Ganz neu und gleich auf Platz Eins: Roger Smith mit “ Blutiges Erwachen“ , Tropen bei Klett-Cotta – Krimiwelt: Die Bestenliste von Welt, Arte und Nordwestradio für März 2010

So sehen Sieger aus: Buchdeckel zu Roger Smith: Blutiges Erwachen.

Was Roger Smith angeht, hat er uns auch überrascht. Bisher wissen wir nur, daß erneut Kapstadt sein Thema ist und daß er in blutigen und fettigen Pinselstrichen das Gegenmodell zur WM bringt! Die letzten Nummern eins und zwei, jetzt zwei und drei ,dagegen sind ausgelesen und es stimmt, was die Jury bestimmt hat. Sie sind beide gut und wir froh, nicht entscheiden zu müssen, wer besser ist. Der „Leopard“ von Jo Nesbí¸ aus dem Verlag Ullstein hat doch eine gewisse nostalgische europäische Note, was uns sehr gut gefällt. Er entwickelt sich ganz langsam, die Verbrechen sind da, doch die Aufklärer sich spinnefeind und daß ausgerechnet die nette Kommissarin Holly Hole erst einmal mit dessen schärfsten Widersacher beruflich ’betrügt`, weil sie privat und dienstlich nicht auseinanderhalten kann, hat uns aufgeschreckt. Überhaupt passiert in diesem Roman vieles, was einem gegen den Strich geht. Aber man reagiert darauf mit aufgerichteten Härchen und versinkt nicht in Despression. Wie Harry Hole.

Kümmern wir uns um die weiteren vier der fünf Neuen. Auf Platz 6 folgt  Carol O’Connell mit „Such mich!“, erschienen bei btb. O’Connell, Jahrgang 1947, war schon einmal mit einer Reihe von Titeln in den neunziger Jahren auf dem deutschen Markt. auch diesmal geht’s um Mallory, allerdings um seine Anfänge als Findelkind verlorener Eltern. Die Serie selbst wird mit dem ersten Band im Sommer des Jahres wieder von Beginn an aufgelegt. Trotzdem kann man von hinten beginnen.

Pablo de Santis auf Platz sieben kommt aus Argentinien, das uns das Jahr über als Gastland der Frankfurter Buchmesse schon auf der Buchmesse in Leipzig vom 18.-21. März beschäftigt. „Das Rätsel von Paris“ , erschienen bei Metro im Unionsverlag, geht in die Vergangenheit, wo sich 1889 zur Weltausstellung in Paris die zwölf weltbesten Detektive versammeln, um die Kunst der Detektion vorzuführen. Anlaß ist genug. Drei Morde sind da und eine Menge Helfer. De Santis steht in der Tradition des südamerikanischen philosophisch verschlüsselten Romans, wie in insbesondere Borges begründet hatte. Auch hier geht es um mehr ,als die äußeren Anlässe glauben lassen. Wo ist der argentinische Repräsentant, der doch hier seine Kunst vorführen soll, aber als Mordverdächtiger gesucht wird?

Aus Ghana stammt der heute in Kalifornien lebende Schriftsteller Kwei Quartey, der mit „Trokosi aus dem Lübbe Verlag literarisch zurückgeht in seine Heimat.  Der Detektivinspektor muß sich mit einem Mord herumschlagen, dessen Aufklärung sowohl moderne wissenschaftliche Methoden benötigt, wie auch traditionelle spirituelle Einsichten braucht. Wo gibt es den Mittelweg? Wo überhaupt einen Weg in diesem undurchsichtigen Dschungel, der Darko Dawson immer wütender macht. Paulus Hochgatterer hingegen ist selbst Psychiater. In Wien-Floridsdorf leitet er als Kinder- und Jugendpsychiater das Institut für Erziehungshilfe. Sein letzter großer, sehr erfolgreicher Wurf war „Die Süße des Lebens“ aus dem Jahr 2006. Den Deutschen Krimi-Preis bekam er 2007. Im „Das Matratzenhaus“ bei Deuticke im Zsolnay Verlag, müssen gleich ein Kommissar und ein Psychiater ran, um die schwierige Lage von Mißbrauch und Gewalt im Kindesalter so schonend , aber auch so effektiv wie möglich aufzuklären und die Schuldigen zu bestrafen.

Uns noch unbekannt ist der in Ungarn lebende US-Amerikaner Olen Steinhauer, der mit „Der Tourist“, erschienen im Heyne Verlag und jetzt auf Platz 10 , eine neue Spezies des internationalen Geheimagenten erfunden hat, der nun reist, ohne anzukommen. Dieser Tourist Milo Weaver kommt rum: Venedig, New York, Paris. Berlin fehlt noch. Aber wer weiß, wie und wo sich der Geheimagent der Schlinge, die ihm über den Kopf gestülpt wurde, entledigt. Derzeit haben solche Probleme fast immer mit dem 11.September 2001 zu tun. War ja auch ein welterschütterndes Datum.

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(-)

Roger Smith: Blutiges Erwachen

Aus dem Englischen von Jürgen Bürger und Peter Torberg

Tropen bei Klett-Cotta, geb., 356 S., 19,95 €

Kapstadt: Am Strand schnitzt ein Serienkiller an Blondinen. Zwei Tik-Junkies überfallen Waffenhändler Joe. Roxy durchlöchert Joe. Ex-Bulle Billy hat Schuldgefühle. Gangster Piper will schlitzen, was sich regt, und seinen Lover lebenslang. Kapstadt als Rassenkampf-Gierstadt: Smith splattert, trasht und junkt, dass es kracht.

2

2

(1)

James Ellroy: Blut will fließen

Aus dem Amerikanischen von Stephen Tree

Ullstein, geb., 784 S., 24,90 €

Los Angeles/Las Vegas/Washington: Drei Männer auf der Jagd nach der Beute aus einem Raubüberfall. Zwei rote Göttinnen. Dazu Kokser, Rassisten, FBI, Hetzjagden, Counterinsurgence. Ellroys Abschluss der US-Unterwelt-Trilogie: Monumental-Cluster alles Bösen der Jahre 68-72. Inkommensurabel, grandios gehämmert.

3

3

(2)

Jo Nesbí¸: Leopard

Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob und Maike Dörries

Ullstein, geb., 704 S., 21,95 €

Oslo/Kigali/Sydney/Hongkong: Harry Hole bleibt nicht trocken. Im Wettkampf mit einem Büro-Karrieristen jagt er, ob nüchtern oder voll, mit begnadeter Intuition einen Mörder, der ihn als ebenbürtigen Gegner erkannt hat. Norweger Nesbí¸ in Schwede Mankells Spuren: schneller, schlaksiger, internationaler.

4

4

(8)

Angelo Petrella: Nazi Paradise

Aus dem Italienischen von Bettina Müller Renzoni

Pulp Master, TB, 120 S., 12,80 €

Neapel: Der namenlose Ich-Erzähler und Abonnent von „Skin-News“ hat Pech. Beim Verdreschen des Negers, der eine Kameradin gebumst hat, fällt er den Bullen in die Hände. Für sie muss er den PC eines Villenbesitzers auf Capri cracken. Sonst gibt es Knast. Überraschende Memoiren eines Neofaschisten: Fix und dreckig.

5

5

(10)

Wolfgang Schorlau: Das München-Komplott

Kiepenheuer&Witsch, TB, 336 S., 8,95 €

München/Berlin: Was reitet das BKA? Georg Dengler wird von seinem früheren Dienstherrn beauftragt, den Anschlag von München 1980 zu untersuchen. Dengler ist Spielball einer Intrige höchster Kreise. Und stochert als detektivische Sonde im Urschlamm des europäischen Rechtsextremismus. Hart am politischen Wind.

6

6

(-)

Carol O’Connell: Such mich!

Aus dem Amerikanischen von Renate Orth-Guttmann

btb, PB, 480 S., 14,95 €

USA, Route 66: Detective Mallory, Soziopathin, kein Vorname, rollt die Mother Route lang. Voraus ein Serienkiller, der die Strecke mit Gräbern spickt. Mit ihr eine Elternkavalkade. Schilder: Wo sind unsere Kinder? Ein Rolling Stone unter den Krimis! Comeback einer phantastischen Autorin. On the Road again.

7

7

(-)

Pablo de Santis: Das Rätsel von Paris

Aus dem Spanischen von Claudia Wuttke

Metro im Unionsverlag, geb., 320 S., 19,90 €

Buenos Aires/Paris: Zur Weltausstellung 1889 versammeln sich DIE ZWÖLF (weltbesten) DETEKTIVE zur Detektions-Demonstration. Dabei: ihre „Adlaten“. Drei Morde fordern die Genies heraus. Intellektuell funkelnd melancholischer Abgesang auf den Detektiv, Schlüsselfigur des 19. Jahrhunderts. Mords Wortkunst.

8

8

(-)

Kwei Quartey: Trokosi

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Luebbe, PB, 354 S., 14,99 €

Ketanu, Ghana: Eine junge Anti-AIDS-Aktivistin liegt erdrosselt im Wald. Aus der Hauptstadt kommt Detective Inspector Darko Dawson in sein Herkunftsdorf. Wütend sucht er Wahrheit, eingeklemmt zwischen traditionell lokaler Spiritualität und modern wissenschaftlichem Denken. Schwarzafrika kommt zu Wort.

9

9

(-)

Paulus Hochgatterer: Das Matratzenhaus

Deuticke im Zsonlay Verlag, geb., 296 S., 19,90 €

Furth am See: Unmerklich wie im wirklichen Leben sickert das Verbrechen ins Bewusstsein derer, die es erkennen müssten. Psychiater Raffael Horn und Kommissar Kovacs zweifeln: an sich selbst, an den Methoden ihrer Profession. Gewalt gegen Kinder, Missbrauch – bei Hochgatterer eindringlich entspektakulisiert.

10

10

(-)

Olen Steinhauer: Der Tourist

Aus dem Amerikanischen von Friedrich Mader

Heyne, geb., 546 S., 19,95 €

New York/Paris/Venedig: Das sind nur einige der Orte, an denen der „Tourist“ Milo Weaver arbeitet. Der CIA-Spezialist für nasse Jobs ist in der Bredouille. Er soll die Kollegin vergiftet haben, der er zur Hilfe geschickt wurde. Ultrakomplexe Geheimdienststory der Post-9/11-Ära. Abgebrüht.

Die „Bestenliste“ wird im Hörfunk immer am letzten Wochenende des Monats: Samstag 8.05 – 9.00 Uhr; Sonntag 15.05 – 16.00 Uhr in der „Literaturzeit“ des NordwestRadio vorgestellt. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt über 800 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem letzten Samstag im Monat geben 19 Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.

Die Jury setzt sich zusammen aus:

Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiWelt Volker
Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, Berg, „Druckfrisch“, Dlf, BR
Sven Boedecker, Zürich, Sonntagszeitung
Kathrin Fischer, Frankfurt/Main, Hessischer Rundfunk
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Thomas Klingenmaier, Stuttgart, Stuttgarter Zeitung
Ekkehard Knörer, Berlin, Perlentaucher, Crime Corner
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Jochen Schmidt, Düsseldorf, elder critic
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau
Hendrik Werner, Bremen, DIE WELT
Thomas Wörtche, Berlin, Kolumnist Freitag, Plärrer

Alle weiteren plazierten Krimis entnehmen Sie bitte den Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie unter Kultur.Bücher oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Dreimal darf ein Buch einen Platz bekommen, dann scheidet es aus und hat nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die diesmal Ende Januar herauskommt.

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