Ein Künstler, der niederländische Genremalerei mit eleganten Salonstücken der Mythologie und Allegorien verbinden kann – Serie: Die Ausstellung „Hans von Aachen, 1552 – 1615“ endet im Kunsthistorischen Museum in Wien (Teil 2/2)

Wie immer interessiert einen aber mehr, was es Neues zu entdecken gilt. Das sind hier die zusammen dargebotenen Selbstporträts, die zwei Seiten des Malers zeigen. Die eine ist die durchaus selbstbewußte als Maler, der sich beispielsweise 1575 in Rom mit ernster Miene und zugeknöpft zeigt. Die andere aber sind die versteckten Porträts, die wir erst hier zu erkennen lernen. Da hat sich nämlich der wie Rembrandt in die eigene Darstellung versessene maler in andere Sujets hineingemalt, zu erkennen an seinen Zahnlücken und einem nicht nachlassendem grinsen.

Das findet seinen Höhepunkt in „Zwei lachende junge Männer“, einem typischen Genrestück, was Hans von Aachen schon vor seiner Abreise nach Italien vor 1574 in Köln gemalt haben soll. Eindeutig ist es der Maler selbst, der in dem einen lachenden Gesicht zu erkennen ist, aber auch der hinter ihm feixende trägt seine Züge. Ein Kabinettstückchen ist das, was sich Hans von Aachen hier leistet und was zu seinen ersten Gemälden gehört und sehr viel mehr mit der niederländischen Genremalerei zu tun hat, als mit den verfeinerten Luxusgeschöpfen, die er später für Rudolf II. malen wird. Gekonnt so oder so.

Das gilt auch für seine Porträtmalerei, die immer ein Auftrag für ihn blieb. Das „Bildnis des Kaisers Rudolf II.“ schaut uns mit der vorgeschobenen Habsburger Unterlippe und dem gewissen Kinn durchdringend an. Nein, schön war er nicht, dieser Kaiser und so mächtig, daß man ihn auch nicht schönmalen mußte. Das gilt auch für seine Ganzkörperdarstellung, die Krone auf dem rot beflaggten Tisch neben sich umfassend. Züchtig und zurückgenommen die Darstellungen des Herzogs und der Herzogin von Bayern, prächtig und prunkend das Bildnis des Kaiser Matthias, der seinem Bruder Rudolf nachfolgte, aber schon zuvor den Erbanspruch gestellt hatte, was „Ein Bruderzwist im Hause Habsburg“ des Franz Grillparzer über fünf Akte darlegt.

Die Ausstellung stellt auch die Bedeutung der Druckgraphik für die Popularisierung der jeweiligen Maler und für die Bekanntmachung ihrer Werke heraus. Hauptsächlich ist es Johann Sadeler, der die vorlagen Hans von Aachens sticht. Aber, was uns in der Ausstellung zunehmend noch mehr gefangennimmt, sind die Zeichnungen des Hans von Aachen. Was konnten diese Künstler zeichnen! Jedes Blatt ist überwältigend. Die jeweilige Funktion höchst unterschiedlich. Es gibt die Studien wie „Eine Mutter mit Kind und Frauenkopf“ ,die einem Altargemälde Veroneses nachempfunden ist, es gibt so hingehauchte Federzeichnungen in Braun wie „Ungleiches Paar“, wo von Aachen eines der Lieblingsthemen des Lucas Cranach aufnimmt und in ein paar Strichen dieses Klima von Lustversprechen und Betrug aufs Papier bannt. Es gibt aber auch die Kreidezeichnungen und Kreidevorzeichnungen und dann die Zeichnungen wie „Die Beweinung Christi unter dem Kreuz“ oder „Die Grablegung Christi“, die vollendete Kunstwerke sind und kein Ölgemälde nach sich ziehen. Alles in allem eine hochinteressante Ausstellung, die viel Neues zeigte.

Katalog: Hans von Aachen (1592-1615). Hofkünstler in Europa, hrsg. von Thomas Fusenig, Deutscher Kunstverlag Berlin München 2010

Wie oben ausgeführt, hilft der Katalog auch ohne die Ausstellung weiter, da er die gezeigten Bilder in hervorragender Abbildung verbindet mit den notwendigen Essays zum Leben und den Bildanalysen. Die zweieinhalb Seiten aus dem Schilderboeck des Karel van Mander von 1604 sind am Schluß auch abgedruckt und davor der Ausstellungskatalog in Italien, München und Augsburg und Prag unterteilt. Die Ausführungen über „Das Leben“, „Die Malerei“, „Die Zeichnungen“, „Die Druckgraphik“, „Porträtmalerei“, „Freundschaftsbildnisse“, „Bildinhalte“ und „Italien: Stiltransfer und Netzwerk“ sind sehr hilfreiche Ausführungen, die einem viel bisher Unbekanntes in den Bildern nahebringen. Sinnvoll zu lesen und zu erwerben ist auch folgendes Buch: Jacoby, Joachim, Hans von Aachen 1552-1615, Deutscher Kunstverlag, München & Berlin 2000

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Reiseliteratur:

Felix Czeike, Wien, DuMont Kunstreiseführer, 2005

Baedecker Allianz Reiseführer Wien, o.J.
Lonely Planet. Wien. Deutsche Ausgabe 2007
Walter M. Weiss, Wien, DuMont Reisetaschenbuch, 2007
Marco Polo, Wien 2006
Marco Polo, Wien, Reise-Hörbuch

Ganz neu und in Wien immer sehr gut zu gebrauchen ist von M.P.A.Sheaffer „Jugendstil. Auf den Spuren Otto Wagners in Wien“ aus dem Pichler Verlag. In neun Touren mit der Trambahn, der U- und S-Bahn sowie den Bussen entlang den Werken Wagners in Wien erfahren wir, weshalb der Architekt und Städteplaner Otto Wagner unter so viel guten Architekten und Künstlern des Jugendstils die Übervaterrolle eingenommen hat. Wichtig dabei war und ist seine Affinität zur Technik, denn allzuoft haben Künstler das Technische abgelehnt, statt den zivilisatorischen Nutzen in eine anschaubare Ästhetik zu zwingen. Nein, unsere heutige Plastikunkultur wäre einem Otto Wagner nie eingefallen. Es verband die technische Funktionalität mit der Eleganz der Linie und nicht nur seine Stadtbahnstationen sind dafür ein noch heute sichtbarer Ausdruck. So werden die Wagner-Villa in Hütteldorf, dem XIV. Bezirk besucht und natürlich die Kirche am Steinhof, die weithin sichtbar geblieben ist und der auch Thomas Bernhard literarische Referenz erwies, einfach, weil sie die Kirche der psychiatrischen Anstalten war. Derzeit gilt dem „Chef-Bauzeichner“ Wagners, Joseph Maria Olbrich, eine sensationelle Ausstellung im Leopoldmuseum, in der auch dessen Arbeiten für Wagner eine tiefere Bedeutung erhalten und spezielle Applikationsmotive wie die Sonnenblume – ein Merkzeichen Wagners – nun auf Olbrich zurückgeführt werden. Das tut weder der Bedeutung Wagners, noch diesem Jugendstilführer irgendeinen Abbruch, zeigt aber, wie noch immer alles im Fluß ist. Das Buch ist zweisprachig, linke Seite auf Englisch, rechts das Deutsche und die Fotos bringen das alles ins Eins. Uns gefielen vor allem die praktischen Beschreibungen, wie man wohin kommt, gut.

Tip: Gute Dienste leistete uns erneut das kleinen Städte-Notizbuch „Wien“ von Moleskine, das wir schon für den früheren Besuch nutzten und wo wir jetzt sofort die selbst notierten Adressen, Telefonnummern und Hinweise finden, die für uns in Wien wichtig wurden. Auch die Stadtpläne und U- und S-Bahnübersichten führen– wenn man sie benutzt – an den richtigen Ort. In der hinteren Klappe verstauen wir Kärtchen und Fahrscheine, von denen wir das letzte Mal schrieben: „ die nun nicht mehr verloren(gehen) und die wichtigsten Ereignisse hat man auch schnell aufgeschrieben, so daß das Büchelchen beides schafft: Festhalten dessen, was war und gut aufbereitete Adressen- und Übersichtsliste für den nächsten Wienaufenthalt.“ Stimmt.

Anreise: Viele Wege führen nach Wien. Wir schafften es auf die Schnelle mit Air Berlin, haben aber auch schon gute Erfahrungen mit den Nachtzügen gemacht; auch tagsüber gibt es nun häufigere und schnellere Bahnverbindungen aus der Bundesrepublik nach Wien.

Aufenthalt: Betten finden Sie überall, obwohl man seit Jahren glaubt, ganz Italien besuche derzeit Wien! Überall sind sie auf Italienisch zu hören, die meist sehr jungen und ungeheuer kulturinteressierten Wienbesucher. Wir kamen perfekt unter in zweien der drei Hiltons in Wien. Sinnvoll ist es, sich die Wien-Karte zuzulegen mitsamt dem Kuponheft, das auch noch ein kleines Übersichtsheft über die Museen und sonstige Möglichkeiten zur Besichtigung in Wien ist, die Sie dann verbilligt wahrnehmen können. Die Touristen-Information finden Sie im 1. Bezirk, Albertinaplatz/Ecke Maysedergasse.

Mit sehr freundlicher Unterstützung von Air Berlin und den Hilton Hotels Wien.

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