»Furchtloses» Mammutprogramm – Die Staatsoper Unter den Linden stellt ihre Pläne für die Spielzeit 2018/2019 vor

Daniel Barenboim in der Staatsoper Unter den Linden.
Daniel Barenboim in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin (Archivbild). © Staatsoper Unter den Linden - Stiftung Oper in Berlin, Foto: Christian Mang

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Ein Mammutprogramm der Staatsoper Unter den Linden für die Spielzeit 2018/2019 stellten vergangene Woche der Generalmusikdirektor Daniel Barenboim und der Intendant Matthias Schulz vor. Matthias Schulz tritt am 1. April die Nachfolge des Intendanten Jürgen Flimm an.

Nach einer, in gewissem Sinne, Rumpfspielzeit 2017/2018 mit stop and go wird nun ab Oktober 2018 durchgehend gespielt. Vielleicht müssen sich Daniel Barenboim und Matthias Schulz selbst Mut machen, indem sie der neuen Spielzeit den Titel »Furchtlos» geben. Das lässt Risiken ahnen, die noch immer mit der Inbetriebnahme einer komplett erneuerten Theatertechnik und eines bis auf die Grundmauern »durchsanierten» Gebäudes verbunden sind. Unwägbarkeiten böte natürlich auch jeder komplette Neubau. Insofern geht es ohne Wagemut und Verantwortung sowieso nicht, und Matthias Schulz betont nicht von ungefähr sein Vertrauen in die Belegschaft der Staatsoper. Der Wille aller zum bestmöglichen Funktionieren ist da.

Also ging das Leitungskollektiv in die Vollen. Sieben Premieren stehen auf dem Programm, darunter zwei Uraufführungen: »Violetter Schnee» von Beat Furrer im Januar 2019 (ein Auftragswerk der Staatsoper) und »Babylon» (Berliner Neufassung) von Jörg Widmann im März 2019. Eröffnen wird die Saison am 7. Oktober 2018 Daniel Barenboim mit »Medea» von Luigi Cherubini in der Regie von Andrea Breth. Spannend wird Sergej Prokofjews Oper »Die Verlobung im Kloster» im April 2019 unter der Leitung von Barenboim. Ein Höhepunkt der Spielzeit werden die Barocktage im November 2018 sein. Sie sollen künftig jedes Jahr stattfinden. Heuer sind sie dem Anfang und dem Ende des Barockzeitalters von Claudio Monteverdi bis Jean-Philippe Rameau gewidmet, darunter eine Uraufführung einer Monteverdi-Tanz- / Theaterperformance von Saar Magal.

Das zeitgenössische Musiktheater wird unter dem Titel »Linden 21» zusammengefasst. Dies sollen Projekte und Produktionen sein, die, wie im Programm abstrakt ausgedrückt, »nach neuen Aufführungs- und Rezeptionsformen suchen». Dazu gehören Kammeropern, inszenierte Konzerte und Stückentwicklungen. Sie passen sowohl in diese wie in jene Schublade.

Was wäre ein Berliner Opernhaus ohne Mozarts »Die Zauberflöte»? Die wird »neu befragt». Das bedeutet sowohl den Fortbestand des Klassikers mit dem Bühnenbild nach Schinckels Entwürfen als auch eine Neuinszenierung von Yuval Sharon unter der musikalischen Leitung von Franz Welser-Möst im Februar 2019. Keine Bange, wir hatten auch schon »Die Zauberflöte» in der U-Bahn, vor Frau Merkels Haustür, dirigiert von Christoph Hagel. Egal, wo und wann, Zauberflöte geht immer.

Interessanter Schwerpunkt des Programms wird das Werk Sergej Prokofjews mit der erwähnten »Verlobung im Kloster» sowie mit dem musikalischen Märchen »Peter und der Wolf», mit der Kantate »Alexander Newsky», mit Klavierkonzerten und Sinfonien sowie dem gesamten kammermusikalischen Werk über die gesamte Spielzeit hinweg sein. Prokofjew ist auch der Aufhänger für Matthias Schulz` Lieblingsprojekt, die Gründung des Opernkinderorchesters für Kinder von 7 bis 12 Jahren, gemeinsam mit Berliner Musikschulen und der Staatskapelle. Dies wird also am 20. April 2019 das Märchen »Peter und der Wolf» spielen. Ergänzend zum Kinderopernhaus Lichtenberg will Schulz weitere Kinderopernprojekte gemeinsam mit Berliner Bezirken entwickeln. Finanziell werden sie von der Heinz-und-Heide-Dürr-Stiftung und von der Karl-Schlecht-Stiftung unterstützt. Kinder freuen sich riesig über jedes Mitmachen-dürfen und sie behalten bleibende Eindrücke. Ob jedoch eine »Teilhabe am professionellen Opernbetrieb» und auf »internationaler Plattform» (Programmheft) der erwünschten Breitenarbeit dient, mag bezweifelt werden.

Die Staatskapelle blickt ihrem 450jährigen Bestehen im Jahre 2020 entgegen. Sie wird in der Spielzeit 2018/2019 in Berlin 16 große Sinfoniekonzerte mit acht Programmen im Opernhaus und in der Philharmonie spielen, davon fünf unter der Leitung Daniel Barenboims. Gastspiele sind in der Philharmonie de Paris, in der Elbphilharmonie Hamburg, in China und Australien geplant.
Wie werden diese weit gefassten Pläne finanziert? Der Geschäftsführende Direktor Ronny Unganz stützt sich auf seinen Wirtschaftsplan, »mit Freiheiten», wie er sagt. Der beruht auf geplanten Ausgaben von 60 Millionen Euro und 12 bis 13 Millionen Einnahmen aus Kartenverkauf, Gastspielen und dergleichen. Zuschüsse in Höhe von 48 Millionen Euro fließen vom Berliner Senat einschließlich der Mittel vom Bund über die Opernstiftung. Zum Budget tragen auch die Hauptpartner, der Autokonzern BMW und die Bank UBS, mit nicht näher bezeichneten festen Beträgen für einen Horizont von zwei bis drei Jahren bei. Gerade solch massenwirksame Veranstaltungen wie »Staatsoper für alle» auf dem August-Bebel-Platz werden von großen Unternehmen aus der Wirtschaft gern gefördert, weil sie das Ansehen der Firma heben. Damit ist längst nicht garantiert, dass sich alle, die auf dem Bebelplatz zusammenströmen, auch die Eintrittskarten leisten könnten, deren Preise »angepasst» wurden. Doch ein Gefühl für ein Gemeingut Staatsoper entsteht sicher.

Ronny Unganz ist sich der Unwägbarkeiten der Entwicklung der Betriebskosten in einem Haus im Probelauf bewusst. Trotz der Risiken, sagt Unganz, habe sich das Leitungskollektiv der Staatsoper zu dem anspruchsvollen Programm entschlossen. Tägliche Vorschau und Kontrolle sind unverzichtbar, zum Teil helfen die Erfahrungen aus dem »Interregnum» im Schillertheater. Der Spielplan steht fest. Nun beginnt für ihn die Kunst des Wirtschaftens.

Der reguläre Kartenvorverkauf für die Vorstellungen der Saison 2018/2019 beginnt am 14. April um 10 Uhr.

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