Fremdsein an sich – ein melancholischer Abschiedsbericht von Susanne Schädlich

Die Ich-Erzählerin besucht ihre sterbende Freundin in Los Angeles. Sie hat sich Zeit gelassen, hierher zurückzukehren. 1987 war sie aus Westdeutschland weggegangen, westwärts, so weit es ging. Elf Jahre lebte die Autorin und Übersetzerin in den USA, dann kehrte sie in ihre Heimatstadt Berlin zurück. Dort waren die Mauern gefallen, die Grenzen blieben sichtbar. Die Spurensuche der Autorin in ihrer eigenen Vergangenheit ist schmerzlich und direkt. Mit schönen Bildern fängt Schädlich das sonnige Kalifornien ein, spürt den alten Emigranten/Immigrantenfragen nach. Schon fünfzig Jahre zuvor waren hier Deutsche mit zwiespältigen Gefühlen gestrandet. Die Exilanten-Prominenz unter Orangenbäumen integrierte sich mehr schlecht als recht in die amerikanische Gesellschaft. Nicht wenige verstummten ganz. Leider hat Susanne Schädlich ihrer eigenen stillen Melancholie wenig entgegenzusetzen. Vieles ist nie ausgesprochen worden. Nicht nachgefragt. Jetzt werden sieben Tage des Besuches scheinbar unverfälscht nacherzählt. Nachgesponnen und Gesonnen. Worte gefunden, die so nie ausgetauscht wurden. Das ist in reflexiver Hinsicht nachvollziehbar, für einen literarischen Text jedoch nicht ganz ausreichend.

Susanne Schädlichs letzte Veröffentlichung war eine engagierte betriebene und konzentriert beschriebene Recherche der Stasi-Vergangenheit ihres Onkels, „Immer wieder Dezember: Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich“ (Droemer 2009)* Auch hier spielt die Ausreise der Familie Schädlich eine Hauptrolle, die Heimatsuche im Westen, das Gefühl der Verlorenheit zwischen den konträren Systemen. Was als Sachbuch oder biografische Studie hervorragend funktioniert, geht als Prosaversuch ein wenig unter. Zuviel Trauer, zu viel Suche ohne Ankunft. Es bleibt zu hoffen, dass Susanne Schädlich ein Thema finden wird, das seiner eigenen Kraft vertraut und ein wenig Zuversicht zu vermitteln mag. Ihrer Sprache wohnt weit mehr Potenzial inne, als ihrer Trauer.

* * *

Susanne Schädlich, Westwärts, so weit es nur geht, Eine Landsuche, 207 S., Droemer Verlag München, 16,99 €

Vorheriger ArtikelUS-Außenministerin Clinton in Berlin, Seoul und Tokio erwartet
Nächster ArtikelBRICS-Staaten bilden Kommunikationsgruppe für engere Wirtschaftskooperation