Der Odem der Liebe – „Ralph und Carol – Noch einmal verliebt“ – Ein Fest im Renaissance-Theater

Lächerlich oder peinlich ist nichts an dieser späten Romanze. Der 81jährige Otto Schenk als Ralph wandelt mit  unwiderstehlich jungenhaftem Charme auf Freiersfüßen. Anfänglich zeigt er sich als wortkarger Eigenbrötler, ein Witwer, der mit seiner dominanten Schwester zusammen wohnt.

Aber dann erscheint Carol, eine weißhaarige, grazile Frau, schön wie eine Märchenfee. Von Christine Ostermayer, hochelegant im cremefarbenen Kostüm, geht ein verzauberndes Strahlen aus. Sie bewegt sich leichtfüßig, fast schwebend, setzt sich mit erkennbarem Misstrauen auf eine wohl nicht ganz saubere Bank, entnimmt ihrer schicken Handtasche ein Strickzeug und arbeitet mit weiß behandschuhten Händen an einem Mäntelchen für ihren Chihuahua-Mischling Kiwi, dem sie gelegentlich etwas zuruft.

Der Hund ist gar nicht auf der Bühne, er hat erst viel später einen einzigen Auftritt, und es gibt dort auch keine Bank. Bühnenbildner Rolf Langenfass, ebenfalls für die Kostüme zuständig, hat lediglich eine Stufe konzipiert, die als Sitzgelegenheit dient und die Bühne in zwei Ebenen unterteilt. Einstimmung auf die Park- und Verliebtheitsszenerie bietet vor Beginn der Titel des Stücks in kunstvoll verschnörkelten Graffiti auf dem Vorhang.

Die Ausstattung und die Handlungsorte werden sichtbar durch die Dialoge und das Spiel der AkteurInnen. Sogar die bewegte, lärmende Menschenmenge und die hupenden Autos vor dem Flughafen, wo das Liebespaar sich trennt, werden auf diese Weise deutlich.

Zunächst ist Carol abweisend. Um mit ihr ins Gespräch zu kommen, behauptet Ralph, Hundebesitzer zu sein und erklärt einen der herumtollenden Vierbeiner, selbstverständlich ein Prachtexemplar von beachtlicher Größe, für seinen eigenen. Das nützt Ralph ein bisschen, schadet ihm aber noch mehr, als die Wahrheit ans Licht kommt.

Otto Schenks Ralph ist rührend in seiner Unbeholfenheit gepaart mit dem verzweifelten Entschluss, die anscheinend vergebliche Werbung fortzusetzen. Immerhin findet ein weiteres Treffen statt. Dazu hat Ralph seinen Sonntagsanzug angezogen, in dem er jedoch neben der vornehmen Dame immer noch einen recht kläglichen Anblick abgibt.

Schließlich gelingt es ihm, Carol zum Lachen zu bringen. Damit beginnt das Eis zu schmelzen. Carols reservierter Ton bekommt einen Anflug von Koketterie, und dann schwingt darin Herzlichkeit mit und das erwachende Interesse an der Person des närrischen Verehrers.

Der kann sich später als Held erweisen, wenn er Carols entlaufenen Hund wiederfindet. Ralph lässt Carol aber auch teilhaben an der ihr fremden Welt der Oper. Carol hat nie eine Oper gehört, und da sie unter Flugangst leidet, war sie niemals in Europa. Ralph, an seinem Akzent  als gebürtiger Italiener erkennbar, ist leidenschaftlicher Opernliebhaber. Mit seiner Frau hat er die berühmten europäischen Opernhäuser besucht. Nur der Plan, die Mailänder Scala zu erleben, konnte nicht mehr realisiert werden, weil Ralphs Frau krank wurde und starb.

In seiner Jugend wollte Ralph Sänger werden, hat erfolgreich an der Metropolitan Opera vorgesungen, aber engagiert wurde er dann doch nicht. Mit der Liebe zu Carol werden auch Ralphs frühere Träume und Hoffnungen wieder lebendig. Sein Alter ego erscheint auf der Bühne, ein schöner junger Mann (Thomas Weinhappel), der mit strahlender Stimme italienische Opernarien singt.

Das Liebespaar schwelgt in Seligkeit, und weil Ralph und Carol wissen, dass sie zu alt sind, um noch Zeit verlieren zu können, oder auch, weil sie wieder jung sind und voller Ungeduld, wollen sie sofort in ein ganz neues gemeinsames Leben aufbrechen.

Aber da ist auch noch Ralphs Schwester Rose, die entschlossen ist, Ralph vor einer Enttäuschung zu bewahren. Ingrid Burkhard gestaltet Rose als eine tatkräftige Frau, die ihren Bruder bekocht und mit mütterlicher Fürsorge beherrscht. Rose ist verbittert, weil sie vor zwanzig Jahren von ihrem Mann verlassen wurde, dem sie  aus Rache immer noch die Scheidung verweigert. Sie hat jetzt nur noch Ralph. Mit ihrer zur Schau getragenen Härte und Entschlossenheit überdeckt Rose ihre Angst vor dem Alleinsein, ihre Unsicherheit und Verletzbarkeit, die Ingrid Burkhard sehr anrührend spürbar macht.

Der schöne Traum, in dem Ralph und Carol eine kurze wundervolle Zeit gelebt haben, kann am Ende nicht Wirklichkeit werden, aber das Leben der Beiden hat sich verändert durch diese Liebe, und  ganz aussichtslos ist die Hoffnung auf ein gemeinsames Glück wohl auch nicht.

Die melancholische Komödie des US-amerikanischen Autors Joe DiPietro wurde 2010 am Old Globe Theatre in San Diego uraufgeführt. Dieter Berner hat das Stück am Theater in der Josefstadt Wien mit einem wundervollen Ensemble mit poetischer Leichtigkeit inszeniert. Bei der Premiere im Renaissance-Theater gab es begeisterten Applaus und  Standing Ovations.

„Ralph und Carol – Noch einmal verliebt“ von Joe DiPietro, eine Produktion des Theaters in der Josefstadt in Zusammenarbeit mit dem Renaissance-Theater Berlin hatte am 21.09. Premiere im Renaissance-Theater. Nächste Vorstellungen: 16.10., 18 Uhr und 17. – 19.10. jeweils 20 Uhr.

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