Feind im eigenen Haus – Der Berlinale-Film „Queen of Earth“ handelt über Abgründe in menschlichen Beziehungen

© Sean Price Williams

In „Queen of Earth“, dem Forumsbeitrag von Alex Ross Perry nimmt sich der Regisseur den Abgründen in menschlichen Beziehungen an. Besonders denen, die sich am nächsten stehen. Es geht auch hier um zwei junge Frauen in menschlichen Extremsituationen, allerdings handelt es sich  vordergründig weniger um die mutigen Aufbegehren von Frauen (wenn es auch  dazu eine sehr beeindruckende Szene im Film gibt) als vielmehr um eine fein beobachtete beklemmende psychologische Studie über Abgründe in menschlichen Beziehungen.

Zwei Freundinnen, ein Haus am See  und untergründige Spannung – Alex Ross Perry inszeniert ein beunruhigendes Psychodrama über Enttäuschungen und Erwartungen von ehemals besten Freundinnen.

Ein Tränenüberlaufendens Gesicht, Glockenklänge, ein nebelhaftes Bild – bereits  in der Eröffnungsszene des Filmes werden wir eingebunden in die Verzweiflung von Catherine (Elisabeth Moss). Ihr Freund hat gerade die Beziehung mit ihr beendet und des Schlechten nicht genug, nahm sich auch ihr Vater, ein berühmter New Yorker Künstler, vor einigen Monaten das Leben. Durch und durch verzweifelt und verloren, hofft sie bei ihrer besten Freundin Virginia (Katherine Waterston) Abstand und Halt zu finden – in einem Ferienhaus am See. Eine Woche wollen sie in dem luxuriösen Haus von Virginias Eltern verbringen. In kurzen Rückblenden erfahren wir das Virginia ein Jahr zuvor in einer ähnlichen Situation war – vom Freund verlassen – und die beiden bereits eine gemeinsame Woche in dem abgelegenen Haus verbracht haben. Allerdings war da bereits die Zweisamkeit getrübt, durch den gleichzeitigen Aufenthalt des damaligen Freundes von Catherine. Die Spannungen sind vorhersehbar.

In zwei Zeitsträngen fächert sich nun diese Woche im Haus am See auf. Die Jetztzeit, mit der nach Halt und Nähe suchenden Catherine und die Vergangenheit verschwimmen durch assoziative, nicht lineare  Einschübe zu einem vernebelndem Gemenge, in dem unklar erscheinen kann, was sich als  Vergangenheit, was sich als Gegenwart darstellt. Pointierte Dialoge, des ebenfalls vom Regisseur verfassten Drehbuchs, lassen uns Zeuge werden von den angespannten Verbindungen zwischen den Darstellenden. Einzelne Klaviertöne, Geräusche und orgelähnliche Klänge unterstützenden die beklemmende Spannung. Eingeteilt ist die Woche durch die Einblendungen der Wochentage, wobei auch dort nur scheinbar eine Struktur geboten wird, immer wieder wird  diese durch Einschübe von Erinnerungen und Andeutungen, Wahnvorstellungen und realistische Szenen gebrochen. Die Brüche in der Erzählart spiegeln die ungesunde Beziehung der beiden Freundinnen anschaulich wieder, bald wird klar, – ihre angebliche Freundschaft, die sie immer wieder betonen, ist von einer untergründigen Ablehnung durchzogen. Eifersüchteleien, Verletzungen, Missachtungen und Enttäuschungen haben ihre langjährige Freundschaft getrübt, wobei anzuzweifeln ist, ob jemals wirklich eine gesunde Beziehung bestand. In Spitzen und ironischen Überhöhungen, klaren Abwertungen und versteckten Feindseligkeiten begegnen sich die beiden und schwer aushaltbar ist dabei ihre gegenseitige Versicherung ihrer besonderen Freundschaft. Ist doch die Labilität der Beziehung so deutlich spürbar. Victoria wird immer unberechenbarer und unheimlicher und agiert gegenüber der mehr und mehr verzweifelnden Catherine in einer überheblichen und abfälligen Art. Sie mutiert zu einem eiskalten Ekel, so dass es einen gruselt. Dann erscheint auch noch ihr neuer, arroganter Gelegenheitsfreund (Patrick Fugit) im Haus und langsam wird die trügerische Idylle zur lieblichen Hölle…

Beide Schauspielerinnen sind glänzend und überzeugen durch ihre authentische und lebensnahe Darstellung. Die Kamera gleitet über ihre Gesichter als wären sie eine Person, in den Großaufnahmen spiegeln sich Ängste, Anspannungen, Misstrauen, Verachtung und Feindseligkeit. Eine untergründige Spannung durchzieht den gesamten Film, die uns schaudern lässt, ob dieser falschen Freundschaft. Das fahle Sonnenlicht und die welkenden Blätter und der scheinbar idyllische Ort am See lassen hier keine Sicherheit aufkommen.

Die großartige Elisabeth Moss zeigt in ihrem Gesicht eine reiche Gefühlspalette und die wachsende Verzweiflung geht über in wahnhafte Motive, voll Verlorenheit und Angst vor Ablehnung. Düstere Wasserspiegelungen im See und  Überblendungen, eine unruhige Kamera und ein grobkörniges Filmbild erinnern an Psychothriller mit Horrorelementen. Nicht zu Unrecht erwähnt der Regisseur Alex Ross Perry, in der kurzen Diskussion nach der Eröffnung des Filmes,  Vorbilder wie Roman Polanski und „Persona“ von Ingmar Bergmann. Erinnert doch sein Werk – wenn auch nicht in  der filmischen Komplexität – an die subtilen Figurenzeichnungen und den unterschwelligen Spannungsreichtum dieser Filme.

Die Vermittlung der  psychischen Anspannungen, Projektionen und untergründigen Stimmungen sind dem Regisseur und den Schauspielern überzeugend gelungen. Die Komplexität der Gefühle zweier so gegensätzlicher Frauencharakteren ist fein beobachtet. Illusion und Realität sind nicht mehr unterscheidbar, Wahrnehmungen werden angezweifelt. Pointierte Dialoge,  eiskalte Blicke und vor allem das Spiel zwischen den Zeilen, geben Raum für die Imagination des Betrachtenden. Einen Höhepunkt erlebt das schauerliche Psychospiel als die – sich mehr und mehr auflösende Catherine – sich gegen den herablassenden Rich vehement auflehnt. „Bravo!“, will man da rufen,  endlich eine klare  zur Wehrsetzung, aber das Grauen geht weiter…

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Originaltitel: Queen of Earth
Land: USA
Jahr: 2014
Regie: Alex Ross Perry
Buch: Alex Ross Perry
Kamera: Sean Price Williams
Schnitt: Robert Greene
Musik: Keegan DeWitt
Darstellung: Elisabeth Moss (Catherine), Katherine Waterston (Virginia), Patrick Fugit (Rich), Kentucker Audley (James), Keith Poulson (Keith), Kate Lyn Sheil (Michelle), Craig Butta (Gärtner)

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