Die Geschichte vom labilen Erwin

Eine Freude für alle Leser die es gern mittelschwer haben. Eine glockenhelle Story über den bösen Buben Erwin. Ein Lotterlebendrama vom allerschönsten, ein Roman wie ein bittersüßes Pils mit Obstler.

Doch der Reihe nach:  Erwin ist das eher zufällig gezeugte Kind der Wiener Weltkrieg zwo- Kriegsgenration. Die Eltern voll Sehnsüchte und Träume, die gar schnell im Bombenhagel ihren Garaus bekommen. Der Vater beim Russen in Kriegsgefangenschaft. Die Mutter vor der Wahl zu verhungern, oder dem Alliierten herein zu lassen. Sie entscheidet sich aus „geschäftlichen Gründen“ fürs Hereinlassen und gibt ihre Lebensideale endgültig an der Graderobe ab.

Der Vater kommt nach Jahren zurück, da hat ihn die Mutter längst vergessen. Der Vater wandert nach Australien aus. Wer bleibt auf der Strecke? Das Kind, der Erwin.  Er landet bei der Oma und seiner debilen Tante. Der Vater schickt aus Australien jeden Monat Geld, die Mutter lebt für das Geschäft und den Luxus, die Oma ist dauereingeschnappt, die Tante debil. Erwin sieht für sich keinen Grund, etwa im Leben erledigen zu müssen. Er lernt früh die Freuden des Alkohols kennen und lässt sich trieben.

Kreisler erzählt lakonisch, doch immer liebevoll die traurige Geschichte des Erwin und seiner miesen Sippe. Die Tatorte sind Wirtschaften, Puffs und Rummelplätze.

Eine feine Satire über des Lebens Sinn, eine böse Parabel auf den Nichtsnutz im Menschen. Kategorie ganz besonders lesenswert!

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Georg Kreisler: Ein Prophet ohne Zukunft, 315 Seiten, Verbrecher Verlag 2011, 24 Euro

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