„Fridas Kleider aus dem Museo Frida Kahlo in Mexico Ciudad“ bei Schirmer/Mosel

Bei ihrem frühen Tod 1954 – der nur durch die vielen Operationen nach dem Straßenbahn/Busunglück der 1907 Geborenen als Achtzehnjährige verständlich wird –, hatte Diego Rivera, der noch ein anderes Haus besaß, was jetzt als Museum seine Kunst und seine Kunstsammlung zeigt – verfügt, daß für 50 Jahre Frida ganz persönlichen Räume im Blauen Haus verschlossen bleiben sollen. So ganz stimmig ist das nicht, denn ihr Schlafraum, mit der Himmelbettdecke im Renaissancestil, in dem sie monatelang im Gipskorsett festgezurrt lag, wird ja auch gezeigt und gibt es etwas Persönlicheres als das Schlafzimmer? Aber wir sind nun froh, daß der prächtige Bildband die nackten Kleider zeigt, die man als angezogene am Leib der Frida Kahlo immer schon bewundert hatte.

Denn neben vielen anderen Dingen, um die sie schon zu Lebezeiten bewundert wurde: ihre Kraft, ihre herb-sinnliche Schönheit, ihre Malkünste, ihre impulsive Art, ihr berühmter Mann, galt die größte Bewunderung der Art und Weise wie sie sich kleidete und eine ganz eigene Mode kreierte, eine Mischung aus Volkskleidung aller möglichen Ursprünge und dem unverwechselbaren Frida-Kahlo-Look mit Bändern und Schmuck, wie sie selbst Bauerntrachten zur höchsten Eleganz stilisierte und immer eins auf jeden Fall erreichte: sinnliche, verspielte und doch bodenständige Weiblichkeit, die nur sie trug und niemand sonst aus ihrer gehobenen Gesellschaftsschicht.

Über 300 Kleidungsstücke hat man aus den privaten Kleiderkammern ans Licht geholt und auch wenn das ein wenig nach ägyptischen Grabkammernsensationen klingt, muß doch erst einmal gelobt werden, daß die Konservierung in diesen 50 Jahren optimal war, denn keine Motten noch Schimmel noch anderes Übel hat den Woll-, Baumwoll- und Seidenstücken ein Leid getan. Bravo. Einer der geöffneten Schränke ziert am Anfang eine Doppelseite und da kann man die Farbenfreudigkeit auf einen Blick sehen, wie links die guatelmatekischen bestickten und gewebten Borten ordentlich hängen und rechts die grünen und blauen und scharf pinkfarbenen Bänder, die Frida im Haar trug oder lässig umgeschlungen. Spitze gab es auch viel, das zeigt schon dieser Schrank. Schaut man unter den Schutzumschlag, so leuchtet einem das Indigoblau des Blauen Hauses von Coyacan entgegen und schlägt man die Umschlagseite auf, leuchtet alles sonnengelb. Bei dieser Buchgestaltung waren schon Experten am Werk, denn so goldgelb geht es drinnen im Blauen Haus in der Küche und dem Speisezimmer der Frida Kahlo zu, die bis nach 1980 in Mexiko einfach vergessen wurde, in der Welt sowieso.

Eigentlich weiß man erst heute, wo Ethno-Look generell und indianische Kleidung aus den unterschiedlichen Volksteilen Lateinamerikas ’modern’ geworden sind, welche Vorreiterfunktion Frida Kahlo durch den von ihr erfundenen Kleidungsstil ausübte. Schön sieht sie darin auch aus und sicher war eines der Motive, sich derart zu schmücken, von ihrem zerschundenen Körper darunter abzulenken – allein 1950 ertrug sie sechs Operationen an der Wirbelsäule und ihre Beinverkürzung stammte noch aus der Kindheit von einer Kinderlähmung – und eine ganz eigene individuelle Note für ihre ganz eigenwillig eigene Frauensperson zu kreieren. Das ist ihr gelungen.

Aber das tiefere Motiv würden wir immer ihrer politisch-gesellschaftlichen Überzeugung zu Grunde halten. Frida, die Tochter einer Mexikanerin, deren Vater ein ’echter’ eingeborener Indio aus Oaxaca war, versuchte das Volk, das damals von den aus Europa abstammenden Weißen regiert wurde, als politische Größe selbstbewußt zu machen. Volkskunst war auch das Programm der Muralisten, die ihre Bilder an die Wände malten, damit das leseunkundige Volk aus ihnen seine Geschichte ’lesen’ konnte. Und aus der Heimat ihrer Mutter kam die Volkstracht, die Frida Kahlo auf ihren Selbstbildnissen, auf Diegos Mauerbildern und auf den vielen Fotografien der Frida am allermeisten zu sehen sind, die aus Tehuantepec. Frauen übrigens, die hochgewachsen und schön auch ihren mickrigeren Männern gegenüber die Hosen anhatten, das aber immer in Röcken.

In Wirklichkeit ist das noch viel differenzierter, denn auch in den Volksgruppen gibt es weitere Differenzierung, denn die aus Tehuantepec müßte man in die feindlichen Schwestern als Teohuanas und Tecas unterteilen und sie noch einmal denen vom Isthmus gegenüberstellen, aber uns, uns scheint das Gemeinsame wichtiger an der Tracht der Frida Kahlo. Das ist als Oberbekleidung der Huipil, ein viereckiges Stück mit meist eckigem Halsausschnitt und an den Seiten bis zum Arm zugenäht. Aber was heißt schon ’Stück’. Es kann aus Samt sein, aus Seide, aus Wolle und jeglichem Stoff. Aber nie ist es einfarbig, sondern mit Borten geschmückt oder bestickt oder mit Applikationen versehen und fällt locker kurz über der Taille auf den weiten Rock, der nun wiederum aus Seide oder Samt”¦fast immer ganz unten auch noch weiße Spitze hervorblitzen läßt.

Es macht Spaß, im Buch mitzuverfolgen, wie die nun veröffentlichungsreife Kleidung in den Gemälden der Frida auf Selbstporträts oder in Fotografien wiederzufinden ist. Wir haben in unserem reichlichen papierenen Frida-Bestand noch weitere Kleidung gefunden, die sich nun im Kleiderschrank wiederfanden. Das sieht man die Kostüme der Adelitas und den Rebozo, wie sich die spanische Mantilla in Mexiko weiterentwickelte. Aber das Buch zeigt auch andere schlichtere und wunderschöne Trachten der China Poblana, was sich der vulgäre Übersetzer leider falsch als bäuerliche Tracht aus China übersetzt. Denn die China Poblana ist dieses weibliche Kostüm, das in den Nationalfarben Rot-Weiß-Grün den dreistufigen Rock und die Bluse für die Mädchen vom Lande vorsieht, weil China eine Verhunzung des peruanisch-indianischen Quechua ist, schlicht Mädchen übersetzt, also vielleicht auch die Mädchen aus der Stadt Puebla, wo die China Poblana Stadttracht ist.

Frida macht die Volkskunst der ganzen Welt, die ihr zugänglich war, zur eigenen. Aus dem benachbarten Guatemala versteht sich das von selbst, diese herrlichen Trachten ließ sich Frida nicht entgehen. Aber tatsächlich finden sich auch feine Stücke aus China, und selbst der Titelrock hat eine chinesische Stickereiborte. Und ihr schwarzer chinesischer Pyjama aus Seide und Leinen liegt herrlich fotografiert auf rotem Hintergrund, während das Foto daneben Frida in ihm auf dem Stuhl sitzend mit Zigarette paffend zeigt. Bilder von Demonstrationen zeigen dann aber, daß Frida auch im proletarischen Aufzug mit Pioniertuch dabei war, denn wenige haben ein solches Kleidergespür wie sie entwickelt, wann sich was schickt. Ach, wir haben mit dem Erzählen über das Buch noch gar nicht richtig angefangen, wissen aber diese so herrlich fotografierten Roben würden für das Auge auch etwas hergeben, wenn man nichts von Frida wüßte. Wieviel mehr also muß es bedeuten, wenn sich mit jedem Stück auch ein Stück ihrer Lebens- und Leidens- und Liebesgeschichten wiederfindet und ihre Gemälde sowieso.

Ein schönes Buch, das Schirmer/Mosel wieder einmal zu Frida Kahlo gelungen ist, um die sich der Verlag in fünf Werken verdient gemacht hat. Und dennoch wollen wir an dieser Stelle an ein anderes kleines und doch revolutionäres Buch erinnern: an Raquel Tibols „Frida Kahlo“, das 1980 der Verlag Neue Kritik in Frankfurt als weltweit erstes Buch über die heute wieder so bekannte Malerin herausbrachte. Damals war sie vergessen und die mexikanische kommunistische Kunsthistorikerin Tibol, die die Kahlo noch gekannt hatte, hatte im Museum Moderner Kunst in Mexiko einige hektographierte Blätter, eben ein Manuskript ausliegen, daß wir für umgerechnet eine Deutsche Mark erwerben konnten und woraus mit etlichen in Mexiko aufgenommenen Fotografien dann vom Verlag Neue Kritik verdienstvoll diese Pionierarbeit geleistet wurde. Gerade heute, wo Frida Kahlo wieder in aller Munde ist, soll dies nicht vergessen werden.

Fridas Kleider. aus dem Museo Frida Kahlo in Mexico City, Schirmer/Mosel 2009

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