Die Welthaftigkeit der Dramasseure – Produktives Symposium zur zeitgenössischen Dramatik im Haus der Berliner Festspiele

Unterschiedliche Standpunkte zu den Problemen waren schon zu Beginn des Symposiums erkennbar:

Während Joachim Sartorius, Intendant der Berliner Festspiele, „das Verschleudern von Talenten“ in einer Vielzahl von unübersichtlichen und z.T. unwirksamen Förderungsmaßnahmen anprangerte, und auch der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Klaus Zehelein, bei steigenden Uraufführungs- und gleichzeitig sinkenden Aufführungszahlen neuer Stücke, eine kontinuierliche AutorInnenförderung vermisste, erklärte Frank Wille, Redakteur „Theater Heute“, von einem Schleudergang könne gar keine Rede sein. Angesichts eines Zuwachses neuer Stücke von nur 20% in den letzten 17 Jahren sei eher „ein ordentliches Schonprogramm“ erkennbar, durch das auch Überschüssiges problemlos geregelt werde.

„Nichts ist älter als die Uraufführung von gestern“ konterte der Autor Moritz Rinke in seinem Impulsreferat, und stellte in einer kleinen Szene die Zwangslage dar, durch die neue AutorInnen, kaum für eine Arbeit gewürdigt, zu überhetzter Weiterproduktion getrieben werden.

Nach diesem Auftakt hatten die mehr als 100 SymposiumsteilnehmerInnen, auf sechs Workshops verteilt, vier Stunden lang Gelegenheit, Konzepte zur Problembewältigung zu erarbeiten.

Zum Symposium erschienen waren AutorInnen, DramaturgInnen, RegisseurInnen, Intendanten, sowie VertreterInnen von Verlagen, Förderinitiativen und Presse.

Erfreulich war die Offenheit, mit der in den Workshops diskutiert wurde. Es gab keine verhärteten Fronten bei den VertreterInnen der unterschiedlichen Sparten, dafür Aufgeschlossenheit und Selbstkritik.

So wurde die Einigung auf Forderungen und Pläne möglich, die ebenso vernünftig wie praktisch umsetzbar sind.

Zu Beginn der öffentlichen Veranstaltung am folgenden Tag präsentierte der Autor und Journalist Peter Michalzik eine Zusammenfassung aller Workshop-Ergebnisse. Dabei stellte Michalzik fest, dass die sechs Gruppen zu erstaunlich homogenen Resultaten gekommen seien.

Gefordert wurde im Wesentlichen:

Qualität statt Quantität sowie mehr Transparenz bei Förderungsprogrammen, wie auch die Bündelung von finanziell geringen Förderprämien.

Abschaffung der Altersgrenzen, damit auch AutorInnen über 35 Chancen auf Förderung bekommen.

Sorgfältige Lektüre eingesandter Manuskripte in Verlagen und Dramaturgien.

Für prämierte Stücke nach der Uraufführung weitere Aufführungen an anderen Theatern.

Neue Stücke nicht nur in Werkstätten, sondern auch auf großen Bühnen in Inszenierungen von erfahrenen RegisseurInnen aufführen.

Bessere Entlohnung von AutorInnen und ihre Beteiligung an den Theatersubventionen.

Das Modell des Hausautors, das sich an einigen Theatern bereits bewährt hat, wurde von den AutorInnen nicht unbedingt als ideale Existenzform betrachtet. Befürchtet wurde, im Theaterbetrieb in einer Position verschlissen zu werden, die Moritz Rinke als „Dramasseur“ bezeichnet hatte.

Eine kontinuierliche Zusammenarbeit von Regie und Dramaturgie mit den AutorInnen wurde jedoch allgemein für wünschenswert gehalten.Bei der Frage nach den Qualitätskriterien bei der Auswahl neuer Stücke war der Begriff Welthaltigkeit durch alle Workshops gegeistert und tauchte auch in der Podiumsdiskussion am Sonntag wieder auf. Eine präzise Definition dieser diffusen Wortschöpfung konnte jedoch nicht erbracht werden.

Eine Konkretisierung von Vorgaben bezüglich der Inhalte und Formen neuer Stücke hätte den Rahmen des Symposiums gesprengt und stünde im Widerspruch zu der Hoffnung auf geniale dramatische Werke, die alle bisher gültigen Gesetze und Regeln außer Kraft setzen.

Zum Abschluss des Symposiums führte Iris Laufenberg ein amüsantes, geistreiches Gespräch mit den Autoren Tankred Dorst und Nis-Momme Stockmann, und danach fand eine Lesung von Ausschnitten aus neuen Stücken von Dorst und Stockmann statt.

Sven Lehmann, Jörg Pose und Katharina Schmalenberg lasen spannend und anschaulich einige Szenen aus „Ich soll den eingebildet Kranken spielen“ von Tankred Dorst, und Alexander Khuon ließ in seiner Lesung aus „Kein Schiff wird kommen“ von Nis-Momme Stockmann einen Vater und seinen Sohn mit ihren Konflikten lebendig werden.

Die Präsentation dieser neuen Stücke, das Eine von einem berühmten Theaterdichter, das Andere von einem jungen Autor, der gerade anfängt, sich einen Namen zu machen, boten einen kleinen Einblick in eine vielfältige, anspruchsvolle neue Dramatik, an deren Existenz und Weiterleben alle am Symposium Teilnehmenden engagiertes Interesse bewiesen.

„Schleudergang neue Dramatik“ – Symposium zur Zukunft der zeitgenössischen Dramatik, Veranstalter: Berliner Festspiele/Theatertreffen in Kooperation mit dem Deutschen Bühnenverein fand vom 09. – 11.10. im Haus der Berliner Festspiele statt.

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