Die Region Alentejo im Herzen Portugals – Serie: Von Eicheln, schwarzen Schweinen, mittelalterlichen Burgen und exzellentem Wein (Teil 1/4)

Der diskrete Charme des Musealen: Die Pousada Rainha Santa Isabel könnte auch als Filmkulisse dienen

Ziel unserer Reise ist die Region Alentejo, in der wir unter anderem auf den regionalen, stark boomenden Weingütern die önologischen und kulinarischen Kostbarkeiten der Region kennenlernen wollen. Obwohl das Alentejo keine ausgesprochen traditionelles Weingebiet ist, haben hier viele Winzer in erstaunlich kurzer Zeit viel bewegt. Oft ist es für das Alentejo typische ehemaliger Großgrundbesitz, der heute zu beachtlichen Weingütern um- oder ausgebaut worden sind. Die so genannten "Montes" waren Güter mit klassischem Herrenhaus und Gesinde- und Wirtschaftsgebäuden. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten der teilweise ruinierten Gehöfte, sind heute viele konkurrenzfähige, von riesigen Ländereien umgebene, Weingüter entstanden, von denen wir einige besuchen werden.

Nach der problemlosen Anreise mit der nationalen portugiesischen Fluglinie TAP, deren Pilot uns butterweich auf Lissaboner Boden setzt, genießen wir zunächst das milde Klima des portugiesischen Spätsommers und lernen unseren Busfahrer Joaquim Lopes kennen. Er ist ein freundlicher Mann mittleren Alters, der mit weisen, milden Augen gleich jene Qualität andeutet, die man für einen gelungenen Portugal-Aufenthalt zwingend braucht: eine gewisse stoische Grundruhe und ein mittelgroßes Maß an Geduld. Wir machen uns also auf den Weg in das 180 Kilometer entfernte Estremoz, genauer gesagt in die dort befindliche Pousada „Rainha Santa Isabel“. Pousadas sind historische Gebäude wie Burgen, Königspaläste oder Klöster, die in ganz Portugal seit 1942 kontinuierlich zu außergewöhnlich reizvollen Hotelanlagen ausgebaut wurden.

Von der Kornkammer Portugals zur boomenden Weinregion

Das Alentejo, nördlich gelegen der deutschen Urlaubern vermutlich bekannteren Region Algarve, ist mit 770000 Einwohnern auf 31152 qkm ein eher dünn besiedelter Landstrich mit spröder, wie impressionistisch hingemalter Kulisse. Zu Zeiten der portugiesischen Diktatur sollte das Alentejo zur Kornkammer Portugals ausgebaut werden, weshalb heute in jeder mittleren Ortschaft der Region ein, nunmehr ungenutzter, Getreidespeicher steht. Nach der „Nelkenrevolution“ von 1974 rückte man von diesem Vorhaben wieder ab, dennoch erinnerte mich die leicht gewellte Weite der Landschaft mit teilweise noch vorhandenen Kornfeldern, manchmal entfernt an meine Heimat Niedersachsen.

Da das Alentejo bis heute vom Massentourismus relativ verschont geblieben ist, verströmt die Kargheit der Landschaft eine für den Kenner leicht zu erkennende Melancholie. Auch die Menschen haben ein gewisse Tragik im Gestus, das harte Leben in extremer Umgebung wirkt sich natürlich aus. Die Farben des, von der mitunter grausam heißen Sommersonne, arg ausgedörrten Bodens, changieren je nach metallischem Gehalt der Steine, jetzt im beginnenden Herbst, zwischen rostrot, maronenbraun und marmorhaftem Grau.

Kein Wunder: Ist doch der Abbau von Marmor in allen erdenklichen Farben im Alentejo Tradition, vor allem im Marmorgebiet zwischen Estremoz, Borba, Villa Vicosa und Alandroal. Dass im jetzt so trockenen Alentejo auch der größte europäische Binnensee liegt, soll uns erst ein paar Tage später bewusst werden, als wir die Gelegenheit bekommen, die Schönheit der portugiesischen Natur vom Wasser aus zu genießen.

„Am allerschönsten ist es hier im Frühling“, verrät uns Fernanda, unsere fachkundige Alentejo-Expertin. „Dann blühen hier nacheinander Lavendel, Thymian, Kamille, und viele andere Blumen und Kräuter, das ist eine Blütenpracht ohnegleichen“ sagt die 1,50 Meter kleine, resolute Dame, die uns auf unserer Tour mit zahlreichen Anekdoten und Wissenswertem noch unschätzbare Dienste erweisen wird. Zusammen mit unserer liebenswerten Reiseleiterin Lina, die unsere Route geschmackvoll und kenntnisreich zusammengestellt hat, bilden die beiden ein Team, bei dem wir uns schon früh aufgehoben wie in Abrahams Schoß fühlen.

Leider sehr lecker: schwarze Schweine

Die Vegetation des Alentejo ist heute vornehmlich durch Schirmkiefern, Kork-und Steineichen gekennzeichnet, die sich wie hingetupft über die Landschaft verteilen. Korkeichen liefern natürlich das Material zum Verschließen von Weinflaschen, ein edler und immer seltener werdender Rohstoff. Nur alle neun Jahre wird der Kork geerntet, weshalb die Korkeichen nach der Ernte alle die Jahreszahlen der letzten Beschälung tragen. Steineichen dienen mit ihren Eicheln vor allem zur Ernährung des äußerst schmackhaften schwarzen iberischen Schweines. Man ist was man isst, auch hier kommt diese alte Faustregel zum Tragen.

Dass die Schweinchen auch noch alle Arten von Kräutern und Pilzen fressen dürfen, die im Schatten der bis zu 500 Jahre alten Eichen wachsen, spiegelt sich ebenfalls im einzigartigen Geschmack ihres Fleisches wider. Er ist um etliche Grade würziger und intensiver als das ihrer pinkfarbenen Brüder und Schwestern aus unseren Breiten. Im Grunde schmeckt es gar nicht nach Schwein, sondern viel, viel besser. Ihr Pech, unser Glück, wenigstens haben die Tiere hier ein artgerechtes, wenn auch nicht allzu langes Leben.

Ebenfalls in erstaunlich großer Zahl vorhanden: Störche, die in Geschwaderstärke die zwischen trockenen Feldern vorhandenen Tümpel zur Froschsuche ansteuern. „Viele von ihnen fliegen im Winter gar nicht mehr rüber nach Afrika“, verrät uns Fernanda, „die bleiben einfach hier“. Es ist ihnen anscheinend warm genug, unbekannte Folgen der Erderwärmung, wie es scheint.

Wir sehen auch Ziegen, Schafe, und im Schatten der Eichen zufrieden wirkende Rinder mit unkupierten Hörnern neben ihren Kälbern, vor allem aber erste Kohorten der besagten schwarzen Schweine, die vom Alentejo aus sogar nach Spanien exportiert werden.

Bis heute verehrt: Die heilige Isabella

Am Abend erreichen wir Estremoz, eine Kleinstadt im Bezirk Evora, die von dem auf einem Berg gelegenen Resten eines Palastes geprägt wird. Dieser im dreizehnten Jahrhundert von Alfons III. begonnene Bau, ist der Ort, an dem die als heilige verehrte Königin Isabella im Jahre 1336 starb. Ihr zu Ehren ist eine der berühmtesten Pousadas Portugals nach ihr benannt, die Pousada „Reinha Santa Isabel“. Eine Statue im Vorhof, natürlich aus weißem Marmor, zeugt von der Verehrung dieser Frau.

Im 18. Jahrhundert wurde der Palast im gotischen Stil neu errichtet, lediglich der Turm, an dem noch heute Spuren von siedend heißem Olivenöl haften, das ehedem über Angreifern ausgegossen wurde, ist aus dem Mittelalter erhalten.

Im Gebäude selbst kommt es einem vor, als sei man in der Kulisse eines historischen Films gelandet. Riesige Eichenbetten, Marmor in allen möglichen Farben im Bad, historische Möbel im Flur und auf den Zimmern ergeben ein einmaliges Ambiente geschichtsträchtiger Räumlichkeiten. Großes Kopfkino für die großstadtmatte Seele. Doch nur kurz ist das Innehalten, denn wir haben noch die erste Weinprobe und das Abendessen auf dem Weingut „Quinta da Esperança“ vor uns.

Gut zwei Kilometer von Estremoz entfernt, werden wir von einer charmanten, auffallend jungen Vinologin, die alle nur Joana nennen, auf einer elegant illuminierten Terrasse empfangen, die uns zu queijo (Käse) presunto (Schinken) und Chouriço Sangue (gebratene Blutwurst) einen ersten Einblick in die portugiesische Weinwelt ermöglicht. Wir erinnern uns an den „Terras de Estremoz“, einen nach Papaya und Mango duftenden Weißwein aus dem Jahre 2005 und später, beim Essen, an den roten „Quinta da Esperanza“ aus dem Jahr 2004, der mit feiner Vanillenote und seinen Untertönen von Blaubeere und Bergamotte unser erstes Zusammentreffen mit der alentejanischen Küche begleitet.

Nach dem köstlichen Mahl werden wir noch Zeuge der, auf diesem Weingut nachts stattfindenden, Weinlese; eine Regelung der auch im späten September noch recht hohen Tagestemperaturen geschuldet ist. Wie ein übergroßes Insekt schraubt sich der drei Meter hohe Traktor durch die Reben, es ist nichts anderes als beeindruckend. Die kommende Nacht verbringen alle erschöpft und glücklich in der musealen Pousada der heiligen Isabella, bevor die Reise am nächsten Morgen weitergeht.

* * *

Infos:

www.visitalentejo.pt

POUSADA RAINHA STA ISABEL, 7100-509 Estremoz, Tel:+351 268 3320 75, Email: Recepcao.staisabel@pousadas.pt, www.pousadas.pt

ENCOSTAS DE ESTREMOZ, Quinta da Esperança 7100-145, Estremoz, Tel:+351 268 333 795, Email: geral@encostasdeestremoz.com, www.encostasdeestremoz.com

Vorheriger Artikel„Uwe ist ein richtiges Arschloch“ – Claudia Schulmerich im Gespräch mit Jan Weiler anläßlich seiner neuen CD „Uwes letzte Chance“ auf der Frankfurter Buchmesse
Nächster ArtikelDas schaurig-schöne Fest für Jung und Alt – Halloween im Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin