Für Wisser, Besserwisser und Bilderversteher – Serie: Zum Jahresübergang die alten und neuen Bücher aus vielen Bereichen (Teil 8/20)

Da muß man nicht gleich an den „Tatort“ denken und wie da von schwarz übermalten Kinderbildern auf sexuellen Mißbrauch der kleinen Künstler geschlossen wurde. Das alles gibt es und ist enorm wichtig als Ausdruck von Kindern, wenn sie nicht darüber sprechen können. Sozusagen die Spitze des Eisbergs. Aber der Eisberg selbst hat eine breite Basis an Zeichenversuchen von Kindern und genau diese schlüsselt der Psychologe Martin Schulz auf. Seine Motivation liegt darin, daß der Leser im eigenen Leben die drei Schritte zu bewältigen lernt: zum einen Kindern spezifische Malaufgaben zu geben, um über deren Entwicklungsstand eine Aussage treffen zu können, diese Entwicklung gezielt zu fördern und dann auch noch das Malen und Zeichnen speziell als Therapie zu erlernen, um Kindern zu helfen.

Da geht es um Motorik, also die Geläufigkeit des Stiftes, die das Kind durch Reifungsprozesse vom ganzen Arm heraus in die Hand zu verlegen lernt, dann aber die ganzen Phasen der Zeichenkunst von der Linienentwicklung über das Nachzeichnen zu den Kopffüßlern und anderem. Wir haben übrigens folgendes gemacht: Wir haben erst alle Kinderzeichnungen im Buch – ein wunderbares Anschauungsmaterial – genau angeschaut, uns unsere Gedanken gemacht und erst dann im Leseprozeß erneut in den Text integriert. Was wir nicht machen konnten, aber was uns reizte, ist diese Kinderzeichnungen von Kindern interpretieren zu lassen.

Um Bilder geht es auch im den Kinder-Lernkrimi „Leonardo da Vinci und der Bilderdieb, den Amelie Benn im Compact Verlag herausgegeben hat. Hier nutzt man die Form des Krimis durch Diebstahl zum Mithelfen des Lesers bei der Aufklärung und nebenbei lernt man dabei eine ganze Menge. Nicht nur, wer dieser Leonardo war und was es mit der Welt der Bilder auf sich hat, sondern man taucht auch in seine Zeit ein, die Renaissance, die so anders als die unsere ist, auf die aber unsere kulturellen Wurzeln und unser Selbstverständnis als gebildete Europäer und Kunstliebhaber zurückgehen.

In den Text sind Aufgaben eingestreut, die der kindliche Leser sofort lösen kann, was wir den meisten Erwachsenen nicht zutrauen: „Wer hat das Bild ’Dame mit Einhorn` gemalt? a) Raffael, b) Michelangelo, c) Leonardo da Vinci?“, womit die drei Großmeister der italienischen Renaissance angesprochen sind. Was richtig ist? Nachlesen. Denn hinten steht die Auflösung. In derselben Art gibt es Kinder-Lernkrimis über weitere historische Personen und Sachverhalte, Cäsar, Marco Polo etc.

Und dann gibt es noch die Schüler. Lernkrimis aus dem Compact Verlag. Hier geht es um Physik und den „Der geheimnisvolle Code“, dessen Geschichte Nils Reschke erfunden hat und zu der Lutz Konetzke die Übungen beigesteuert hat. So sind die nämlich aufgebaut, diese Lernkrimis für verschiedene Schulfächer und unterschiedliche Sprachen. Anlaß ist bei unserem Krimi die Ausstellung, die der Direktor des Max-Planck-Gymnasiums in Fuchstal zum Namensgeber der Schule plant. Dafür werden nämlich Stücke aus dem Privatbesitz des Nobelpreisträgers ausgeliehen, die nun bei einem überraschenden Einbruch gestohlen werden. Höchste Zeit für die drei Freunde Arne, Björn und Leonie, den Diebstahl aufzuklären, wobei sie sich mehr als in die Haare geraten.

Unter „Übungsaufgaben“ sind ganz schön schwierige physikalische Phänomene angesprochen, und das auch noch in häufiger Zahl So heißt „Übung 58“: „Im Moor war es sehr dunkel, nur der Mond beleuchtete das Geschehen spärlich. Wo kommt das Mondlicht her? Beschreibe den Weg von der Lichtquelle bis zum Auge des Beobachters. Werfen Gegenstände im Mondlicht auch Schatten?“ Mit dem Erwachsenenverstand kann man das selbst beantworten, aber diesen Verstand gebraucht man so selten. Im Buch geben die hinteren Seiten die Antwort, die wir bei Durchlesen ganz schön oft nötig hatten!

Kein Krimi und doch ein Detektivbuch ist „Motte und das Monster im See“ von Christoph Mauz (Miau!) aus dem Residenz Verlag. Für uns ist es das erste Buch aus dieser Reihe, die der skurrile Kinderbuchheld Maroni und sein Freund Meier bestehen. Und es ist eben doch mehr Literatur als obiges Lernszenario. Sehr liebenswert sind das Buchpersonal und die gegenseitige Ansprache ganz schön direkt und komisch auch. Die grauenvollen Flossen des unsagbaren Monsters sind im idyllischen Badesee von Podersiedel gesichtet worden: „ Eine Mischung aus Nessie und dem Weißen Hai, mit glühenden Augen und messerscharfen Zähnen, hält es sich im Schilfgürtel versteckt.“

Die Monsterjagd gestalte sich sehr komisch, wobei über Freund Meier nicht nur Motte Maroni lachen muß. Die Erzählung nimmt Fahrt auf, welch durch unterschiedliche Typographie der erzählteil vom Dokumentationsteil, wenn aus dem ’Podersiedeler Morgenbote` zitiert wird. Und dann merken auch wir, daß ’Podersiedel` doch so irgendwie dem Neusiedlersee nachempfunden ist. Sicher hätten die beiden Detektive „Natur rund ums Haus“ von Klaus Richarz aus dem Kosmos Verlag gut gebrauchen können. Wenn es nämlich heißt; „Expeditionen in die heimische Tierwelt“, werden in diesem interessanten Bildband nicht nur hervorragende Nahaufnahmen von den Tieren um uns herum gezeigt und ihr Verhalten interpretiert und auch, wo man sich vor ihren Untaten schützen kann, sondern auf der beigelegten DC ertönen fünfzig Tierstimmen.

Wir haben dies durchgehört, ursprünglich auch, um Motte und Meier zu unterstützen, aber ihr Monster hat dort keinen akustischen Laut hinterlassen. Das mag aber nicht nur an der Monstereigenschaft im Podersiedeler See liegen, sondern auch daran, daß Seegetüme und Ungetüme bei diesen Tierstimmen keine Rolle spielen, denn nur der Gartenteich wird als Feuchtbiotop behandelt. Und schon dabei haben wir neben den vielen Vögeln solche Freunde wie Stechmücken, Königslibellen, Ringelnattern, Spitzhornschnecken, Gelbbrandkäfer, Molche, Wasserskorpione und Zwergrückerschwimmer kennengelernt. Nur halt kein Monster. Gottseidank.

Ach, „Das wilde Pack“ hätten wir fast vergessen. André Marx und Boris Pfeiffer haben im Kosmos Verlag die Tiere des Zoos erst vom Zoodirektor Müller kujonieren lassen und dann sich selbständig auf den Weg machen lassen, um das Wilde Pack zu suchen und sich ihm zuzugesellen, denn das hat sich im Zoo als Mär herumgesprochen, daß sich diese Tiere von den sie schlecht behandelten Menschen separierten, um ihre Ruhe zu haben und unbehelligt miteinander zu leben. Ach, wer wollte aus dem Zoo nicht dabei sein, ohne Käfig und die besserwisserischen Menschen zu leben. Und erst mal die Besucher mit ihrem ’Ah` und ’Oh`. Aufdringlich einfach.

Nicht so einfach, die andererseits bequeme Insel Zoo zu verlassen, wo man ohne etwas dafür tun zu müssen, sein Futter bekommt. Und so weiter. Also macht sich Hamlet, der Wolf, erst einmal allein auf den Weg zum Wilden Pack. Er findet sie auch in den verlassenen U-Bahn-Schächten und Untertunnelungen und Höhlen der Stadt. Aber wie trifft er sie an. Wie Penner und Zukurzgekommene, verwahrlost und ohne Mut. Und nun versucht Hamlet sein Meisterstück. Mehr dann im Buch. Denn das sind nur Anreize, Vorstellungen, Überblicke. Lesen müssen Sie selber.

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Martin Schuster, Kinderzeichnungen, Reinhardt Verlag 2010

Amelie Benn, Leonardo da Vinci und der Bilderdieb, Kinder-Lernkrimi, Compact Verlag 2007

Schüler-Lernkrimi Physik, Der geheimnisvolle Code, Compact Verlag 2007

Christoph Mauz, Motte Maroni. Flossen des Grauens“, Nilpferd im Residenz Verlag 2010

Klaus Richarz, Natur rund ums Haus. Mit 50 Tierstimmen auf CD, Kosmos Verlag 2003

Marx/Pfeiffer, Das Wilde Pack, Kosmos Verlag 2007

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