Dieses Buch hält, was der Name le Carré verspricht – „Verräter wie Wir“ aus dem Ullstein Verlag

Fangen wir also mit Dima an – dem Herzschlag der russischen Mafia, denn er verwaltet all deren Geld und wäscht es weiß, bisher – und das Problem bei solchen Büchern ist, daß man zwar den Handlungsaufbau, die Problemschilderungen berichten darf, aber auf keinen Fall, wie es ausgeht, denn auch dieses Buch lebt von seiner vom Autor filigran aufgebauten Spannung, die er – das als erste Fazit – bis zum Schluß durchhält, weil eine mögliche Lösung der verwickelten Angelegenheiten dem Leser nicht so schnell in den Sinn kommt und er die letzten Seiten atemlos liest, weil er merkt, das Buch ist bald zu Ende, aber da ist doch noch so viel, was aufgeklärt und weitergeführt werden muß.

Von daher ist das zweite Fazit, auch wenn Carré keinen offenen Schluß bietet, daß das Ende doch nachgerade so plötzlich erfolgt, daß wir mit vielen Fragen, wie es für die Russinnen und Russen Tamara, Natascha, Viktor, Alexej, Irina und Katja weitergeht und erst mal für die englischen Helden Gail Perkins und Perry Makepiece (was doch irgendwie sehr sehr nach Moneypenny klingt) . Aber da sind auch noch Luke – doch, was mit ihm wird, wissen wir dann schon –, aber Ollie und auch Hector in London, was von den Schweizer Bergen aus auf einmal sehr weit ist.

Das ist also unser drittes Fazit, daß es John le Carré gelingt in einem Agentenmilieu – sowohl auf Geheimdienstseite, wie auch auf der der russischen Mafia, was eigentlich eine unzulässige Bezeichnung für den russischen kriminellen Unter- und Hintergrund ist –, daß es ihm also sehr gut gelingt, in diesen Milieus ganz eigenständige, völlig verschiedenartige, geradezu witzige Typen zu schildern, die keine Stereotypen sind, sondern wunderliche Menschen. Gerade bei den Kindern ist das bemerkenswert gelungen, aber eigentlich ja auch schon auf der Seite der Verbrecher, zu denen eben nicht nur die fiesen Russen zählen, sondern ihre Helfershelfer in den westlichen Gesellschaften, korrupte Charaktermasken, die er hier als Menschen vorführt. Denn zum Konflikt kommt es, als der neue Oberboß der russischen Mafia, Prinz genannt, die Dienste des Geldwäschers Dima nicht mehr benötigt. Was danach passiert: um die Ecke bringen, das ist klar.

Das, was der Autor in diesem Roman als selbstverständliche Verquickung von europäischen Bankern, Rechtsanwälten, Politikern, Geheimdienstlern en Passant vorbringt, wir müssen gestehen, wir glauben ihm sofort. Insofern wäre das vierte Fazit, daß die Geschichte, so unglaublich sie sich liest, dennoch wahrscheinlich erscheint. Kurz also zu dieser Geschichte. Auf einem Urlaub in der Karibik, auf Antigua, lernt der bisherige Literaturdozent aus Oxford Peregrine Makepiece, genannt Perry, mitsamt seiner Liebe Gail Perkins, erfolgreiche Anwältin, den warmherzigen und kaltmordenden Dima kennen, der als ehemaliger Strafgefangener – bei den Kriminellen, die bewundert, nicht bei den Politischen, die verachtet wurden – die Netze perfekt für eine wirtschaftlich-kriminelle Vereinigung spannte, die als russische Mafia weltumspannend tätig wird, besonders im mittleren Europa. Dima wartet mit seiner gesamten bunten Entourage, nur seine Frau wirkt immer pechschwarz und mit Kreuzen geschmückt, denn sie, die ehemalige Oberkriminelle wurde so gefoltert, daß sie darob fromm wurde, darauf, was nach dem Mord an seiner Schwägerin und seinem Mafiabruder mit ihm geschehen wird. Solange nur er über die Konten Bescheid weiß, ist er sicher, aber die Übergabe seines Wissens und der Geschäfte ist geplant.

Dem Mord an ihm auf jeden Fall will er zuvor kommen und bietet sein Wissen dem englischen Geheimdienst an. Als Lohn: Aufenthaltsberechtigungen für seine Familie in England und die besten Schulen für die Kinder. Was der Autor hier an Lokalkolorit und genauesten Ortsbeschreibungen von Antigua, London (das hätten wir ihm ja auch zugetraut), und der Schweiz und ihren Berggebieten wiedergibt, ergibt ein fünftes Fazit für genaueste Recherche von Orten, von Verhältnissen, von Details ebenso. Selbst bei den Bars, dem Alkohol, oder da sogar besonders, aber auch dem Tennisspielen, Kricket, ach so nebenbei sind so viele Dinge eingeflochten, daß wir den erfahrenen und routinierten Erzähler heraushören, was das sechste Fazit ist.

Mehr, als daß es knüppeldick um Finanzen und deren internationale Krise geht, soll man hier auch nicht äußern. Daß allein das Stichwort „Russisch“ sowohl kriminelle Energie wie auch überströmende Herzlichkeit und Körperlichkeit bedeutet – nein, der Gefahr, daraus ein Rührstück und oberflächliche Völkerpsychologie zu machen, was diesen Dima angeht, entgeht le Carré absolut – ein siebtes Fazit! Daß uns aber diese so dickliche wie elegante Person berührt in seinen Freundschaftsausbrüchen und dieser besonderen Männerfreundschaft zwischen ihm und Perry – „Kein Schwuchteltennis!“ – das soll ja gerade so sein. Von daher hält dieser Roman genau das, was er verspricht! Das achte Fazit.

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