Eine Gemeinde wehrt sich

Die kleine Gemeinde von Incekum hat sich ein ganz besonderes Ziel gesetzt: sie will sich gegen einen unkontrollierten Baumboom schützen, von dem sie bisher verschont geblieben ist, um eine exklusive Wohngegend zu werden. Und zu einem solchem Vorhaben passt es nun überhaupt nicht, dass in diese wunderschönen Gegend eine Müllverbrennungsanlage gesetzt werden soll, die auf etwa 100 000 Quadratmetern Fläche geplant ist und zusätzlich eine Sperrzone erhalten soll, die von allen Seiten jeweils 1 Kilometer betragen würde. Da aber das vorgesehene Gebiet für die Anlage ohnehin nur etwa 1,5 Kilometer vom Strand entfernt liegt, würden große Flächen Meernähe in diese Sperrzone fallen. Aber das ist nicht das einzige Problem, warum die Gemeinde Incekum sich gegen diese Anlage wehrt, die ja schließlich den Müll aus dem gesamten Einzugsgebiet bis Gazipasa verarbeiten soll. Man stelle sich vor, wieviele Müllwagen täglich an der Uferstraße entlang rattern würden und die dann weiter durch das Waldgebiet fahren müssten, bis sie die Anlage erreicht hätten. Fahri Baysal und seine Gemeinde sind nicht nur erbost, sondern sie fragen sich auch, warum man nicht nach einem alternativen Standort sucht, für den sich reichlich geeignete Möglichkeiten bieten. Payallar, Türkler oder auch Yesilöz würden über genügend Platz verfügen, so wie diese auch rein geografisch die besseren Voraussetzungen bieten. Schließlich ist Incekum der letzte Ort in der Reihe der Gemeinden in Richtung Antalya, deren Müll in dieser Anlage verarbeitet werden soll. Zu Recht befürchten Anwohner, Investoren und Hotelbesitzer, dass auch offenbar noch niemand über die Geruchsbelästigung nachgedacht hat, die eine solche Müllverbrennungsanlage zwangsläufig mit sich bringt.

Gerade von einer Reise in die italienische Toscana zurückgekehrt, die Fahri Baysal mit dem Vermessungsingenieur Enes Yilmaz unternommen hat, um Eindrücke zu sammeln, die er in seiner eigenen Gemeinde umsetzen möchte, erzählt der Bürgermeister von seinem Besuch in der Müllverbrennungsanlage von Terranouva, die auf 140 000 Quadratmetern steht und die man bereits in einer Entfernung von 2 Kilometern deutlich riechen kann, wie er sagt. Nicht anders sei es mit den Müllfahrzeugen, die abgesehen vom Lärm ebenfalls ihre “Duftnote” verbreiten.

Fahri Baysal will Investoren, keinen Müll

Wer diesen Bürgermeister kennenlernt, kann leicht feststellen, dass dieser Mann nicht etwa ein Querulant ist, sondern ein verantwortungsvoller Volksvertreter. Um zu verstehen, warum eine solche Anlage in Incekum völlig fehl am Platze ist, sind wir durch diesen wunderschönen Nadelwald gefahren um zu dem für diese Müllanlage vorgesehenen Platz zu fahren. Vor einigen Jahren wurde dort schon einmal Müll abgeladen, was aber inzwischen verboten ist und so ist die Natur bereits dabei, sich diese Fläche wieder zurück zu erobern. In unmittelbarer Nähe befindet sich ein alter Friedhof, dessen Grabsteine teilweise noch gut erkennbar sind. Knochen, eindeutig von Menschen, sind unter der zur Zeit trockenen und festen Erde leicht zu erkennen. Wenn man sich ein wenig weiter durch das Gebüsch schlägt, stößt man auf Überreste antiker Häuser und anderen sichtbaren Beweisen einer frühen Ansiedlung, von denen man jetzt nicht sagen kann, aus welcher Zeit genau sie stammen. Fahri Baysal träumt davon, die alten Mauerwerke untersuchen zu lassen, um sie vielleicht sogar restaurieren zu können.

Auf dem Rückweg treffen wir einen Bauern, der selbst schon seit Jahren gegen diese Müllanlage eine privaten Prozess führt und keinesfalls gewillt ist, aufzugeben. Er sammelt zur Zeit Unterschriften, um seiner Klage mehr Gewicht zu verleihen. Er sagt, wenn diese Anlage gebaut würde, fiele nicht nur der größte Teil seines Landbesitzes in das Sperrgebiet, sondern er könne dann auch seine Felder nicht mehr bewirtschaften. Auch er fragt sich, wieso man unbedingt ein solch gewaltiges Unternehmen in die kleinste Gemeinde mit dem schönsten Pinienwald und mit einem der beliebtesten Strände setzen möchte. Er sagt wie alle anderen auch, dass es schon längst an der Zeit sei, eine solche Müllverbrennungsanlage zu bauen, aber mit Sicherheit nicht in Incekum.

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Erstveröffentlichung in New Estate, Oktober 2010.

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