Ernst sein ist alles – Die schwarze Komödie der Coen-Brüder über Was es bedeutet, „A Serious Man“ zu sein

„Don ´t You want somebody to love

Don ´t You need somebody to love

Wouldn ´t You love somebody to love

You better find somebody to love“

„Jefferson Airplane“, der alte Song. Es mangelt in der Welt nicht an essentiellen Weisheiten, kostbaren Ratschlägen und Sprüchen, die das Leben wenn nicht leichter, zumindest erträglicher machen. Überall warten sie in unterschiedlichster Form. Man erkennt sie nur nicht, weil man nicht zuhört. Sie sind anders, anders als Larry Gropnik (Michael Stuhlbarg)? Anders als seine Mitmenschen? Der Nachbar, der mit seinem gelebten konservativ-martialischen Patriotismus dem jüdischen Larry Alpträume bereitet? Anders als Larrys bei ihm und seiner Familie untergekrochener Bruder Arthur (Richard Kind), der ständig das Bad blockiert? Anders als Larrys Frau Judith (Sari Lennick), die sich, für Larry völlig unerwartet, von ihm scheiden lassen will, um Sy Ableman (Fred Melmed) zu heiraten? Ausgerechnet Sy Ableman, den langjährigen Freund der Familie, ebenfalls jüdischen Glaubens. Das bedeutet, dass Larry und Judith einen ’Gett’ durchführen müssen. Wer nicht weiß, was ein ’Gett’ ist, braucht sich nicht zu genieren. In „A Serious Man“ weiß es nahezu keiner der Charaktere. Ein Gett ist eine rituelle Scheidung nach jüdischem Glauben. Und alles nur wegen Sy Ableman, dessen verstorbene Ehefrau kaum erkaltet ist. Als ob der leicht hypochondrische Lehrer Larry nicht schon genug Probleme hätte mit dem koreanischen Studenten Clive (David Kang), der ihn um einer guten Note willen bestechen will, den Verleumdungsbriefen, die seit kurzem an seine Vorgesetzten geschrieben werden, wo doch Larrys Verbeamtung bevorsteht. Und Larrys Sohn Danny (Aaron Wolff), der vor einem Mitschüler, dem Danny Geld für Marihuana schuldet, regelmäßig flüchten muss und… nun ist man abgeschweift. Es ist nicht einfach, bei klarem Verstand zu bleiben, angesichts der Schwierigkeiten „A Serious Man“, ein ernsthafter Mensch, zu sein. Dass Larry, der damit in der Tragikkomödie der Brüder Joel und Ethan Coen zu kämpfen hat, im verklemmten Amerika der sechziger Jahre lebt, in dem sogar seine Ehefrau Judith Sex als – oopsi-whoopsi? Rumsi-dumsi? – bezeichnet.

Haben Sie je über die Bedeutung hinter „Tears are running down Your breast and Your friends they treat You like a guest“ nachgedacht? Arthur fühlt diese Worte sicherlich, als er mit einem Nervenzusammenbruch heulend am nachbarlichen Pool sitzt, der so leer ist wie Arthurs Leben. Es ist eine der skurrilen, dadurch jedoch nicht weniger tragischen Szenen, wie sie wenigen Regisseuren neben den Coen-Brüdern gelingen. „A Serious Man“ schlägt einen anderen Ton an als ihr lakonischer Thriller „No Country for old Men“. Auf den ersten Blick scheint das hervorragend gespielte Kleinod, dessen berühmtester Darsteller der auf eine Nebenrolle verwiesen Alan Arkin ist, eine Komödie zu sein. Doch da ist die leise Tragik, welche Larry Godniks verzweifelter Sinnsuche inne wohnt. Die Dramatik seiner sich plötzlich auflösenden Existenz besitzt einen subtilen Schrecken, welcher in das nihilistische Ende mündet. Die hintergründige Satire auf den amerikanischen Mittelklassealltag inszenieren die Brüder Coen ohne kaltherzig gegenüber ihren Charakteren zu werden. Allein die kuriose Eröffnungsszene, in welcher ein ominöser Gast ein jüdisches Ehepaar besucht: seine ganze filmische Weisheit bündelt „A Serious Man“ in dieser Parabel, um sie anschließend in der Haupthandlung ausführlich zu behandeln. Die Lehre aus der tragischen Satire voll rabenschwarzen jüdischen Humors formulieren drei Charaktere in unterschiedlicher Form: Man kann nicht alles wissen. Wir können nie wirklich wissen, was vor sich geht. Akzeptiere das Mysterium. Man muss nur zuhören, dann erkennt man, dass Rocksongs genauso viel Lebenshilfe bieten können wie die Worte manch verehrten Geistlichen. „When the truth is found to be lies and all the joy within You dies“. Woher die Worte – also:

„Don`t You want somebody to love

Don`t You need somebody to -“

Nun ist es höchste Zeit, „A Serious Man“ im Kino anzusehen. Oder wieder einmal „Jefferson Airplane“ zu hören.

* * *

Titel: A serious Man

Land/Genre: USA 2009

Genre: Komödie

Kinostart: 22. Januar 2010

Regie und Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen

Darsteller: Michael Stuhlbarg, Richard Kind, Sari Lennick, Jessica McManus, Aaron Wolff

Laufzeit: 105 Minuten

Verleih: Tobis

Internet: www.seriousman.de

Vorheriger ArtikelPakistanische Begeisterung, allgemeiner asiatischer Optimismus, aber das Wiener Belvedere kommt hier auch ins Gespräch – Serie: Die „Heimtextil“ der Frankfurter Messe vom 13. bis 16. Januar 2010 (Teil 2/3)
Nächster ArtikelSommergäste – Sofia und Leo Tolstoi und ihr letzter „Russischer Sommer“