Ein im wahrsten Sinne „voller“ Erfolg – Überwältigend war die 15. Frankfurter Kinowoche. „Kino an ungewöhnlichen Orten“ bis zum 26. Juli

Eröffnungsveranstaltung am Frankfurter Flughafen mit dem Film FLIGHTPLAN -- OHNE JEDE SPUR (USA 2005, R: Robert Schwentke, Da: Jodie Foster)

Das Publikum, also wir fanden das sogar ganz unterschiedlich. Alt und jung, aber dann sah man über die Woche doch auch immer wieder dieselben Gesichter. Aber, wer hält das schon durch, jeden Abend Kino, noch dazu meist erst gegen 22 Uhr, weil es dann draußen dunkel genug wird. Allerdings machten sich manche schon zwei Stunden zuvor auf den Weg, denn die Spielstätten waren nicht nur ungewöhnlich, sondern lagen auch sehr ungewöhnlich und manche waren im Frankfurter Verkehrsdschungel, war man auf den öffentlichen Verkehr angewiesen, eher eine Expedition. Dazu noch mehr. Eigentlich sollte man in dieser Woche Urlaub machen, die Bücher zu den Filmen, so vorhanden, vorher noch einmal lesen, und dann tatsächlich sich nicht allein auf den Weg machen, sondern wie geschehen, in Grüppchen, die dann zuvor auch noch ein Picknick veranstalten. So wird tatsächlich ein wöchentliches Tagesprogramm aus der Filmwoche, die eben durch ihre Kompaktheit und Außergewöhnlichkeit auf jedem Kinofestival in Deutschland fürs nächste Jahr schon angekündigt werden sollte und auch von der Frankfurter Stadtwerbung, denn es gibt genug Filmenthusiasten, die im Sommer gerne für eine Woche nach Frankfurt kommen, zumal dann Hotels billiger sind.  

Als mit lautem und auch nicht endenwollendem Beifall die Macher des Festivals, die uns nur als Macherinnen in Erscheinung traten, am Sonntag um 23.32 Uhr von der unserer Einschätzung nach mit der Fabrik zusammen größten Zuschauermenge im Reithof Schwanenhof für ihre Ideen und die perfekte Durchführung beklatscht wurden, beklatschte das Publikum ein bißchen auch sich selber, diese Woche zu so einem Erfolg gemacht zu haben. Denn die Ideen sind das eine, die Annahme vom Zuschauer das andere. Jeder ist glücklich, wenn es aufgeht. Denn es steckt viel Arbeit dahinter, wenn eine Kinoinfrastruktur an Orten aufgebaut werden muß, wo Kino sonst Fremdwort ist. Aber es gehört genauso gut Mut und Interesse  von den jeweiligen Institutionen dazu, die sich so fürs Kinopublikum geöffnet hatten, weshalb alle aus dem Danksagen und Dankklatschen kaum mehr herauskamen.

Wir wollen die Woche noch einmal Revue passieren lassen und fangen mit dem Schluß an, weit draußen in Schwanheim im Westen Frankfurts. Wie schön sind Filme in Schwarz-Weiss! Wie kommt das eigentlich, daß man in diesem alten Film, bei dem das Schönste ist, das man weiß, was gleich kommt, nie, aber auch nie die Farbe vermißt, sondern das Unheimliche einfach in Schwarz unheimlicher ist, wenn heftiger Wind die Türen oder Fenster öffnet, und es dann manchmal doch der Mörder oder die Mörderin war und der Wind nur deren Komplizen oder der des Regisseurs. Den haben wir schon wieder vergessen (Georg Pollock), aber Miss Marple, mit der mürrischen Miene und dem verzogenen Mund, wenn nicht alles so läuft wie sie will, die bleibt filmisch unsterblich und uns nicht nur deshalb so im Gedächtnis, weil die Katze unseres Chefredakteurs den gleichen Namen trägt. Ob heute solche Charaktergesichter überhaupt im Film noch eine Chance hätten? Wir glauben, nein.  Wir fanden Margaret Rutherford erstaunlich jung aussehend, was vielleicht auch daran liegt, daß wir inzwischen uns unaufhörlich ihrem Alter annähern. Übrigens war diese britische Schauspielerin selbst in einer Art Krimi aufgewachsen.

Sehr seltsam ihr Beginn. Sie wurde 1892 geboren, aber ihre Mutter starb schon 1895. Da hatte aber ihr Vater schon am 4. März 1883 seinen eigenen Vater, den Pfarrer,  mit einem Nachttopf erschlagen. Er wurde für geisteskrank erklärt, was wohl erklärt, weshalb er heiraten und ein Kind zeugen konnte. Später allerdings war er Häftling in einem Hospital für kriminelle Geisteskranke. Dagegen, denkt man, sind die Krimis der Agathe Christie geradezu harmlos, der diese Miss Marple erst einmal als ziemlich vorlaut und verstiegen mißfiel. Analysiert man aber nach dem Film noch einmal das Geschehen, zeigt sich, daß der Unterschied zu heutigen Krimis vor allem darin besteht, daß man nicht soviel Blut sieht und nicht die Grausamkeit der Morde im Mittelpunkt stehen, aber dann doch auf einmal erstaunlich viele Tote herumliegen. Letzten Endes geht es da einer ganzen Familie an den Kragen. Und am Schluß ist es immer der Gärtner, nein, hier nicht.

Künstlerisch herausragend der Abend zuvor in der Mayfarthschen Fabrik. Die liegt weit draußen in Fechenheim, einem östlichen ehemaligen Industrievorort. Man muß sich also Zeit nehmen und der Weltexpress hatte gerade über die Fabrik als Teil der Industrieroute Rhein-Main kurz geschrieben und einen längeren Beitrag angekündigt. Das lohnt auch wirklich, denn das Gebäude ist ein Juwel der Industriearchitektur, hat zudem auch eine bewegte Geschichte. Einst war sie für Landmaschinen gebaut worden, war dann für die Bundesdruckerei die Produktionsstätte der 50- DM-Scheine und wird derzeit zur Klassikstadt(?) ausgebaut, wie das Automuseum heißen soll, in dem die Oldtimer wohl die klassische Phase der Automobile verkörpern sollen.

Das Besondere an diesem Abend war nicht nur der theatralische, menschenbewegende und rhythmisch montierte Stummfilm von Sergej Eisenstein – wunderbar auf dieser großen Leinwand zu sehen, vor allem in der ersten Reihe! – , sondern auch die original hervorgebrachte Musik durch Andreas Otto, der sich Springintgut nennt, was wir uns so erklären, daß er bei seiner Tätigkeit herumspringen muß. Aber was heißt schon Original. Manchmal haben wir mehr im zugeschaut, als auf die Leinwand zu achten, weil dies tatsächlich ein Schauspiel im film war. Andreas Otto ist Cellist, Schlagzeuger und Komponist aus Hamburg, und alles kam an diesem Abend zum Einsatz. Aber anders als Nam Juni Paik, dem gerade eine Hommage im Wiener Mumok galt,  zerschlägt er sein Cello nicht, sondern streicht es sanft, schlägt aber dafür mit einem harten Ding auf das dicke Eisenrohr, so daß er sehr schnell eine Rhythmus und Klang hinbekommt wie die an den Maschinen Akkord Arbeitenden. Dies aber setzte er zusätzlich zur Bandaufnahme ein, die er aus verschiedenen Zitaten berühmter Vorlagen elektronisch zusammengemengt hatte und auf diese akustisch noch seine Perkussionseinfälle draufsetzte. Ein toller Abend.

Nein, wir werden nicht alle Ereignisse jetzt beschreiben, obwohl der (wiederholte) Sturz aus dem 45. Stock im Film, wenn man gerade im 36. sitzt, schon etwas Unheimliches hat und der eh unheimliche Film im Flughafen, unheimlich nur, weil man sich nicht erklären kann, wie und auch warum ein kleines Mädchen in einem in der Luft fliegenden Luftschiff verschwinden kann, durch die Maschinen das draußen eine fast absurde, ja geradezu surreale Wirkung entfaltete. Wir können das Ganze nur loben und wissen heute schon, daß wir frühzeitig wieder daraufhin weisen werden, damit jeder die Chance hat, Karten zu ergattern.
Aber wir wünschen uns auch was. Und das hat mit dem Öffentlichen Verkehr zu tun und den Anfahrtswegen. In Frankfurt fallen sehr häufig U- und S-Bahnen aus und häufig sind sie auch zu spät. Aber das weiß man schon. Wenn man aber nicht genau weiß, wo man hin muß und auch U- und S-Bahnfahrer diesen Bus 51 nicht kennen, mit dem man an die Haltestelle Schwanheim Friedhof gelangen soll, dann wird’s kritisch, zumal der Bus nur jede halbe Stunde fährt. Also da wäre es schon gut, die Umsteigemöglichkeiten für das Volk aus Frankfurt gleich mitanzugeben (am besten Rheinlandstraße, Endstation Linie 12 und dann erst der Bus; aber wer von Westen kommt, fährt viel besser über Höchst, das sind so die Feinheiten); vor allem aber müßte am Friedhof an diesem Abend ein wegweisendes Schild stehen. So irrten wir erst auf dem Friedhof umher,  der von verkehrsreichen Straßen umschlungen ist, weit und breit keiner, den man fragen kann, das ist schon ein verdammtes Versuch und Irrtum-Spiel, das man da im erst Halb- und dann Ganzdunklen zu spielen keine Lust hat, zumal man dadurch die Reitervorführung vor dem Kinoprogramm verpaßte. Der Rückweg ist, wenn kein Sonderbus eingesetzt ist, dann auch sehr beschwerlich. Mit einem Wort, wir wünschen uns für die Kinowoche die Kooperation mit den Frankfurter Verkehrsbetrieben, damit die Leute öffentlich anreisen und nicht wie diesmal, überall ihre Autos fahren und stehen lassen, was doch ganz unsinnig ist, wozu man aber gezwungen wird, wenn immer wieder eine Nachtwanderung aus der Rückkehr wird.

www.myspace.com/springintgut
www.deutschesfilmmuseum.de/kinowoche

Vorheriger ArtikelListe der Autorinnen und Autoren, die für WELTEXPRESS schrieben und fotografierten
Nächster ArtikelEin Heidenspaß mit C.F. Wong und Joyce McQuinnie – Nury Vittachis „Der Fengshui-Detektiv im Auftrag Ihrer Majestät“ im Unionsverlag