die Eidechsen, Würmer, Käfer, Libellen, Hummeln und Sonstiges, was kreucht und fleucht, dienstfertig dem alten Kerl in den Rachen zu schieben, um ihn satt zu kriegen, und selbst die Nachteule schleppt eine Maus herbei. Aha, da bestätigen sich alle Vorurteile der Menschen gegenüber dem Star in der Untertanenmentalität der anderen Gefiederten. Denn unbeliebt ist er, dieser Vogel, der frech die Saatkörner klaut und meistens in der Mehrzahl erscheint. Lauter schwarzes unmäßiges Federvieh. Aber wie kommt es auf dieses schöne Bild? Ganz einfach. Ford fand heraus, daß ein Eugene Schieffelin, ein Arzneimittelhersteller aus New York, zwei Leidenschaften hatte: Shakespeare und Vögel und deshalb alle in den Werken Shakespeares genannten Vögel registrierte, was Ford sehr viel später ins Bild brachte. Ein köstliches Aquarell, so wunderschön in den Farben und allerliebst in der Ausführung. Gut erfunden und dennoch wahr. Denn in der Tat ist es die Natur, die Walton Ford uns hier vorführt, wo der eine gefressen wird, damit der andere satt wird. Und wir können uns an den feinen Strichen, den altmeisterlichen Schriftzügen, den herrlichen klaren Farben kaum sattsehen.

Also sofort einen Katalog mitnehmen, denn die Bilder bewahren ein Geheimnis, das man mitnehmen möchte und sie erzählen mehr als eine Geschichte, die man weiterspinnen will. Doch, diesmal hat die Albertina – anders als sonst – keinen eigenen Katalog herausgegeben. Wenn man dann unten im Buchgeschäft der Albertina den schwergewichtigen Band „Walton Ford: Pancha Tantra“ aus dem Verlag Taschen in die Hand nimmt, weiß man, warum. Dieser Bildband ist einfach nicht zu übertreffen. Und das nicht des Gewichtes wegen. Im Großformat – nein, nicht ganz so gewaltig wie die wandgroßen Bilder, aber immerhin im Taschen-Format von rund 38 x 29 Zentimeter– sehen Sie dem Truthahn ins Gesicht, dem Affen ins Gesäß, der Antilope unter die Klauen und sie verfolgen genau, warum die Katzentiere sowohl die Elegantesten, aber auch die Mörderischsten sind. Der Vorteil ist einfach der, daß man das Ganze in Ruhe zu Hause anschauen kann, wo man nicht mal die Lupe braucht, um Details genauer anschauen zu können, denn die Herausgeber haben vorgesorgt und auch Vergrößerungen eingearbeitet. Und wenn man dann doch die Lupe dazunimmt, sieht man erst, wie feinstrichig Walter Ford vorgeht. Das, was im Auge als Ganzheit von Farben und Fellmusterung erscheint, ist eine minutiös gestrichelte Mallandschaft.

Dieses Taschenbuch – auf das Wortspiel, wie dem Verlag Taschen es gelingt, die größten Taschenbücher der Welt zu produzieren, verzichten wir ungern – geht mit seinen 320 Seiten weit über die Ausstellung hinaus. Aber, und das ist wichtig, jeder Ausstellungsbesucher findet die in der Ausstellung gezeigten 25 Bilder wieder. Die haben dort ein Stelldichein mit so vielen anderen Tieren, daß sich einem der Spruch „Jedem Tierchen sein Pläsierchen“ geradezu aufdrängt, aber oh weh, wie liegt man da daneben. Immer dann, wenn man sich in die herrliche Darstellung des bunten Gefieders zum Beispiel vertieft hat, sieht man den Ring, an dem das Tier gekettet ist, oder die Krallen, die dem anderen Tier an den Kragen wollen. Mitten im Schönen herrscht der Schrecken, mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen.

Ausstellung: bis 10. Oktober

Publikation: Als Katalog verwendbar, aber über diesen hinausgehend finden sich in „Walter Ford. Pancha Tantra“ , Taschen Verlag 2009, alle die Bilder, die in der Ausstellung hängen, wieder. Darüberhinaus aber auf 274 Seiten weitere Bilder, die man in ihrer Abgründigkeit zu lesen gelernt hat. Höhepunkt ist „Nila“ auf den Seiten 136 bis 145, der Elefant, der in den Maßen 365 x 548,6 Zentimeter auf 22 Tafeln aufgeteilt, putzmunter seines Weges geht und als Wirt für so manches Vögelchen dient. Darauf geht Bill Buford in seiner dreisprachigen Einleitung „Feldstudien. Das Bestiarium des Walton Ford“ ausgiebig ein. Er beschreibt nicht nur liebevoll den brünstigen Elefanten mit ausgefahrenem rosa und gebogenem Glied, sondern ebenfalls dessen Zaungäste, den Würger genannten Sperlingsvogel, der es mit einem niedlichen Papageien auf der Spitze des Penis treibt, der wiederum das einzige heimische Tier bleibt, also aus der Heimat des Elefanten stammend, während alle anderen: Stare, Nachtigallen, weiße Eulen, ein Hahn, Geier und mehr Gefieder unsere Breiten bevölkern. Dieses Buch, das man sich selber schenken sollte, bringt nur ein Problem mit sich. Man mag es nimmer aus der Hand legen, hat man sich erst einmal in es vertieft.

Internet: www.albertina.at

Reiseliteratur:

Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005

Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.
Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007
Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007
Marco Polo, Wien 2006
Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch

Tipp: Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise: Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt: Betten finden Sie überall, obwohl man glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien. Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Essen und Trinken: Völlig zufällig gerieten wir im Februar 2010 nur kurz in die Eröffnung des NASCH im Hilton Plaza. NASCH heißt das neue Restaurant aus gutem Grund, denn es geht auch ums Naschen, man kann sich seine Vorlieben in kleinen Portionen, dafür vielfältig aussuchen, in der Art der spanischen Tapas. Das Entscheidende am neuen Restaurant im Hilton Plaza aber ist, daß die Grundlage die österreichische Küche ist. Man kann sich quasi durch Österreich durchessen. Wir werden das ein andermal tun und dann darüber berichten. Das haben wir immer noch vor!

Mit freundlicher Unterstützung von Air Berlin, den Hilton-Hotels Wien und dem Wien Tourismus.

Vorheriger ArtikelBuddha als Glücksbringer – Die indonesische Insel Java bietet Kultur und Natur, Bali ist zum Erholen wie geschaffen
Nächster ArtikelVon heute, aber so schön wie von gestern – Serie: „Walton Ford. Bestiarium“ ist jetzt Publikumsmagnet in der Albertina in Wien (Teil 1/2)