Ein ’Must See`! – Richard Strauss` Frau ohne Schatten in der Oper Leipzig

© Oper Leipzig

Erste Gespräche mit Hugo von Hofmannsthal über das Thema gab es schon 1911, die Uraufführung der Oper fand erst 1919 in Wien statt. Das Werk wird zumeist als Märchen angesehen, auch manchmal mit Mozarts ’Zauberflöte` verglichen. Denkbar ist allerdings, dass  Richard Strauss mit diesem Werk ein tief mystisches Werk konzipieren wollte, welches mit den Opern Richard Wagners auf Augenhöhe bestehen kann. Das ist ihm nicht so wirklich gelungen, eine überfrachtende Symbolik erschwert den Fluss der Handlung doch ungemein. Seine Jugendsinfonie ’Sinfonia Domestica`, mit vielschichtigen Turbulenzen, spuckt auch hier zuweilen noch durch die Komposition.  Oder war es das Thema Familie, welches er hier abarbeiten wollte?

Die Gazelle muss domestiziert werden

Im Mittelpunkt der Oper stehen zwei Paare. Ein Kaiser und eine Kaiserin, beide Fabelwesen. Die Frau wird als Gazelle vom Kaiser erlegt, wird sein Weib, lebt von nun an mit ihm zwischen den Welten, seit 12 Monden schon, kann nicht mehr zurück in ihr Reich, aber auch keine Kinder bekommen. Der Kaiser soll versteinern, wenn die Kaiserin nicht binnen 3 Tagen ein Kind empfängt. Die Amme (eine Art weiblicher Mephisto) entscheidet zu den Menschen zu reisen und dort bei dem Färberpaar ein Kind zu erhandeln. Die gelangweilte Färberin träumt von einem besseren Leben und der Färber hat  Probleme mit dieser störrischen Frau. Doch er erträgt geduldig sein Schicksal und wird am Ende als Held gefeiert. Dachte Strauss dabei sogar an seine eigenwillige Gemahlin Pauline?

Nun, es gibt ein Happy End, das Hugo von Hofmannsthal so beschreibt in einem Brief and Richard Strauss: "Die Szene des inneren Kampfes der Kaiserin vor dem versteinerten Kaiser müßte einen sichtbaren Knalleffekt haben. Ginge es, dass die Kaiserin nach schwerem inneren Kampfe, sie fühlt sich dem Tode nahe, endlich einen furchtbaren Schrei ausstößt, den ersten Menschschrei, etwa wie der Schrei einer gebärenden Mutter. „Ich will nicht“ ist ihre Antwort, damit siegt sie für ihren Mann und für die beiden Menschen. Sie wirft einen langen, scharfen Schatten und hat also durch ihre Zuneigung zum Menschenschicksal die Fähigkeit erlangt,  Mutter zu werden; der Kaiser steigt unversteinert vom Sockel. Färber und Färberin sind frei und wenden sich ihrer irdischen Welt zu, die ungeborenen Kinder kündigen im Chor an, dass sie nicht mehr lange ungeboren bleiben werden." (Hofmannsthal an Strauss, 18. September 1919)

Ein Leading-Team vom Feinsten

Wie inszeniert man so etwas in der heutigen Zeit? Für den Intendanten der Oper Leipzig, Professor Ulf Schirmer, war es ein seit langem gehegter Wunsch dieses Werk in seinem Haus auf die Bühne zu bringen. Schon als 22-jähriger hat er unter Karl Böhm an der Wiener Staatsoper diese Oper mit einstudieren dürfen. Ein Glücksfall für Leipzig ist auch der Regisseur Balázs Kovalik,  der auf der Bühne von Heike Scheele, mit 16 verschiedenen, gewaltigen Bildern, eine intensive Inszenierung schuf. Er gab diesem sperrigen Werk genügend Drama, aber auch Ironie, um den Zuschauer zu fesseln und einen roten Faden durch alle Szenen laufen zu lassen, damit ein werkunkundiger Besucher die Geschichte ebenfalls verstehen kann.  Kovalik hat auch keine Angst vor absurden Situationen, wie einem Treffen mit den Seelen der ungeborenen Kinder, die aus einer Pfanne als Bratfische lamentieren. Selbst der Wiener Opernball ist in dieser Inszenierung zu sehen, mit einer Färbersfrau als Stargast. Immer wieder faszinieren seine ungemein brillanten Bilder und Einfälle.

Während der zweimonatigen Probenphase gelingt es Kovalik eine ungemein intensive Personenregie aufzubauen. Das Team, mit hochkarätigen Sängern, war die gesamte Zeit in Leipzig anwesend, und so gelingt es, eine Inszenierung als Teamarbeit zu präsentieren, in der alle Beteiligten dem Werk dienen und keine Starallüren dominieren. Kovaliks Regiearbeit lädt ein zu einer Reise in das eigene Ich, doch ohne den so oft an deutschen Bühnen erhobenen Zeigefinger, ohne Belehrungen, alles wunderbar amüsant, leicht, und doch auch tief bewegend.

Für die fünf extrem schwierigen Hauptrollen wurden Weltklassesänger nach Leipzig geholt. Doris Soffel zeigt sich als überragende Amme. Darstellerisch, wie auch musikalisch, bringt sie eine starke Präsenz auf die Bühne, bis zum Schluss kann sie zudem mit beeindruckenden Spitzentönen triumphieren. Ein beachtliches Debut als Färberin gelingt der amerikanischen Sopranistin Jennifer Wilson, die mit einer hoch musikalischen Phrasierung sowie einer betörenden Sprachgestaltung zum Mittelpunkt dieser Inszenierung wird. Doch auch Simone Schneider zeigt sich als Kaiserin stimmgewaltig. In dieser ’Frauenoper` bleiben die Männer etwas im Hintergrund, wenngleich sie am Schluss letztendlich doch gewinnen.  So darf der Kaiser, Burckhard Fritz, nur einige schöne Arien singen; musikalisch wichtiger ist dagegen Barak, dem Thomas J. Mayer stimmliche Perfektion verleihen kann. Geisterbote Tuomas Pursio ergänzt dieses beachtliche Team mit gewohnter Perfektion. Das Gewandhausorchester zeigt unter der Leitung seines GMDs Ulf Schirmer grandioses Musizieren und beweist wieder einmal, dass hier ein Weltklasseorchester im Graben sitzt, geleitet von einem der versiertesten Wagner- und Strauss-Dirigenten der aktuellen Zeit.  Das war eine famos gelungene Geburtstagsfeier – Happy Birthday Mr. Strauss !  

Musikalische Leitung Ulf Schirmer | Inszenierung Balázs Kovalik | Bühne Heike Scheele | Kostüme Sebastian Ellrich | Choreinstudierung Alessandro Zuppardo | Einstudierung Kinderchor Sophie Bauer | Dramaturgie Christian Geltinger
Der Kaiser Burkhard Fritz | Die Kaiserin Simone Schneider | Die Amme Doris Soffel | Der Geisterbote Tuomas Pursio (14.6., 21.6.) / Jürgen Kurth (24.6., 28.6.) | Barak Thomas J. Mayer | Baraks Frau Jennifer Wilson
www.oper-leipzig.de

Weitere Aufführungen in dieser Spielzeit: 21.06.2014 / 24.06.2014 / 28.06.2014

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