Ein früher Hippie unter Kokosnüssen – ein etwas lauer Roman um August Engelhardt

Marc Buhl hat für seinen neuen Roman ein etwas abgelegenes Thema gewählt. Nachdem er seine Protagonisten in den letzten Jahren quer durch Deutschland und Europa gejagt hat, widmet er sich hier einer untergegangenen Ära- der deutschen Kolonie in der Südsee und ihren skurrilen Vertretern. Da werden zugeknöpfte Gouverneure und Pastoren beschrieben, eifernde Missionsschwestern und kannibalische Wilde. Ein Haufen netter Natur, ewig blaues Wasser und Kokosnüsse. In diesem Idyll landet August Engelhardt und gründet seine ganz eigene Kommune, die Ein-Mann-Hippie-Republik auf Kabakon in Deutsch-Neuguinea. Nach den spärlichen Informationen des tatsächlichen Frühaussteigers hat Marc Buhl eine Variante konstruiert, eine Möglichkeit dieses Aussteiger-Lebens. Leider wird recht schnell klar, wohin die Reise geht. Sobald Nachahmer und geistesverwandte Romantiker seine Insel betreten, ist der Frieden dahin. Da hilft auch die Beschwörung der Kokosnuss wenig”¦

Marc Buhl beschreibt die Jahre Anfang des letzten Jahrhunderts, die dieser kleinen Episode alternativen Südsee-Lebens vergönnt waren. Das ist kurzweilig erzählt und doch etwas unbefriedigend, die Hintergründe werden wenig erklärt. Warum wurde August zum Aussteiger, weshalb lässt er sich seine Bücherkisten mühsam auf die Insel hinterherschicken und nutzt sie nicht? Tiefe fehlt in den Betrachtungen, ein wenig Raum für Absonderliches. Uwe Timm hat mit „Morenga“, das etwa zeitgleich in Deutsch-Südwest-Afrika spielt, bereits meisterlich vorgegeben, wie der menschliche Geist angesichts einer Natur und Einwohnerschaft, über die er durch Zufall zu gebieten glaubt, ver-rückt. Marc Buhl vertraut dagegen auf einen lodernden Show-Down mit Happy-End, was schade ist. In seinen früheren Romanen von „Der rote Domino“ bis „Drei Sieben Fünf“ hat Buhl die Verschachtelung von aufregender Handlung und verschiedenen Zeitsträngen brillant beherrscht – vielleicht gelingt im nächsten Roman wieder etwas Bissigeres, wir bleiben gewogen!

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Marc Buhl, Das Paradies des August Engelhardt, Roman, 236 Seiten, Eichborn Verlag , Frankfurt am Main, März 2011, 18,95 €

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