Ein bisschen Sprach‘ muss sein – „Deutsch für den Ausländer“, ein Rock’n’Roll-Sprachkurs

Helmut Schmidt im Bad

Doch worum handelt es sich eigentlich bei diesem seltsamen Band, auf dessen Umschlag der Titel in Ketchup-Reste auf einer Pommes-Pappunterlage geschmiert erscheint?

Um etwas ganz und gar Neues. "Deutsch für den Ausländer" von Florian Lamp und Johannes Heldrich begründet das Genre der Lehrbuch-Parodie und wendet sich an "alle, die im Fremdsprachenunterricht mit langweiligen Familien wie den Masons oder den Lerouxs gequält wurden". Wer denkt da nicht an die "Clarks" aus dem Englisch-Unterricht, die auf beinah perverse Art normal waren?

Diametral anders kommen die Protagonisten des vorliegenden alternativen Deutsch-Kurses daher: Die durch 17 Lektionen saufende, fremdgehende oder einfach nur dumm seiende deutsche Familie Schmidt ist unschön anzusehen und sozial im Keller. Das Familienoberhaupt Helmut Schmidt geht einer regelmäßigen Vollzeit-Beschäftigung als Alkoholiker nach. Seine Frau Eve trägt Damenbart, Natur-Rettungsringe und die Verantwortung in einer Imbissbude, Spezialität: Ketwurst. Schmidts Sprösslinge Doreen und "Svengster" träumen von Castingshow- und Gangstarap-Ruhm. Bösartig-liebevolle Illustrationen von Johannes Heldrich feiern die Hässlichkeit der Schmidts bis ins kleinste widerwärtige Detail.

"A little fun has to be", meinen die Autoren, und konsequent führen Roberto Blanco und sein "brother in spirit" Tony Marshall in die deutsche Kultur ein, mit ihrem Gassenhauer "Resi bring Bier", einem Paradebeispiel der German Gemütlichkeit. Ein gelungener Auftakt, und der einzige Wunsch, der an dieser Stelle offen bleibt, ist die auf dem Lehrbuchmarkt ja inzwischen obligatorische CD – hoffentlich liegt sie der nächsten Auflage bei.

Ein bisschen Sprach‘ muss sein, wissen die Autoren. In ihrem Kursus fehlt kein wichtiges Thema der deutschen Grammatik, Lexik und Morphologie. Aus dem Inhalt: "dass" ("that funny SS word"), der Unterschied zwischen "nicht" und "kein" (die nachdrücklich empfohlene Alternative zu "ja" und "amen"), Konditional- ("wenn du Polizist bist, darfst du Drogen nehmen") und Finalsätze ("um Geld vom Arbeitsamt zu bekommen, müssen Sie freundlich sein" ), Nominalisierung (ficken – das Ficken; langhaarig – der Langhaarige; brechen + Durchfall – der Brechdurchfall), Konjunktiv ("ich würde dir gern die Fresse einschlagen"). Deklinations- und Konjugationstabellen verlieren ihre Unschuld. Hands down, brave student of German: you’ll never look at a conjugation table the same way again! Lücken-Aufgaben sind listig konzipiert, insbesondere im Kapitel über Präpositionen. Vielleicht waren Drogen im Spiel.

Zugegeben, über weite Strecken dominiert spätpubertäre Freude an jeder Form von Junk, Provokation und Tabubruch. Derb muss es sein, und der Berliner Imbiss-Kult lebt auf den Seiten von DfdA. Ketwurst (das Hotdog der Ostdeutschen), handelsübliche Drogen, "the artist formerly known as Joseph Ratzinger" oder der 11. September werden auf politisch inkorrekte Weise behandelt – ohne dass dafür erst ein Kontext etabliert würde.

Die Schmidts führen in jeder Hinsicht locker – um nicht zu sagen zügellos – durchs Curriculum, doch der Leser kann noch auf andere Art (das Fürchten) lernen, etwa mit Steckbriefen deutscher Prominenter, darunter Gottschalk, Klum, Jauch, Lagerfeld, Klinsmann, Kinski, Merkel, DJ Bobo, Arnold, Beckenbauer, Riefenstahl und der erwähnte J. R.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet DfdA in Sachgruppe 430 (Deutsch), also als Lehrbuch, hat folglich nicht kapiert, worum es geht – oder weiß sich nicht anders zu helfen.

Florian Lamp und Johannes Heldrich ist bewusst, ein Irrlicht auf den Buchmarkt losgelassen zu haben, dass eine Zielgruppe schwer auszumachen ist. Sie beschreiten denn auch unorthodoxe Vertriebswege und sind sich nicht zu schade, "Deutsch für den Ausländer" in der U-Bahn oder vor dem Discounter an den Mann zu bringen. Als Fremdkörper auf der Frankfurter Buchmesse verwickeln sie Stefan Aust, Elke Heidenreich oder Roland Koch in Gespräche, die alsbald versanden.

Über "Deutsch für den Ausländer" lacht in erster Linie der Inländer. Aber als gute Pädagogen nehmen Lamp und Heldrich jeden mit, und der englischen Sprache Mächtige ist "in on the joke": Ein Anhang wartet mit Übersetzungen der deutschen Textpassagen auf.

Der Berliner Kleinverlag "Grosskonzern" überreicht mit seiner ersten Publikation eine späte, doch willkommene Entschädigung für viele Jahre zermürbender Ödnis im Sprachunterricht. Dem Sprachlehrer sei gesagt: Dieses Buch verwandelt jede noch so dröge DfdA-Stunde in eine Fete, und "at a real party in Germany everyone is happy and funny and wets him- and herself while laughing until the doctor comes."

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Florian Lamp / Heldrich Johannes: Deutsch für den Ausländer. Originalausgabe. Berlin: Grosskonzern, 2009. 253 Seiten. Mit guten Illustrationen. ISBN 978-3-941934-00-9. Kartoniert. 19,90 Euro

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