„Ernsthaft mit den vielfältigen Problemen unserer Tierhaltung beschäftigen“ – Michael Wimmer zum Artikel „Veganer auf dem Berliner Alexanderplatz: auf dem Kriegspfad“

Ich persönlich kann die totale Schwarz-Weiß-Malerei auch nicht haben, aber im Zweifelsfall ist mir ein überzeugter und konsequenter Vegetarier oder Veganer immer noch lieber als ein unbewusster oder böse formuliert ignoranter Fleischkonsument.

Ein Stück weit kann ich es sogar verstehen, wenn jemand, der sich mit den Hintergründen, v.a. der Art und der Dimension der arbeitsteiligen Tierproduktion beschäftigt, mal aus der Haut fährt und über die Stränge schlägt – auch wenn es dabei i.S. von Sippenhaft auch mal einen Biobauern erwischt. Aber im Prinzip wollen wir doch das gleiche!

Zumal es auch der Biobranche nicht schadet, wenn der eine oder andere Missstand, der aus welchen historischen Gründen auch immer noch zu beklagen ist, angeprangert wird. Nur so entsteht Leidensdruck und Veränderung zum Besseren. (Das mit dem Aussexen der männlichen Küken stimmt beispielsweise, weil es noch keine eigenständige "Bio-Züchtung" für ein Zweinutzungshuhn gibt, hier hat die konv. Züchtung ein halbes Jahrhundert einseitig in eine Richtung gezüchtet, das können die paar Bio-Betriebe nicht aus eigener Kraft aushebeln, wenn das Ei im Massenmarkt nicht 3x so teuer sein soll . . . siehe hierzu auch den heldenhaften Versuch des Berlin-Brandenburger Projektes "eicare": http://www.aktion-ei-care.de)

Wer als Landwirt wie als Konsument all diese Zusammenhänge kennt und sich nichts vorzuwerfen hat, der kann selbst die "religiös überspitzte Kritik" gelassen zur Kenntnis nehmen. Also warum die Aufregung? Gerade der überwiegende Teil der Biobauern braucht sich da nicht angesprochen fühlen. Dem Rest schadet es nicht, wenn es ein wenig deftiger serviert wird, damit man sich mal ernsthaft mit den vielfältigen Problemen unserer Tierhaltung beschäftigt bzw. einen Anlass bekommt, gerade dem ganz persönlichen Schweinehund wenigstens mal nachdenklich in die Augen zu schauen!

Denn selbst als lukullischer Fan tierischer Genüsse (ich bin selbst mit Hausschlachtung auf dem elterlichen Hof aufgewachsen) komm auch ich um eine Wahrheit nicht herum: Einen Großteil der globalen Probleme werden wir als Population Mensch nur in den Griff kriegen, wenn wir neben dem demographischen Übergang auch einen vegetarischen Übergang hinbekommen.

Michael Wimmer – Geschäftsführung
Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) e.V.

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