Der Schuh von „meiner“ Kuh – Meindl beschreitet neue Wege zur Identität am Fuß – Ein langer Weg vom Rohstoff zum Endprodukt

© Meindl

Mit ähnlichen Techniken verarbeitet man auch vor 100 Jahren in Europa Tierhäute, man konnte das in den Städten riechen. Da der strenge Geruch aus vielen ortsansässigen Gerbereien störend war, entwickelte sich z. B. Grasse in Südfrankreich nach und nach zur Stadt der Parfums. Man wollte den unangenehmen Geruch aus den Gassen vertreiben, etwas Positives entgegenstellen. Heutzutage arbeiten die bekanntesten europäischen Parfumhersteller dort in der Provence.  

Aktuelle Bergschuhmodelle renommierter Marken sind heutzutage Produkte, die nicht nur beste Materialien zur Herstellung erfordern, sondern wo auch wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse Anwendung finden: Abrollverhalten von Sohlen, Rutschfestigkeit, Atmungsaktivität, Schnürsysteme, Fußbette usw. Im Zeitalter des Trendsports, wo Trekking und Bergtouren aller Schwierigkeitsgrade sehr beliebt sind, ist schon die Auswahl der Leder zur Schuh- oder Stiefelherstellung eine besondere Herausforderung. Der traditionsreichen Firma Meindl in Kirchanschöring im Chiemgau ist Kundenbindung und Umweltfreundlichkeit besonders wichtig. Sie arbeitet daher seit langem mit einer Gerberei in derselben Region zusammen, die ökologische und qualitätsrelevante Kriterien erfüllt. Es sind etwa 30 Arbeitsschritte vom Rohmaterial Tierhaut bis zum Produkt, das an die Schuhfabrik ausgeliefert wird. In Mitteleuropa wird Leder heutzutage wesentlich umweltfreundlicher gegerbt als etwa in Nordafrika. Aus Qualitätsgründen kauft die Lederfabrik Heinen ausschließlich zentral europäische Häute männlicher Tiere in einer besonderen Gewichtsklasse. Diese haben speziell im Bauchbereich eine dickere und vollere Hautsubstanz und weniger Adern auf der Oberfläche. Bis zur Gerbung ist das Hautmaterial verderblich. Erst durch den Gerbprozess wird es haltbar gemacht. Dieser Prozess setzt sich aus fünf einzelnen Schritten zusammen, die hintereinander im Gerbfass ablaufen. Die Lederfabrik gerbt mit Chrom, dem weltweit meistverwendeten und umweltfreundlichsten Gerbstoff. Chrom ist ein natürliches, ungiftiges Element, das wir z. B. auch mit unserer Nahrung aufnehmen.

Um dem Leder den vom Kunden gewünschten Charakter und bestimmte technische Eigenschaften zu verleihen, werden in der Nachgerbung weitere Gerbstoffe zugesetzt.
Sie beeinflussen die Weichheit, den Griff, die Reißwerte, die Elastizität und andere Eigenschaften. Im weiteren Verlauf werden Farbstoffe zugegeben, um den gewünschten Farbton auf der Lederoberfläche zu erzielen. Jede während des Gerbens beigegebene Komponente wird dabei mit einem Identifikations-Code versehen. Die zur Trocknung benötigte Energie wird durch gezielt genutzte Abwärme anderer Arbeitsprozesse gewonnen – so wird kein unnötiges CO2 freigesetzt. Durch den Entzug der Feuchtigkeit binden sich vorher zugegebene Produkte besser an die Hautfasern. Das gibt dem Leder später einen angenehmeren Griff.

Damit Kunden wie z. B. Schuhfabriken das Leder besser weiterverarbeiten können, wird es auf der Rückseite mit Sandpapier maschinell geschliffen. So werden ungewünschte längere Hautfasern entfernt, die bei einer späteren Verklebung der Leder die Qualität des Endproduktes negativ beeinflussen könnten. Schleift man ein Leder auf der Vorderseite, so entsteht „Nubuk“. Aufgrund der angerauten Oberfläche ist Nubuk besonders robust und strapazierfähig. Kratzer fallen weniger auf als bei Glattleder, weshalb sich Nubuk besonders für den Einsatz im Outdoor Bereich eignet.

Umweltschutz von Anbeginn

Der Einsatz CO2-neutraler Energien, Wasserschutz, der verantwortungsvolle Umgang mit Chemikalien, aber auch soziale Aspekte sind besondere Schwerpunkte während der Herstellung. Gerade Deutschland – wo Wasser scheinbar im Überfluss vorhanden ist – kommt im Umgang mit der Ressource Wasser eine Vorbildrolle zu, da bei der Lederherstellung große Mengen von Wasser benötigt werden, das mit vielen hochwirksamen Substanzen in Berührung kommt. Der Energieverbrauch unserer Gesellschaft setzt Unmengen von C02 frei.
Das belastet unsere Umwelt und gefährdet das Klima unseres Planeten. Die Lederfabrik Heinen bezieht daher ganz bewusst hundert Prozent ihres Stromes aus regenerativen und CO2 -neutralen Energiequellen! So wird bereits vor Arbeitsbeginn eine nicht unerhebliche Menge CO2 eingespart. Zusammen mit Logistikpartnern, Kunden und Lieferanten arbeitet man täglich daran, die Warentransporte so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten.

Identity Leder

„Für ein ganz besonderes Produkt mussten wir neue Wege gehen“ erinnert sich Thomas Heinen noch gut daran, als man mit Meindl das erste Mal über die Idee Identity-Leder sprach. Eine Idee, die alles bisher Dagewesene und Vorstellbare in den Schatten stellte. Eine Idee, die so noch nie realisiert wurde und eine Gerberei an die Grenzen des Machbaren führt. Das ohnehin schon besonders umweltfreundliche Gerbverfahren musste weiter optimiert werden, um das Leder so schonend und ökologisch wie irgend möglich zu behandeln, und dabei jedes einzelne Stück dokumentieren und kennzeichnen, um es später genau der Herkunftshaut zuordnen zu können. Heute kann man als einzige Gerberei weltweit für jedes Leder der Identity-Schuhe die genaue Herkunft garantieren und damit den Ursprung jeder verarbeiteten Haut lückenlos nachweisen.

Von der Vision zur Innovation

Wohl kaum ein anderer Kundenbereich ist naturverbundener als der Outdoorbereich. In den letzten Jahren sind die Anforderungen an geeignete Produkte immer stärker gestiegen und immer lauter wurde dabei der Wunsch der Kunden nach Nachhaltigkeit und ökologischen Produkten; Fragen wie: Woher stammt das Oberleder meiner Schuhe? Von welchem Tier wurde das Leder gewonnen? Diese oder ähnliche Fragen konnten oft nur unzureichend beantwortet werden.

Die Produktion von  „Identity-Leder“ war schließlich die Umsetzung der Vision zum schlüssigen Endprodukt. Damit hat man die modernste Innovationen im Schuhbereich im doppelten Sinne des Wortes auf den Weg gebracht. Wichtig ist dazu eine regionale, ökologische und lückenlose Kette aller Zulieferer und Partner. Entstanden ist ein Konzept, das so individuell und einzigartig ist wie das Naturprodukt Leder selbst. Angefangen auf der Almwiese, auf der die Rinder ökologisch einwandfrei weiden und leben. Nur bestes Material von Ökorindern werden dabei verwendet. Dort erhalten die Bio-Häute ihre Identity-Nummer. Diese Nummer bleibt auch bei der Weiterverarbeitung bis zum fertigen Schuh erhalten. Doch was bedeutet schon alle Nachhaltigkeit, wenn der regionale Gedanke durch lange Transportwege ad absurdum geführt wird? Dank der geografisch guten Lage des Produktionsbetriebs im Chiemgau zur Grenze des Salzburgerlandes hatte man alle Einzelschritte, die für dieses besondere Leder nötig sind fast in Blickweite,  ob dies nun die Almwiesen sind, auf den die Rinder grasen, bis hin zum Bioschlachthof im Salzburgerland oder die Gerberei Heinen, mit der man schon seit vielen Jahrzehnten verbunden ist.

Die Identifikationsnummer gibt dem Kunden eine lückenlose Übersicht über die genaue Herkunft des verwendeten Oberleders. Dadurch erhält jeder Schuh seine einzigartige Persönlichkeit. Eine Nummer, die dem Schuh seine Vita, seine individuelle Geschichte verleiht. Auf der Homepage des Herstellers und der Identity-Website kann die Identifikationsnummer eingegeben werden und schlüsselt lückenlos die Entstehungsgeschichte des Schuhs auf. Vielschichtige Identität am Fuß: ein Schritt in die richtige Richtung, Identität mit dem Rohstoff und mit der Produktion. Nun muss nur noch das passende Modell eingelaufen werden.

Weitere Informationen unter : www.meindl.de und www.heinen-leather.de

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