Gut geschafft am Freitag in Frankfurt. Kleines Resümee – Das 41. Deutsche Turnfest in Frankfurt geht glückhaft zu Ende

Struwwel, das Maskottchen des Internationalen Deutschen Turnfestes in Frankfurt am Main.

Die alle unterzubringen, hat Frankfurter Schulkindern eine Woche Ferien beschert. Denn alleine 39 000 waren in Schulen in und um Frankfurt untergebracht. Das läppert sich. Allein für die Frühstücksversorgung wurden herbeigeschafft. 400 000 Brötchen, 50 000 Liter Milch, 130 000 Teebeutel, 7,5 Tonnen Müsli, 6 Tonnen Konfitüre, 8 Tonnen Käse. Die sportlichen Wettkämpfe fanden hauptsächlich auf dem Frankfurter Messegelände statt, das eine völlig andere Atmosphäre vermittelte als sonst. Turner müssen entspannte Menschen sein. Denn so viele gut Gelaunten, langsam Schlendernden sieht die überaus geschäftige Messe sonst nicht. Und für uns, die wir uns dort zu Messetagen oft aufhalten und auch hetzen und auch im Laufschritt über die Laufbänder traben, waren die leeren, aber mit Turngeräten und Tribünen bestückten Hallen ein völlig neues ästhetisches Erlebnis.

Mag sein, daß wir uns deshalb so viel anschauten auf dem Messegelände. Aber weniger die Wettkämpfe, mehr das Publikum und vor allem die Halle 6.1., wo die Stars von morgen schon heute übten. Wahrlich toll, was heutzutage schon ganz kleinen Kindern geboten wird. Die vier Rutschen, zu denen man, um hinunter zu donnern, erst einmal hinaufklettern muß, überhaupt die vielen Klettergeräte, aber auch die Geschicklichkeitsspiele und die endlosen Matten, wo eine Vierjährige rund 15mal einen Purzelbaum hintereinander schlagen konnte und immer noch nicht runtergefallen war. Ein echtes Kinderparadies hatten die Veranstalter hingezaubert, wobei das Beste war, daß auch Verantwortliche dabei standen und man jederzeit sicher sein konnte, daß sie eingreifen, wenn ein Kind seine Grenzen noch nicht kennt. Denn wie sollen auch kleine Menschen Grenzziehungen erlernen, wenn sie körperlich nur abgepackte Sportmöglichkeiten im Alltag erleben.

Den Gründer der Turnbewegung, den sogenannten Turnvater Jahn, erwähnen wir alle nicht mehr so gerne, seit ganz offen seine kleinkarierte, vor allem aber antisemitische Haltung kein Geheimnis mehr ist. Aber die Turnbewegung hat sich sowieso emanzipiert. Nicht nur von ihrem Gründer, sondern auch im gesamten Habitus. Zweidrittel der Mitwirkenden sind Mädchen und Frauen. Und auch bei den rund 20 000 Besuchern mit Tageskarten gab es viele weiblichen Gäste, auffallend auch, wie Jung und Alt hier vereint sind. Man sah mehr Ältere, aber 25 000 Teilnehmer waren jünger als 18 Jahre. Zu den Veranstaltungen sind rund 110 000 Eintrittskarten verkauft worden und vom Angebot an die Frankfurter zu „Mitmachangeboten“ haben etwa 32 000 partizipiert.

Michael von Zitzewitz, Chef der Frankfurter Messegesellschaft, sprach gar von 300 000, die auf das Frankfurter Messegelände gekommen waren. Auch die rund 60 dortigen Verpflegungsstationen haben mehr als fünf Tonnen Pommes frites ausgegeben. Das ist ein Stichwort, das uns direkt zum Essen führt. Denn anders als wir erwartet hatten, ist gesunde Ernährung kein Thema, das beim Turnfest eine Rolle spielte, weder theoretisch, schon gar nicht praktisch. Denn auch die Flussfestmeile am Main könnte man – analog dem Mittelpunkt Frankfurts mit der Freßgaß – gut auch Fressmeile nennen, allerdings entsprach dort das Angebot auch dem der sonstigen Flussfeste: Currywurst Pommes frites als Renner, ansonsten Wurst, Wurst, Wurst, belegte Brötchen, viele asiatischen Gerichte, aber Salate oder Gemüse oder Obst: Fehlanzeige. Das hat uns echt enttäuscht, denn wir versprachen uns von „gesundem Geist in gesundem Körper“ auch „gesunde Ernährung“ und die besteht nun einmal aus sehr viel mehr Basenstoffen denn den Säurelieferanten. Gut, auch Kartoffeln sind basisch, aber damit hat es sich schon.

Der eigentliche Anlaß, die Wettkämpfe waren so viele, daß man sie in einem Resümee gar nicht aufzählen kann. In Zahlen: 2000. Unbestrittener Star war der Hesse Fabian Hambüchen, der in toller Verfassung war und die Ersten Plätze nur so abräumte. Menschlich bleibt, daß er auch mal Zweiter wurde. Aber es gab auch eine Menge, wo man dazulernen konnte. Die Turnfest-Akademie unterrichtete gleich über acht verschiedene Themenbereiche von Gesundheitssport bis zur Tanzaktivität. Ein Turnfestmaskottchen und ein Turnfestlied gab es auch. Sinnigerweise heißt das Maskottchen Struwwel, denn sein Erfinder, der Frankfurter Psychiatriearzt Dr. Heinrich Hoffmann, der für seinen dreijährigen Sohn den Struwwelpeter dichtete und malte, wird dieses Jahr 200 Jahre, was die Stadt mit einem Heinrich-Hoffmann-Sommer begeht und der Weltexpress ausfürhlich dokumentiert. Dieser Struwwel singt also im Refrain: „Wir dreh’n die Welt – von Osten nach Westen/Alles zählt – gemeinsam am besten/Wir sind hier – frisch, fromm, fröhlich, frei/Wir schlagen Brücken, und Du bist dabei!

Frankfurt war übrigens in der Nachkriegszeit mehrfach Austragungsort des Deutschen Turnfestes: das erste im Jahre 1948, erneut 1983 und jetzt 2009. Aber auch schon das 5. Deutsche Turnfest 1880 wurde hier bestritten wie auch das 11. Deutsche Turnfest 1908. Dies war gleich zweifach ein besonderes Ereignis. Zum ersten Mal war eine Stadt das zweitemal Austräger des Festes und die neuerbaute Festhalle, die noch im Rohbau und damals Europas größte freitragend Halle war, konnte schon die Wettkämpfe aufnehmen, die ansonsten auf dem Messegelände sich fortsetzten, worüber der Weltexpress zum hundertjährigen Jubiläum der Festhalle berichtet hatte. Damals gab es übrigens bei 55 000 Teilnehmern sogar 400 000 Besuchern! Also mehr Zuschauer als heute!

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