Der neue Jaguar XJ: Bye, bye Tradition, hier kommt die Zukunft – Serie: In Wiesbaden entdecken wir vom Weltexpress die wunderbare Welt der Raubkatzen (Teil 2/3)

Der neue Jaguar XJ vor der Villa Söhnlein in Wiesbaden.

Bei allem Für und Wider um den neuen XJ ist eines völlig klar: ein Eye-Catcher, ein Hingucker ist das über fünf Meter lange „Traumschiff“ aus dem Hause Jaguar Landrover noch immer. Die Größe und Eleganz des Jaguars XJ, der geduckt und sprungbereit wirkt wie nie zuvor, ist noch immer Aufsehen erregend. Einen Jaguar gibt es halt nicht an jeder Ecke zu sehen. Deshalb saugten sich auf unserer Testfahrt immer wieder die Augen der Passanten an unserem noblen Gefährt fest, als Jaguar Deutschland unlängst den neuen XJ, zusammen mit seinen Schwestermodellen XK und XF, in und vor der Villa Söhnlein (die Schaumweindynastie), dem „Weißen Haus“ Wiesbadens, in angemessen stilvollem Rahmen präsentierte.

What’s new, pussycat?

Was ist also neu am aktuellen XJ? Zunächst einmal fällt die auch unter veränderten Bedingungen gelungene Mixtur aus muskulöser Sportlichkeit und dennoch deutlich sichtbarer Eleganz ins Auge. Die lang gezogenene, tropfenförmige Fensterpartie der Seiten lässt die immerhin 5,10 Meter messende Luxus-Limousine schlank und grazil wirken. Der massive Kühlergrill wird als gelungener Kontrast von vier halb blinzelnden Xenon-Scheinwerfern flankiert, die den Eindruck von schlummmernder, aber stets abrufbereiter Sprungkraft und Angriffslust vermitteln. Nicht ganz überzeugt hat uns die Gestaltung der Heckpartie, die zwar einerseits auf Schlichtheit setzt, indem sie auf die Strahlkraft des Jaguar-Emblems vertraut, insgesamt aber nicht wirklich innovativ, sondern eher durchschnittlich wirkt.

Während der Fahrt zeigt sich die durch einen Alu-Rahmen im Vergleich zur Konkurrenz von Maserati, BMW und Mercedes 150 kg leichtere Limousine, dass die sprungbereite Katze auch beißen kann: Selbst bei Tempo 130 zieht der Wagen noch spontan und agil an jedweder Konkurrenz vorbei, man hat stets das Gefühl, noch ein Körnchen in Reserve zu haben. Kein Wunder, denn die neueste XJ-Generation ist so stark motorisiert wie noch nie zuvor: Nicht nur die stärkste der drei Motorvarianten, einem mit Kompressor arbeitenden V8-Motor mit 510 PS, auch die Ausführungen 3.0-V6-Diesel mit 275 PS und der etwas schlanker ausgelegte Saug-Motor 5.0-V8 mit 385 PS lassen keine Wünsche in punkto Spritzigkeit und Schnellkraft aufkommen.

Ein großes Panorama-Glasdach, das sich im vorderen Bereich öffnen lässt, ist ein zentraler Bestandteil des neuen Jaguarkonzepts. Es verhilft dem neuen XJ zu einer flacheren und damit aerodynamisch günstigeren Kontur. Zudem wirkt der Innenraum auf diese Weise heller und geräumiger. Zusätzlichen Platz bietet die neben der Standardversion erhältliche XJ-Variante mit langem Radstand, die noch einmal 125 Millimeter Beinfreiheit im ohnehin großzügig bemessenen Fond verspricht.

Unterwegs wie im High-Tech-Wohnzimmer

Das Interieur des neuen XJ ist durch die Verwendung von ausschließlich edlen Materialien ein echter sinnlicher Genuss. Wie könnte es auch anders sein: Die Kombination aus Luxus, Sportlichkeit und Komfort gefiel uns auf Anhieb. Wir waren so beeindruckt, dass wir vor antritt der Fahrt einige Zeit zum Ausfahren der Seitenspiegel benötigten. Hat man das aber einmal gemacht, geht es ganz schnell.

Die spürbare Klasse des Wagens ergibt sich aus dem interessanten Kontrast zwischen Elementen aus Chrom und Klavierlack und hochwertig verarbeiteten Leder- und Holzoberflächen. Insgesamt weist das Ambiente weit über die Standards normaler Autokabinen hinaus: Modernste Technik wohin man auch blickt. Und das wird spätestens dann für Traditionalisten zum Problem wenn es um die Motoranzeigen geht. Die Instrumente des neuen XJ: es gibt sie nämlich nicht mehr. Zumindest nicht in richtig echter Ausführung.

Im Mittelpunkt steht hingegen ein hochauflösendes TFT-Display mit beachtlichen 12,3 Zoll auf dem die ehemals realen und analogen Anzeigen virtuell aufgespielt werden. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber durch die hohe Mattigkeit der Anzeige auch bei direkter Sonneneinstrahlung zumindest kein visuelles Problem. Dennoch geht Jaguar gerade mit dieser technischen Innovation ein gewisses Risiko ein, denn nicht wenige erwarten von einem Jaguar XJ zu Recht einen Distinktionsvorsprung, der sich bei allem technischen Komfort auch über klassische Schönheit ergibt. Letztlich ist das eine Frage persönlicher Vorlieben, am Ende des Tages hatten wir uns schon mit der neuen Darstellungsform angefreundet, allein schon deshalb, weil sie ungeheure Möglichkeiten der Personalisierung bietet. Wer sein Navi neben seinem Tacho angezeigt haben möchte, der kann das per intuitiver Steuerung sehr einfach festlegen, die moderne Technik hat eben auch deutliche Vorteile.

Ergänzend dazu befindet sich in der Mittelkonsole ein 8-Zoll-Touchscreen mit Dual-View: ein geteilter Bildschirm, der die gleichzeitige Nutzung verschiedener Medien und Informationsgeber von Fahrer und Beifahrer ermöglicht.

Wenn sich der Beifahrer also wider Erwarten langweilt, kann er zum Beispiel ungestört eine DVD genießen, während der Fahrer sich voll und ganz auf das Navi und den Verkehr konzentrieren kann, denn eine Spezialmaske lässt keine ablenkenden Bilder von der anderen Seite zu.

Der absolute Höhepunkt ist in unseren Augen das von „Bowers & Wilkins“ entwickeltes Surround-System mit 1200 Watt Leistung, das in punkto Klangwiedergabe die meisten Heimanlagen blass werden lässt. Wir hörten HipHop und Klassik und können sagen, dass sowohl Cypress Hill als auch Anton Bruckner extrem amtlich rüberkamen.

Insgesamt bietet der XJ vier Innenraumvarianten: Luxury, Premium Luxury, Portfolio und Supersports. Besonders luxoriös ist die von uns gefahrene „Supersport“-Variante mit einem in Leder ausgeschlagenen Dachhimmel, Semi Annilin Ledersitzen und lasergeschnittenen Holz-Intarsien.

Fazit

Der neue Jaguar XJ ist ein insgesamt äußerst gelungener Wurf, der das in die Jahre gekommene Jaguar-Konzept in die Zukunft überführt und damit neuen Käuferschichten eröffnet. Sicher wird der eine oder andere Traditionalist diesen Schritt nicht mitgehen, wem aber ein Audi zu bürokratisch und ein Bentley zu schwerfällig ist, hat mit dem Jaguar XJ ein Auto zur Verfügung, das auf sehr selbstbewusste und eigenständige Art neue Maßstäbe in der Luxusklasse setzt. Ein Jaguar ist auch nach der Radikalkur im Design immer noch etwas  ganz Besonderes.

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