Draußen vor der Türe – Mads Mikkelsen geht in seine Vergangenheit durch “Die Tür”

Ich gehe raus und kieke – und wer steht draußen? Icke. Wesentlich mehr psychologische Tiefe als der berlinische Reim erreicht „Die Tür“ nicht. Während eines Seitensprungs des erfolgreichen Malers David (Mads Mikkelsen) mit Nachbarin Gia (Heike Makatsch) ertrinkt dessen Tochter Leonie (Nele Tebs). Davids Ehe mit Maja zerbricht am Tod der gemeinsamen Tochter, David zerfressen seine Schuldgefühle. Fünf Jahre später findet er im Winter einen Schmetterling. Wie war das noch in “The Butterfly Effekt”? In einer Ruine führt David “Die Tür” – ein scheinbar gewöhnlicher Gang – in seine Vergangenheit. Leonies Tod kann er verhindern, doch in der Parallelrealität gibt es bereits einen David. Im Kampf mit seinem alter ego begeht David auf spezielle Art Selbstmord. Was für ein Tag! Durch die Zeit gereist, vom Müllwagen angefahren, die Tochter vorm Tod gerettet und sich selber abgemurkst. Leonie spürt, dass ihr Vater sich verändert hat und die Wahrheit dringt an die Oberfläche, wie die im Garten verscharrte Leiche von Davids jüngerem Ich. Der Selbst-Mord zieht weiteres Töten nach sich und David findet heraus, dass er nicht der einzige ist, der durch “Die Tür” gegangen ist.

Zu klemmen beginnt “Die Tür”, als Anno Saul das Motiv der Parallelwelten überstrapaziert. Durch “Die Tür” drängen überstürzt Scharen von Doppelgängern in die Filmhandlung. Doch die an sich interessante Wendung eröffnet “Die Tür” zu spät, um ihr Potential auszuschöpfen. Die verunsichernde Identitätsfrage, wie sie Don Siegels Horrorklassiker “The Body Snatchers” erschuf, kann “Die Tür” nicht wiederholen. Beunruhigender ist Rüdiger Kühmstedt als unerwünschter Komplize Davids. In der Handlung ist Kühmstedt nur “der Nachbar”, einer der Nachbarn, die “Mittagsruhe!” brüllen und über den Gartenzaun schielen. Solche heißen immer Paschulke oder Meier-Wilmanowsky. Der Nachbar legt Wert auf eine homogene Nachbarschaft und unterstreicht seinen Wunsch bisweilen mit der Spitzhacke. Hier lässt Saul plötzlich bizarren Humor durch “Die Tür” lugen. Für eine schwarze Komödie nimmt sich “Die Tür” jedoch zu ernst, so dass die Komik unfreiwillig wirkt. Das Übermaß an komplexen Motiven verhindert wahren Tiefgang. Mit Doppelgängern, Davids Annahme einer anderen Identität, welche innerhalb der verworrenen Handlung seine eigenen ist, Mord und Totschlag und drohender Invasion ist Saul hoffnungslos überfordert. Dass der durch den Tod seiner Tochter traumatisierte David, nachdem er “Die Tür“ durchschritten hat, eine drastische Erfahrung nach der anderen wegsteckt, ohne sich den Spaß am neuen, alten Leben verderben zu lassen, kann selbst der fähige Hauptdarsteller Mads Mikkelsen nicht glaubhaft machen.

Der Schluss erscheint mehr wie ein zynischer Scherz, denn die bittere Lehre oder gar der hoffnungsvolle Ausblick, welcher er sein soll. Türchen öffnen darf man demnächst am Adventskalender genug. Dahinter verbirgt sich Lohnenderes als der wirre Mysteryfilm. Anderthalb Stunden in der Zeit zurück zu reisen, würde nach dem Kinobesuch schon ausreichen, um die verlorene Zeit wieder einzuholen. Dann hätte man sich auch den unausgegorenen Mystikthriller erspart. Manche Türen bleiben besser ungeöffnet. “Die Tür” ist eine davon.

* * *

Titel: Die Tür

Land/Jahr: Deutschland 2008

Genre: Mysterythriller

Kinostart: 26. November 2009

Regie: Anno Saul

Drehbuch: Jan Berger

Darsteller: Mads Mikkelsen, Jessica Schwarz, Rüdiger Kühmstedt, Nele Tebs

Laufzeit: 103 Minuten

Verleih: Senator

Vorheriger Artikel1.000 Kilometer Bahn für die Golf-Region – endlich eine Erprobung für internationale Infrastruktur-Maßnahmen
Nächster ArtikelWenn ´s geht, und keiner weiß, warum – Alles klappt filmisch in Woody Allens sarkastischer Komödie “Whatever works”