„Gstaad in der warmen Jahreszeit“ und eine klingelnde „Gstaad-come-up-slow-down“-Kuh im kalten Berlin

Eine "Gstaad-come-up-slow-down"-Kuh in einem Berliner Bücherregal. © Münzenberg Medien, Foto/BU: Stefan Pribnow, Aufnahme: Berlin, 22.2.2017

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Nicht nur zur Internationale Tourismus-Börse, die in Kenner-Kreisen gerne auch Internationale Trinker-Börse genannt wird, sondern Tage vorher laden Werbeagenturen und werbende Anbieter von Betten und anderem touristischen Allerlei der Reisebranche Hinz und Kunz zu allerlei Ringelpietz mit Anfassen ein.

Zu spontanen und ausgelassenen Tänzen im Kreis der Geladenen und Gastgeber kommt es nur noch sehr selten. Das mag daran liegen, dass die Leute immer älter und gebrechlicher werden, aber auch an der kleinbürgerlichen Contenance Berserker und Betroffenen dieser Branche, in der sich das Motto Geiz ist geil längst breit gemacht hat wie auch die miese Masse von Möchtegern-Journalisten.

Ohne Namen zu nennen waren mehrere Gestalten dieser Mischpoke bei einer als „‚urchigen‘ Medien-Dinner ‚original Schweiz'“ bezeichneten Veranstaltung am 16. Februar 2017 ab 19 Uhr anwesend und also offensichtlich von „Gstaad Saanenland Tourismus“ eingeladen. Fast allen, die meisten weit über 60 Jahre als alt, manche augenscheinlich über 70 Jahre alt, saßen schon in der vorgewärmten „rustikal-alpinen Schweizer Hüttli“, die in einem Berliner S-Bahnbogen an der Spree platziert war, und warteten auf das Essen. Weil der Ort der Veranstaltung für den Berichterstatter schwer zu finden war, er ist schlicht schlecht ausgeschildert, kam ich cum tempore. Der Abend war trotz einer alpenländischen alkoholischen Köstlichkeit nicht leicht zu ertragen, denn über den S-Bahnbogen in Berlin ratterten nicht nur S-Bahnen im Minutentakt, sondern auch mehr als genug Regional- und Fernverkehrsbahnen.

Unter über einer Hand voll Schienen mit ratternden Zügen hörte ich die freie und freundliche Rede von Frau Kerstin Sonnekalb, die mit zwei Dutzend anderen Gästen und mir anschließend „original Schweizer Käsefondue“ aß.

Sonnekalb rühmte nicht nur Speis und Trank. „Die Region hat sich trotz ihrer Exklusivität ihre alpine Echtheit bewahrt und bietet eine Eventqualität, die dem urbanen Vergleich locker standhalten kann“, erklärte sie und nannte das Gstaad Menuhin Festival samt Akademie, wo „die Größten der Klassik in Gstaad“ zusammentreffen würden. In diesem Jahr würde „erstmals Stardirigent Jaap van Zweden die Leitung des Gstaad Festival Orchestra“ übernehmen. Vor allem „sportlich gesehen“ würde Gstaad punkten … „mit Events der Spitzenklasse wie der Beach Volleyball Major Series“, dem Ladies Championship Gstaad, einem Frauentennis-Turnier der WTA, dem Polo-Cup und einem „Snow-Bike-Festival“, dem ersten UCI-Rennen auf Schnee. Da waren wir wieder zurück im Berliner Winter, kalt, aber ohne Schnee. Sonnekalb pries vor allem „Gstaad in der warmen Jahreszeit“ und neue Hotels.

Wem für die teuren Hotels in und um Gstaad das Geld fehlt, für den ist vielleicht die 2014 eröffnete Jugendherberge Gstaad Saanenland in Saanen und inmitten einer schweizer Wander-, Mountainbike- und Skiregion etwas Gutes oder das eine oder andere B&B mit „Schlafen im Stroh“? Das dürfte authentischer sein als diese „Schweizer Hüttli“ hier vor ein paar Tagen ein Berlin. Übrigens reist die oben kurz beschriebene Mischpoke in der Regel auf Einladung, als Selbstzahler fehlt denen dafür das Geld.

Für nicht nach Gstaad Reisende reicht die „Gstaad-come-up-slow-down“-Kuh, die mir zum Abgang gereicht wurde. Die Kuh ziert jetzt eines meiner Bücherregal. Und die Kuh kann klingeln. Um ihren Hals aus Holz hängt eine Glocke.

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