Die Filmbüchse der Pandora – Hoffnungslos: James Camerons Alien-Saga „Avatar“

 

„Das könnte ein frischer Anfang in einer neuen Welt sein. Und die Bezahlung ist gut. Sehr gut.“ Die selben Motive wie Hauptcharakter Jake Sully (Sam Worthington) bewegten wahrscheinlich Cameron zum „Aufbruch nach Pandora“. Nachdem die Erde durch Umweltverschmutzung unbewohnbar geworden ist, sind die Menschen hinter den Rohstoffen des von urwesenartigen Riesentieren bevölkerten Planeten Pandora her. Um mit den Ureinwohnern, den Na ´vi, die wie vieles in „Avatar“ bläulich schimmern, zu kommunizieren, setzten die Menschen Gedanken gesteuerte Na ´vi-Körper ein. Als ein solcher „Avatar“ begibt sich der querschnittsgelähmt Ex-Marine Jake mit der Ärztin Grace (Sigourney Weaver) unter die Na ´vi. Jake verliebt sich in die außerirdische Neytiri (Zoe Saldana) und erkennt die spirituelle Verbindung ihres Volkes zu Pandora. Doch der unerbittliche Colonel Quaritch (Stephen Lang) ruft zum Krieg gegen die Ureinwohner.

Künstlerisch weiterentwickelt hat sich Regisseur Cameron in seiner langen Kreativitätspause nicht. Regisseure ähneln darin mitunter Genussmitteln: die einen reifen, andere setzen Schimmel an. „Wenn es eine Hölle gibt, wollt ihr dort nach einer Tour auf Pandora vielleicht hin.“ Wohl wahr. Camerons Science-Fiction-Mär ist inhaltlich so einfallslos wie optisch. Die Erscheinung der Bewohner Pandoras erinnert an blauen Gliederpuppen. Ließ sich Cameron zu den Figurenentwürfen von den Schlümpfen inspirieren? Die Aliens sind nicht das einzige, was in „Avatar“ aus der Spielzeugkiste geklaut scheint. Raumstationen und Kampffahrzeuge erinnern an Lego-Spielwelten, die Flugtiere der Na ´vi an Styroporsegelflieger. Erinnert sich jemand an die Plastiktiere, welche im Dunkeln das Kinderzimmer so hübsch leuchten ließen, bis die Eltern sie aufgrund der giftigen Leuchtfarbe in den Sondermüll verfrachteten? Wer dergleichen besaß wird beim Ansehen von „Avatar“ sehnsüchtige Nostalgie empfinden. Schrie man nicht einst verzweifelt wie die Na ´vi, als sie ihrer Leuchtebäume und Glimmerplänzchen beraubt werden („Nicht meine Krebs erregenden Funkel-Sterne wegnehmen!“)?

Noch älter als Funkel-Sterne (an der Kinderzimmerdecke) ist die Inspiration für Camerons Drehbuch. Soldat Jake landet in einer fremden, feindseligen Welt, bevölkert von einer Naturreligion anhängenden Ureinwohnern. Eine schöne Eingeborene, Tochter des Häuptlings, verliebt sich in ihn. Ihr Vater ist gegen die Beziehung, doch die Häuptlingstochter rettet ihren Liebsten, der dafür ihr Volk verteidigt. Hier klingt etwas im Gedächtnis an, genauer, die Stimme von Nina Simone:

„Captain Smith and Pocahontas had a really mad affaire

when her daddy tried to kill him, she said: daddy don ´t You dare!

He gives me fever -“

Wie im Disney-Zeichentrickfilm. Die Liebesgeschichte Smiths und Pocahontas ´ zählt in den USA zum Allgemeinwissen. So romantisch verbrämt betrachtet man gerne die unrühmliche Geschichte des Landraubs der Weißen von den amerikanischen Ureinwohner. Kämpfen die Ureinwohner auf Pferden ähnelnden Reittieren mit Pfeil und Bogen und die Soldaten mit Feuerwaffen, begreift auch der letzte, dass es in „Avatar“ Cowboys gegen Indianer geht. „Wir haben versucht, ihnen Medizin zu geben, Bildung, Straßen, aber sie leben lieber im Schlamm.“, sagt ein Rohstoffjäger. Offene Verachtung äußern in „Avatar“ nur die Bösen, die Guten gehen perfider vor. „Das ist unser Land!“, verkündet der für die Na ´vi kämpfende Jake. Okupation durch Infiltration. Die heuchlerische Vorzeigeliberalität von „Avatar“ erhebt einen Weißen zum „Auserwählten“, der die friedfertigen Ureinwohner zum Krieg und die angebliche Friedensbotschaft des Films ad absurdum führt. „I will stand and fight!“, ruft Jake martialisch. „Nichts ist vorbei, solange ich atme.“, sagt Quaritch im Endkampf. Die militaristische Botschaft, dass bis zum Tod gekämpft werden müsse, verkündet der Schurken, damit es dem Helden erspart bleibt. Von den Na ´vi lässt sich nichts lernen, da Menschen alles wissen, erkennt Nytirirs Mutter: „Einen vollen Becher kann man nicht füllen.“

Nach „Terminator“, „Rambo: First Blood“ und „Titanic“ beweist sich Cameron mit „Avatar“ erneut als Spezialist für plumpe Action und pompösen Kitsch. Der Filmuntertitel „Aufbruch nach Pandora“ klingt bedrohlich nach Fortsetzung: „Avatar II – Rückkehr nach Pandora“, „Avatar III – Flucht von Pandora“, „Avatar IV – Kampf um Pandora“. Bleibt zu hoffen, Cameron dreht eventuelle Fortsetzungen in zwölfjährigen Abständen. Pathos und Materialschlachten regieren „Avatar“, inklusive sentimentaler Sterbeszenen mit Licht am Ende des Tunnels. Der Zuschauer sieht letztes erst beim Verlassen des Kinos. Die Hoffnung auf bessere Filme bleibt drinnen.

Titel: Avatar – Aufbruch nach Pandora

Land/ Jahr: USA 2009

Genre: Science-Fiction

Start: 17. Dezember

Regie und Drehbuch: James Cameron

Darsteller: Sam Worthington, Zoe Saldana, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Michelle Rodriguez

Laufzeit: 166 min.

Verleih: Fox

www.avatar-derfilm.de

www.fox.de

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