Gespenster – Monika Treut vermengt japanische Geistersage und modernes Liebesdrama zu “Ghosted”

Geister hat Sophie (Inga Busch) nicht gerufen und wird sie dennoch nicht mehr los. Nach dem Tod ihrer Geliebten Ai-ling (Huan-Ru Ke) trifft Künstlerin Sophie auf die hübsche Mei-li (Ting-Ting Hu). Die junge Asiatin stellt sich als Reporterin vor, die über Sophie berichten soll. Sofort ist Sophie fasziniert von Mei-li, doch hinter deren Anziehung auf Sophie lauert eine unbestimmte Furcht, eine Distanz, die nicht nur durch die Trauer über Ai-lings Tod verursacht wird. Die Unbekannte weckt in Sophie und auf der Leinwand die traumartigen Erinnerungen an die Zeit mit Ai-ling. Hier bemüht Treut die üblichen Klischees: Eintracht, Querellen, schließlich ein heftiger Streit. Nach letztem verlässt Ai-ling nachts die Geliebte und kommt prompt ums Leben. Bruchstückhaftes Erinnern wechselt sich ab mit der Gegenwart. Gleich einem Gespenst taucht Mei-li immer wieder in Sophies Alltag auf. Dazu wandern geisterhafte Nebenfiguren durch die Filmhandlung, die weder die Charaktere noch der Zuschauer einordnen kann. Die Nachforschungen der Künstlerin ergeben, dass Mei-li gar keine Reporterin ist. Weiter als bis zu dieser ominösen Enthüllung hat Treut leider nicht gedacht. Mei-li könnte ein Geist sein, doch Monika Treut erzählt keine Horrorgeschichte. Anhand des übersinnlichen Motivs analysiert sie psychische Veränderungen ihrer Figuren. Das endet auf der Leinwand noch verworrener, als es klingt. Durch die Überschneidung der Zeitebenen scheinen die Frauen in einer geistigen Menage-a-trois zu leben. Mei-li forscht in Sophies Vergangenheit, auch über Ai-lings Leben. Sophie versucht, das Mysteriöse um ihre neue Bekannte Mei-li zu entschlüsseln und lernt dabei Ai-ling besser verstehen. Ai-ling wiederum beeinflusst die beiden mit ihrer unsichtbaren Präsenz. In “Ghosted” verkörpern die Geister Sehnsüchte und Verlangen. Die Lebenden scheinen sie herbeizusehen, um mit den vermissten Toten zusammen zu sein. Doch was poetisch wirken soll, endet filmisch im Zusammenhanglosen.

Innovativ wird die Kombination von taiwanesischem Geistermärchen und westlicher Liebesgeschichte in “Ghosted“ nicht. Tatsächlich knüpft der Film damit an die Jahrtausende alte Tradition asiatischer Gespenstersagen an. Verlorene und ersehnte Liebe sind darin oft zentrale Thematik. Anders als in der europäischen Vorstellung sind die Totengeister des Fernen Ostens selten bedrohliche Schreckgestalten, sondern traurige, sehnende Wesen und oft weiblich. Statt Grauen zu erwecken, wollen sie durch ihre Anwesenheit trösten oder mahnen. “Ghosted” kann an den Bedeutungsgehalt der Sagen nur mühselig anknüpfen. Die Beziehung zu Mei-li hilft Sophie über den Tod ihrer Partnerin hinweg. Gleichzeitig veranlassen sie die rätselhaften Ereignisse zu einer bewussten Konfrontation mit dem Geschehen. Die Konflikte, die dem Tod ihrer Freundin vorangingen, hat Sophie verdrängt. Davon zeugen die Videoinstallationen, welche die Künstlerin in der Eingangszene vorstellt. Die Aufnahmen zeigen eine verklärte Ai-ling. Die Idealisierung verhindert ein realistisches Erinnern und somit einen Neubeginn. Mei-lis Auftreten ist Mahnung, ich mit der Vergangenheit zu konfrontieren. Zu dem äußerlichen Gedenken, welches die Kunstinstallation Sophies, die sie der Toten widmet, symbolisiert, kommt ein seelisches Verarbeiten. Hierzu findet Sophie durch die asiatische Trauerfeier. Regisseurin und Drehbuchautorin Monika Treut konstruiert hier wenigstens keine Bekehrung zu spirituellen Heilsleeren. Das Totenopfer ist bedeutsam als individuelle Geste des Abschieds, nicht als Religionsfindung.

Tiefer gehende Gefühle erstickt die Handlung durch ihre Versponnenheit. Bei den Bemühungen, die verschiedenen Handlungsfäden zu verknüpfen, verliert sich Monika Treut in ihrer überstrapazierten Geistermär. Mit Hang zur Sentimentalität zeichnet “Ghosted” das Porträt dreier Frauen. Dass deren Liebesbeziehungen sich untereinander abspielen, ist immerhin erfrischend nebensächlich. Die Charaktere sind unterdessen überfrachtet mit Sorgen um Trauer, Sehnsucht und Eifersucht. Die unterschwelligen Bezüge zum Doppelgängermythos, Geistersagen und Spuk verleihen dem Drama eine meditative Schwere, die schließlich erdrückend wird. Hier flüchtet sich “Ghosted” zu allem Übel beinahe in eine Krimihandlung um Ai-lings Tod, doch Monika Treut besinnt sich rechtzeitig. Konflikte und Rätsel in “Ghosted” bleiben dennoch ungelöst. Ratlos und ermüdetet lässt der Film seine Figuren und Zuschauer endlich ziehen. Von allen guten Geistern verlassen war am Ende die Regisseurin.

Titel: Ghosted
Start: 30. April
Regie und Drehbuch: Monika Treut
Darsteller: Inga Busch, Huan-Ru Ke, Ting-Ting Hu, Jana Schulz,
Verleih: Edition Salzgeber
www.ghosted-film.de

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