Die dritte Wahl oder Wulff wird Köhlers Nachfolger

In gewisser Weise können Kommentatoren behaupten, daß Merkels Mann mit Ach und Krach gewählt wurde. Im Grunde überzeugte der Präsidentschaftskandidat von Union und Liberalen noch nicht einmal die eigenen Leute. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes dritte Wahl. Wer will das schon? Daß der einstige Parteisoldat und langjährige Parteifunktionär im ersten Wahlgang nur 600 und im zweiten Wahlgang nur 615 Stimmen auf sich vereinigen konnte, ist angesichts der komfortablen Mehrheit der Koalitionäre eine Schlappe sondergleichen und zeugt davon, daß das „bürgerliche Lager“, wie es sich selber gerne nennt, heillos zerrüttet ist, daß die Schützengräben unterschiedlichster Interessenlinien im Grunde quer durch die Parteien verlaufen. Selbst zum Schluß verweigerten Wulff noch 19 schwarz-gelbe Wahlleute ihre Stimme.

Die offene Rebellion auf dem Stimmzettel mit einem finalen Desaster konnte gerade noch einmal abgewendet werden. Das Gespann Merkel-Westerwelle bekommt in buchstäblich letzter Runde noch die Kurve. Doch auch aus dieser Geisterfahrt gehen die beiden Berufspolitiker alles andere als gestärkt heraus. Zwar sind die beiden Frontleute noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen, doch die Blessuren schwellen nach. Die beiden Brillenhämatome sind ein erneutes Signal der Orientierungslosigkeit der Regierenden, ein Zeichen der Schwäche der parteipolitischen Führung dieser Bundesrepublik, der es nicht nur an Gold und Geld mangelt, sondern auch an professionellem Personal im Staat.

Noch kurz zur Opposition, die sich nicht mit Ruhm bekleckert hat. Weil sich SPD und Grüne nicht mit der Linkspartei abstimmten und keinen gemeinsamen Oppositionskandidaten fanden, sind die 121 Enthaltungen im dritten Wahlgang überwiegend bei der Linken zu suchen. Dabei hatten die Linken so sehr darauf gewartet, doch Siegmar Gabriel und Jürgen Trittin erwiesen sich wieder einmal als laienhafte Nichtkönner, taktierten kurzsichtig. Rot-Grün wird in einem Fünf-Parteien-Parlament mit einem derartigen Dilletantismus nie Erfolge feiern, weil sie erstens nicht können und – so scheint es – zweitens nicht wollen.

Für einen gemeinsamen Kandidaten aller drei Oppositionsparteien, der zudem noch von der einen und anderen Stimme aus den Koalitionsparteien gewählt worden wäre, hätte es gereicht. Daß eine derart schwache Koalition um Merkel, Westerwelle und Seehofer erneut als Sieger vom Platz gingen, wenn auch mit einem knappen Ergebnis, konnte nur funktionieren, weil die Oppositionellen noch schwächer waren. Und daran wird sich auf absehbare Zeit wenig ändern. Müssen sich die Koalitionäre also selber schlagen, woran wir keinen Zweifel hegen.

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