GIACOMETTI. Die Spielfelder – Bis 19. Mai 2013 in der Hamburger Kunsthalle, Galerie der Gegenwart

© Foto: Elke Backert

Die Ausstellung verfolgt diese Idee über die bekannten Sammelskulpturen der Nachkriegszeit mit ihrer typisch überlängten Formensprach bis hin zu Giacomettis spektakulären überlebensgroßen Skulpturen für seine Gestaltung des Vorplatzes der Chase Manhattan Bank in New York von 1960. Die teils fast drei Meter hohen Figuren bilden im Spätwerk wie in der Ausstellung den Höhepunkt der Suche nach einer idealen Platzgestaltung zwischen Kunst und Leben. Das Chase-Projekt wird in seiner monumentalen Version gezeigt, mit den weltberühmten Figuren Schreitender Mann II (1959-60), Große Stehende II (1960) und Großer Kopf (1960). Mit diesem Werkkomplex wird der Boden der Galerie der Gegenwart zur Spielfläche und die Ausstellung zum Träger des zentralen Themas der Schau, nämlich zum inszenierten Spielfeld für die Besucher selbst.

Der neuartige, themenspezifische Werküberblick legt erstmals offen, wie sehr Werk und Sockel, Präsentiertes und Präsentationsform bereits in den surrealistischen, so genannten Spielbrett-Skulpturen ineinander fallen und Giacomettis ganzes Oeuvre bestimmen. Entscheidend wird die bedeutungsvolle Positionierung der einzelnen geheimnisvoll auf Eros, Tod und Erinnerung anspielenden Elemente.

Bislang kaum bekannte Zeichnungen aus Privatsammlungen eröffnen zudem eine bisher unentdeckte, weitergehende Wahrnehmung: Giacometti zeichnet menschliche Figuren in die Spielflächen und macht deutlich, dass die Skulpturen als Modelle auf große öffentliche Platzgestaltungen verweisen. Hier sollte der Betrachter in aktiv-handelnden, körperlichen Austausch mit der Kunst treten. Die tischbrettgroßen „Spielfelder“ sind somit als Experimentierfelder für größenmaßstäbliche, den Menschen einbeziehende Platz-Realisierungen zu verstehen. Damit nimmt Giacometti die „Environment“-Kunst der 1960er Jahre voraus, in denen die Umgebung zum Teil des Werkes wird.

„Der Tag wird kommen, an dem man große Dinge im Freien
machen kann, jeder bekommt seine Chance, wenn er ihrer würdig ist.“ Dies prophezeite schon der Künstlervater Giovanni Giacometti 1929 seinem begabten Sohn. Tatsächlich träumt Alberto fast 40 Jahre lang davon, eine große Skulpturen-Gruppe für einen öffentlichen Platz zu schaffen, auf dem sich Kunst und Leben treffen. Diesem Traum widmet sich nun erstmals eine Ausstellung.

Tatsächlich wurde keines der frühen wie späteren Schaumodelle und der späten Platzentwürfe endgültig als öffentliche Gestaltung umgesetzt. Giacometti vergrößerte aber einzelne Elemente für sich selbst und umgab sich über Jahrzehnte damit in seinem winzigen Pariser Atelier, das „mit der Zeit immer größer wurde“ (Alberto Giacometti). Ihre bedeutungsvollen, wie in einem Gedächtnistheater arrangierten Platzierungen auf dem Atelierboden hielt er sorgsam fest.

Die Ausstellung ermöglicht mit zahlreichen Gemälden, Zeichnungen und Fotografien aus verschiedenen Schaffensperioden teils bisher ungesehene Einblicke in diesen außergewöhnlichen Produktions- und Präsentationsort. Denn auch das Atelier war Giacomettis „Spielfeld“: Es wurde zur Bühne, auf welcher der Künstler sich selbst und seine Schöpfungen inszenierte. Dieser zu Recht zum Mythos gewordene Arbeitsraum wird in seiner räumlichen Gedrängtheit und zugleich ideellen Bedeutung in der Ausstellung erstmals erlebbar.

Die groß angelegte Schau umfasst über 200 ausgewählte Werke. Darunter befinden sich 40 zum Teil bislang kaum ausgeliehene Skulpturen sowie rund 30 Ölgemälde, zudem Zeichnungen und Fotografien aller Werkphasen aus internationalen Museen und Privatsammlungen. Präsentiert wird so die ganze Spannweite und Aktualität von Giacomettis Kunst: Innerhalb der Formensprache von der Blockhaftigkeit zur fragilen Entmaterialisierung, innerhalb der Raumauffassung vom winzigen Produktionsort zum inszenierten Präsentationsort und innerhalb des Skulpturenbegriffs vom individuellen Objekt zum architekturbezogenen, überlebensgroßen „Environment“.

Ein umfangreicher wissenschaftlicher Katalog (29 €) ist auf Deutsch und später auf Spanisch exklusiv in den Museumsshops und unter www.freunde-der-kunsthalle.de erhältlich.

Die Ausstellung „Giacometti. Die Spielfelder“ der Hamburger Kunsthalle wird im Anschluss von der Fundación Mapfre in Madrid übernommen. Ermöglicht durch Mobilitätspartner Die NORDMETALL-Stiftung wurde 2004 vom Arbeitgeberverband NORDMETALL gegründet. Sie fördert Projekte in den Bereichen Bildung, Forschung, Wissenschaft, Kultur und Soziales in Norddeutschland. Alle Projekte verbindet ein gemeinsames Ziel, die Förderung der wichtigsten und langlebigsten Ressource des Menschen – seine Motivation. Das Konzept von „Giacometti – Die Spielfelder“ motiviert den Besucher zum Experimentieren. Dies und Giacomettis Anliegen, Kunst ins Leben des Betrachters zu bringen, hat die NORDMETALL-Stiftung veranlasst, die Ausstellung zu ermöglichen. Websites: www.nordmetall-stiftung.de und www.hamburger-kunsthalle.de

Giacometti – Zwei Ausstellungen für Hamburg
Zeitgleich zur Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle findet im Bucerius Kunst Forum die Ausstellung „Alberto Giacometti. Begegnungen“ statt. Website: www.buceriuskunstforum.de

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