Die Mädels von Theo Zwanziger – Deutsche Fußballerinnen sind zum fünften Mal hintereinander Europameister und feiern in Frankfurt

Die müssen aber erst einmal das Zeremoniell im Kaisersaal absolvieren, was sie – das sieht man deutlich – gerne und sich geehrt fühlend durchziehen, denn sowohl die Reden haben sie mächtig aufgebaut und sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen, wie es jüngst der Dalai Lama machte und vor längerer Zeit John Kennedy, das hat auch schon was. Oberbürgermeisterin Petra Roth begrüßte die weibliche Nationalmannschaft in der „Stadt der starken Frauen als die stärksten Frauen Europas“, sie und der Präsident des DFB tauschen Komplimente aus, über die Überlassung des Kaisersaals und über das soziale Engagement des Fußballbundes, aber Theo Zwanziger fügt so viele liebevolle Details über die Frauenfußballmannschaft hinzu, die nun bei den Europameisterschaften in Finnland am Tag zuvor, dem Donnerstag, zum insgesamt siebten Mal, davon fünf in Folge, Europameister wurden, daß man daraus das schließen konnte, wovon intern jeder weiß, daß der Frauenfußball in Theo Zwanziger seinen allergrößten, intensivsten und unermüdlichen Förderer hat.

Er lobt. Er lobt die „Frauen und Mädels“, er lobt Steffi Jones, die von Frankfurt aus für die WM 2011 die Trommel rührt und selbst die beste Spielerin einst war. Er lobt Silvia Neid, die Trainerin, der sie in Finnland den „Neid-Komplex“ auf den Leib schrieben, der die Gegnerinnen und deren Trainerinnen nach und nach infiziert habe, am schlimmsten die Engländerinnen, die dann auch im Endspiel mit 6:2 in Helsinki untergingen. Er lobt den DFB-Funktionär Wolfgang Miersbach, weil dieser „mit derselben Leidenschaft wie für die Männer“ die Mannschaften unterstützt, wo doch – und das sagt er einfach sehr nett -, diese Unterstützung einfach noch viel wichtiger sei angesichts der so jungen Spielerinnen. Und dann kommt er erneut auf Steffi Jones zu sprechen, die mit „unglaublicher Leidenschaft für die WM 2011 wirbt. Ohne Dich wären wir nichts!“

Na, ist das was? Und er schließt dann seine Hommage mit „Unsere Frauen und Mädels haben es verdient. Sie sind gut. Sie sind die Besten.“ Diese nun sehen in ihren grauen Anzügen etwas angegriffen, einige total schmal, andere auch unausgeschlafen aus, denn es wurde nach der Meisterschaft kräftig gefeiert. Aber auch tiefe Zufriedenheit strahlen sie aus und Dankbarkeit, daß man sie so wichtig nimmt. Das steigert sich auf dem Balkon über der Menschenmenge. Da geht die Post ab und das befeuert auch noch einmal Birgit Prinz, die schon so lange ihre Arme mit dem Pokal hochreckt. Ein Hin und Her entsteht, die Gesänge und Schlachtrufe von unten, lassen die Müdigkeit in den Knochen der Spielerinnen verschwinden. Sei freuen sich einfach, daß so viele Leute ihnen so zujubeln. „Ein Traum“, sagt eine, „Verrückt, einfach verrückt!“, eine andere.

Die Kinder auf dem Platz, die wir befragen, die mit Deutschlandfahnen und Tröten, Rasseln und Trommeln genug Wirbel machen, finden das ganz normal, daß Frauen Fußball spielen, ja sie zeigen sich sogar äußerst informiert über den Verlauf der Europameisterschaft. Die Norwegerinnen seien gemein gewesen, die hätten gefoult und viel zu hart gespielt. Aber die Engländerinnen seien eigentlich sehr gut gewesen, pfiffig und auch schnell. Die Namen der Torschützinnen aus dem Endspiel Birgit Prinz, Behringer, Kulig, Grings, die gleich zweimal traf, wie erneut Prinz, kullern wie Perlen aus ihren Mündern. Die Tollste aber sei eben Birgit Prinz, mit der alles angefangen und geendet habe! Aha, hier sprechen auch Frankfurter, denn Birgit Prinz steht für den FFC Frankfurt, der in der Vergangenheit extrem erfolgreich war und nun die schlechteste Saison seiner zehnjährigen Geschichte hinter sich hat. Mit ihren Mannschaftskameradinnen aus Frankfurt Nadine Angerer, Kerstin Garefrekes und Saskia Bartusiak darf sie am Mittwoch im Testspiel gegen den französischen Meister Olympique Lyon zeigen, ob der Auftrieb aus der Nationalmannschaft auch der Frankfurter Mannschaft hilft.

Davon geht Siegfried Dietrich, der FCC-Manager, eindeutig aus. Er spricht von der Schubkraft, die dieser Sieg bedeute, was er in der Pressekonferenz am kommenden Montag vertiefen will. Und wenn er Schubkraft sagt, meint er nicht nur die Leistungen der Spielerinnen, sondern auch die Lust der Zuschauer, zum Frauenfußball zu kommen. Es ist nämlich eine interessante Tatsache, daß anders als in anderen Ländern die Zuschauerzahlen in Deutschland beim Frauenfußball so stark gegenüber dem Männerfußball abfallen. Das hat natürlich auch damit zu tun, daß der Männerfußball in Deutschland stärker als anderswo wirklich ein Volkssport ist, was das Pilgern zu den Spielen an den Wochenenden angeht.

P.S. Etwas fiel sehr unangenehm auf. Etwas, was unsere Augen im doch sehr ehrwürdigen Kaisersaal im Römer noch nie zu sahen. Auf den seitlichen gepolsterten Seitenbänken stellten sich die, die mit Einladung Einlaß fanden, also nicht Krethi und Plethi, mit ihren Straßenschuhen und Stöckelschuhen einfach auf die Polster, wischten beim Runtersteigen diese auch nicht ab, ließen Kaugummipapiere und Schokoladenreste darauf fallen. Der Kaisersaal konnte einem richtig leid tun und die Kleidunge deren, die sich dann dorthin setzen, auch.

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