Eisbären, die siebte – Eine Meisterschaft gegen alle Kritiker und Zweifler

Denn der Kanadier in Diensten des EHC Eisbären war der Defensive der Kölner Haie im vierten Play-off-Finale enteilt, wurde gefoult und verwandelte den folgenden Penalty eiskalt zum 1:0. Danny Aus den Birken, vor dem Duell mit den Berlinern bester Torhüter der Play-offs, blieb chancenlos!

Das Zeichen von Locke war unmißverständlich: Wir wollen die Meisterschaft heute vorzeitig klarmachen! Und ich will dazu meinen Beitrag leisten – auch mal Titelträume wahr werden lassen!

Es wurde ein 4:1 für die Gastgeber und damit der finale 3:1-Triumph in der "Best of five"-Serie!

Dies hatte in der erwähnten Presserunde kaum jemand der Mannschaft vor dem ersten Bully zu den Play-offs zugetraut.

Denn die Auftritte in der Hauptrunde – am Ende mit Ach und Krach und Glück Rang vier, so schlecht wie paar Jahre nicht – hatten reichlich Zweifel gesät. Recht brauchbar die Auseinandersetzungen mit den vermeintlichen Titelrivalen Mannheim und Köln, aber teilweise desolat gegen die Hinterbänkler der Liga. Dann die Disbalance zwischen Abwehr und Angriff. Die meisten Treffer erzielt, aber bei der Zahl der Gegentore ganz weit hinten.

Und dann das fast permanente Nörgeln an den Neuen nach Abtritt der Lichtgestalten und Führungspersönlichkeiten von Walker bis Felski, von Ustorf bis Pederson, den Verteidigern Walser und Regehr…

Dafür Katic, Arniel, Foy und die erst zu Jahresbeginn nachverpflichteten Locke und Caldwell. Das Duo kam aus Finnland, als wegen Verletzungen und Sperren sogar der direkte Einzug in die Play-offs der besten sechs Teams gefährdet schien.

Nur bedingt tauglich oder völlig ungeeignet – das in etwa war die Bewertungsskala der medialen Stammbeobachter. Der ein oder andere Akteur wurde gar als "Schrott" klassifiziert.

Die 100-Tage-Schonfrist wurde den Neuen nicht eingeräumt. Und schon gar nicht erinnerten sich die gestrengen Kritiker – mitunter im Duktus von Kritikastern – an das, was T.J. Mulock mal im Interview geäußert hatte. Etwa eine ganze Spielzeit sei nötig, ehe man sich als Nordamerikaner voll in einen Verein der Deutschen Eishockey-Liga integriert habe. Das jeweilige Spielsystem komplett beherrsche, die Abläufe zu Training und Spielen kenne und sich im Umfeld vertraut fühle…

Ungeachtet dessen – vor den entscheidenden Play-off-Tagen war man sich im medialen Beobachter-Kreis einig, dass der Personalpolitik der Eisbären, zuständig vor allem das Management mit dem Architekten des EHC-Erfolgskonstrukts Peter John Lee, in dieser Saison gravierende Fehler unterlaufen seien. Zu viele Leistungsträger verloren oder nicht gehalten und keinen adäquaten Ersatz dafür verpflichtet!

Weil Lee ganz selten bei Pressekonferenzen nach Spielen dabei ist und schon gar nicht vorn neben den Trainern und dem Pressesprecher sitzt, war vor allem Cheftrainer Don Jackson dem Unmut und den kritischen Fragen der Medien ausgeliefert.

Der US-Amerikaner wurde regelrecht gelöchert: Warum wer in dieser oder jener Reihe? Weshalb er nicht öfter den jungen deutschen Akteuren vom Kooperationspartner FASS Berlin (3. Spielklasse Oberliga) eine Chance biete? Dann wieder, warum gerade einer der unerfahrenen Jungen – immerhin ein halbes Dutzend von ihnen durften sich in der DEL präsentieren – in einer wichtigen Überzahlsituation aufs Eis geschickt wurde? Wann endlich Verstärkung für die löchrige Defensive geholt werde? usw. usf…

Der von der Presse schon mal als "stiller Don" in Anlehnung an das Werk des Literatur-Nobelpreisträgers Michail Scholochow bezeichnete Jackson, nicht unbedingt ein Rhetoriker, hatte alle Mühe, mitunter die Fassung zu bewahren. Und konnte die Mäkler selten mit seinen Ausführungen richtig zufrieden stellen.

So machte sich zumindest in der Presserunde die Ansicht breit, dass der ehemalige Stanley-Cup-Gewinner in der nordamerikanischen NHL (gemeinhin im Eishockey mit Helden-Status verbunden) die Mannschaft nicht mehr erreiche und ein neuer Bankchef her müsse…

Flugs tauchten hier und da Berichte auf, dass Jackson von den Red-Bull-Destinationen in Salzburg und München umworben werde. Ein Insider informierte, er habe verläßliche Hinweise, dass der erfolgreichste DEL-Trainer des letzten Jahrzehnts dort bereits einen Vertrag unterschrieben habe…

Alles Schmarrn – "Ich bin ein Eisbär. Berlin ist der beste Platz für mich. Ich werde hier so lange bleiben, wie man mich hier will", erklärte der 56-Jährige nach seinem fünften Titelgewinn in sechs Jahren an der Spree. Eine Aussage, die Manager Lee positiv bewertete: Ja, man wolle mit Jackson weiter zusammenarbeiten.

Die Unzufriedenheit der Berichterstatter mit einigen Neuen bestätigte sich allerdings, da die Verträge von Arniel, Locke und Caldwell nicht verlängert wurden.

Das letztlich jedoch die kaum für möglich gehaltene Steigerung in der Meisterschafts-Endphase selbst die Protagonisten als ein kleines Wunder empfanden, verdeutlichte der spontane Kommentar von Andre Rankel. Er könne es "noch gar nicht fassen", gestand der Eisbären-Kapitän unmittelbar nach dem alles entscheidenden 4:1 über Köln. Und Nationalmannschafts-Kollege Jens Baxmann räumte ein: "Wir haben in der Saison wirklich lange nicht gut gespielt, erstaunlich, wie wir da noch die Kurve gekriegt haben."

Eine Woche lang wurde und wird gefeiert – am Sonntag spontan noch in der O2 Arena, Dienstag im kleineren Kreis bei Hauptsponsor Gasag, Mittwoch im Trainingsdomizil im Wellblechpalast mit den Fans und am Donnerstag nach Autokorso und Empfang im Roten Rathaus beim Regierenden Bürgermeister Wowereit.

Dann ziehen Rankel, Baxmann und Co. zur Nationalmannschaft und zur Vorbereitung auf die WM in Finnland/Schweden ab 9. Mai. Wiedergutmachung ist angesagt für das Scheitern in der Olympiaqualifikation sowie die WM-Pleite mit Rang 12.

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