Eine Entdeckung für Frankfurt, Berlin und den deutschen Impressionismus -„Vom Taunus zum Wannsee. Der Maler Philipp Franck (1860-1944)“ in seiner ersten Retrospektive zum 150. Geburtstag im Museum Giersch in Frankfurt am Main

Phillip Franck war nicht dabei und seit wir die so schön gemalte Werkauswahl im Museum Giersch anschauten, rätseln wir, warum dieser Maler weithin unbekannt blieb und haben eine Theorie entwickelt, die leicht absurd ist, uns aber einsichtig scheint: weil Franck nämlich ein zu guter Maler war, um nicht gekauft zu werden, also massenhaft in Privatbesitz verschwand, während es außer in Berlin kaum Museumskäufe gibt. Weil Franck aber andererseits alles malen konnte und auch tat: Landschaften, Porträts, wenige Stilleben in Öl und dann noch zart kolorierte Aquarelle und auch die Kunst der Radierung beherrschte, er aber in seinen so gut anzuschauenden Bildern über all die Jahre keine Handschrift entwickelte, die uns sagen ließe: „Ach, ja, das ist Philipp Franck!“, sondern angesichts der Bilderauswahl eher der Gedanke kommt: „Ja, das ist gut gemalt, das findet Käufer“.

Wobei dies nicht abträglich verstanden werden sollte, so als ob Franck gefällig gemalt habe, nein, aber in allen seinen Bildern findet sich eine Harmonie und ein sich in der Welt Zurechtfinden, das eines außer acht läßt, daß es ein schwieriges Jahrhundert war, in dem er lebte, in dem Mord und Totschlag herrschte, zwei Weltkriege über die Menschheit und auch die Maler kamen, aber die Brüche und Widrigkeiten in seinen Bildern nicht auftauchen, obwohl er in Dritten Reich durch zwei Söhne, die mit Jüdinnen verheiratet waren, tangiert war und auch entschlossen der einen Schutz bot und die andere oft malte und in London besuchte. Es bleibt also etwas rätselhaft, weshalb sich in seiner Kunst nichts davon wiederfindet. Die Menschen aber, die seine Gemälde privat kauften, waren froh um die Lebensglätte, die insbesondere seine Landschaften ausstrahlen, die sein Markenzeichen wurden, obwohl wir für seine eigentliche Leistung seine Bildnisse halten, die uns gar zu gut gefallen, wie sein vierter Sohn Carlludwig, genannt Carllutz, den er 1919 malt, nachdem 1918 sein Sohn Philipp gefallen war.

Höchste Zeit, etwas zum Leben des Malers weiterzutragen, der hier mit 72 Gemälden, 27 Aquarellen und 22 Druckgraphiken ausgestellt ist. In Frankfurt im April 1860 geboren – aha, es handelt sich also auch um den 150sten Geburtstag, den diese Ausstellungen in Frankfurt und Berlin begehen, die auch von beiden Museen in Zusammenarbeit konzipiert wurde – , studierte Franck erst einmal dem väterlichen Wunsch folgend Architektur und dann 1877 nach dem Tod des Vaters Malerei an der Städelschule in Frankfurt, wo er mit Hans Thoma und Wilhelm Steinhausen bekannt wird. 1880 geht er nach Kronberg in den Vordertaunus, wo er Schüler von Anton Burger wird und sich in den Landschaftsmalereien versucht. Er studiert weiter in Düsseldorf und lernt dort erstmals die Freilichtmalerei der französischen Impressionisten kennen, die ihn fürs Leben als Maler prägen, denn seine Besonderheit wird sein, daß er sein Leben lang mit Stafel, Pinsel und Palette in die Natur zieht und direkt vor ihr seine Impressionen auf die Leinwand zaubert. Seit er 1933 in Berlin sich der Nazis wegen aus derVerwaltungsarbeit zurückgezogen hatte, hatte er auch genug Zeit, täglich ein Bild zu malen, was in der Regel vier Stunden Arbeitszeit bedeutete.

Heute sind annähernd 500 seiner Bilder bekannt, und man schätzt sein Werk auf mehr das Doppelte und glaubt, daß die Ausstellung dazu führt, daß der eine oder andere zu Hause einen Franck entdeckt. Die Diskrepanz zwischen seiner Massenproduktion und dem Bestand, erklärt Almut von Treschow, die sein Werk wohl am besten kennt, mit seinem Qualitätsanspruch an sich selbst, dem die meisten Bilder in seinem Kamin zum Opfer fielen. So seien ganze Serien der auf den Reisen angefertigten Gemälde und Aquarelle einfach in den Ofen geschmissen worden. Wir aber sind eigentlich noch in Düsseldorf, das Franck 1885 verläßt auf der Suche nach Rokokogärten und barocken Parkanlagen wie Schwetzingen, Potsdam und Charlottenburg, die er so gerne malt. 1887 heiratet er, nimmt 1892 einen Ruf als Lehrer an der Königlichen Kunstschule Berlin an und bleibt dort und malt bevorzugt die Landschaft um den Wannsee und auch Potsdam.

Er befreundet sich mit Walter Leistikow, stellt 1894 erstmals aus, gründet 1898 die Berliner Secession mit und bleibt erfolgreiches Mitglied bei deren Ausstellungen. Nach dem Tod der ersten Frau heiratet er – Vater von drei Söhnen – erneut und malt und malt. Eine der wenigen Städtebilder ist in der Ausstellung zu sehen: Stettin, wo er 1909/10 mehrfach malt. 1913 reist er nach Italien, was ab 1924 wieder möglich sein wird. Dazwischen liegen die Aufenthalte im Taunus, die jeweils Bilderfluten hervorbringen. 1921 widmet er Lovis Corinth die Mappe „Liebschaften des Zeus“, wo er mit fünf erotischen Radierungen sein Talent für Sujet und Methodik zeigen. Auf 80 Kaltnadelplatten ist es das Pferd, das er bändigen will, was sich in 1922 bis 1924 gut verkaufen läßt.

Die formale Karriere endet 1933, als er sein Amt als Prüfungsvorsitzender aufgrund von SA-Terror niederlegt. Er stirbt 1944, nachdem ihm die Nazizeit äußerlich keine Blessuren brachte, was vielleicht auch daran liegt, daß im Gegensatz zu Corinth beispielsweise keines seiner Bilder als entartet eingestuft wurde. Interessant ist es, in der Ausstellung an drei in den jeweiligen Stockwerken übereinander gehängten Selbstbildnissen zu verfolgen, wie sich der Maler selber sah, beziehungsweise gerne gesehen werden wollte.

1931 malt er „Selbstbildnis im Mantel“, wo einem ein realistisch gestimmter Blick mit herunterhängendem Mund einen alten Mann zeigt, der entschlossen sein Werk vollendet, dem aber kalt zu Mute ist. Das war 1927 noch anders, als er im Malerkittel professionell in den Spiegel schaut beim Versuch, sich als Schaffer beim Arbeitsprozeß einzufangen. Ein Blick, der Kontrolle und Genauigkeit genauso ausdrückt, wie auch eine Distanz, ja leise Traurigkeit. Das Selbstbildnis von 1927 als Aquarell drückt ebenfalls eine niedergeschlagene Verhaltenheit des Malers aus, der nun auf alle beruflichen Attribute verzichtet und nur noch Mensch, sprich: alter Mann ist, eine Verhaltenheit, die ein Widerspruch zu den sanften Landschaften ist, die von Friede und Freiheit und Glück künden. Wie im Aquarell von 1927 zeigt auch das letzte Selbstbildnis vor seinem Tod einen alten Mann, der aber weit offener in die Zukunft blickt und eine Gelassenheit ausstrahlt, die vom langen Leben genauso kommen kann wie von der Erkenntnis, das er genug getan hat mit seinem Werk als Maler, das ihn zufrieden stimmt.

Da gibt es in der ganzen Ausstellung kein Bild, das mißlungen oder unschön oder nicht geeignet wäre, in öffentlichen oder privaten Gebäuden zu hängen. Uns allerdings gefielen die Bildnisse deshalb am besten, weil er in ihnen stärker als in den anderen Sujets den Bildinhalt auch in der Form wiedergibt. Wie er den Geheimrat Prof. Paul Straßmann 1925 uns kritisch anschauen läßt, im Sessel sitzend mit klar konturiertem offenem Gesicht, während er 1927 den Historiker Albert Ruppersberg mit hingehauchten Farbflecken vergeistigt und ihn mehr als skeptisch darstellt, das hat was. „Carllutz und Hanni“, Sohn also und Schwiegertochter, ein Aquarell von 1926 ist eines seiner modernsten Bilder, wo man auf einmal die Zwanziger Jahre fühlt in seinem sonst eher zeitlosen Werk. Das abgebildete Frühstück dagegen ist eine Werbeannonce für den Impressionismus, so gekonnt und atmosphärisch dicht, aber auch konventionell ist es gelungen.

Schön die Kinderbilder, ach, eigentlich bedauern wir, daß wir nicht noch mehr Porträts zu sehen bekommen. Sind aber auch froh, daß uns die beiden Museen mit einem Künstler bekannt gemacht haben, dessen Wirken uns unbekannt war. Da fragt man sich schon, was beide Institutionen beim Erarbeiten dieser Ausstellung an weiteren Leerstellen von Künstlern gefunden haben. Das ist doch irgendwie auch tröstlich, daß in unserer durchsichtigen und eher durch zuviel Informationen verstopften Welt, dann ein neuer Name auftaucht, der zu Recht ein deutscher Impressionist genannt werden darf und kein schlechter dazu!

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Vom 21. bis 18. Juli 2010, danach ab 2. September bis 16. Januar im Berliner Bröhan-Museum

Katalog: Vom Taunus zum Wannsee. Der Maler Philipp Franck (1860-1944), Michael Imhof Verlag 2010

Dieser Neuentdeckung angemessen, ist der 280 Seiten starke Katalog zur Ausstellung sehr großzügig gestaltet und bringt ab Seite 128 ganzseitige Abbildungen der Werke, was wichtig ist, weil diese Gemälde, Aquarelle und Radierungen weithin unbekannt sind. Zudem ist die Farbgestaltung den Originalen adäquat, was einer der Qualitätsmerkmale des Imhof Verlages ist. Almut von Treschow, die derzeit auch den erstmaligen Bestandskatalog erarbeitet, hat die Lebens- und Werkdaten zusammengestellt und in neun Kapiteln wird die Malweise und die Sujets des Philipp Franck hinterfragt und in den Zusammenhang mit Malern seiner zeit gestellt.

Internet: www.muesum-giersch.de

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