Der große Popmusik-Schwindel – “Hannah Montana – Der Film“ zerrt Miley Cyrus aus der Fernsehserie auf die Leinwand

“Hannah Montana” existiert gar nicht. Die berühmte Popsängerin ist das Bühnen-Ich der Jugendlichen Miley Stewart (Miley Cyrus), die so Popstarleben und Schülerinnendasein verbinden will. Nicht etwa aus Bescheidenheit. “Zeig drauf und es gehört dir.”, fordert Mileys Assistentin Vita (Vanessa Williams) das Mädchen auf, sich mit Werbegeschenken von Luxusmarken einzudecken. Das Dilemma eines gewöhnlichen Mädchens, welches von beflissenen Werbestrategen auf Popidol umgemodelt wird, erlebt vielleicht Miley Cyrus mit ihrem Manger/ Vater Billy Ray Cyrus  hinter den Kulissen, nicht davor. “Das Beste aus beiden Welten”, will sie, singt “Hannah  Montana” im Einleitungssong. Als Popsternchen muss Miley/Hannah nahezu alles in Liedern ausdrücken. Die sind so platt wie die Dialoge. Von der Magie eines Musicals  haben die undynamischen Tanzszenen  in “Hannah Montana” nichts. Miley muss ihre Großmutter (Margo Martindale) auf dem Land besuchen, soll sich zwischen Popkarriere als “Hannah Montana” und normaler Existenz entscheiden und verknallt sich in den auf Klein-Robert-Redford getrimmten Travis (Lucas Till). Doch als jungfräuliche Amerikanerin darf sie den Schmalzlockigen nicht mal antippen. Ein paar Seriennebenfiguren haben Kurzauftritte, ansonsten müssen sich Serienfreunde mit einer Überdosis Miley Cyrus begnügen. Sie und ihr Film/Real-Vater B. R. Cyrus/ Stewart sind in nahezu jeder Szene der überlangen Fernsehepisode, deren Witzchen sich hauptsächlich auf Hinfallen und überall herunterpurzeln beschränken.

Einerseits wünscht man sich nichts weniger, als die ätzende Popsängerin “Hannah Montana” schon wieder zu sehen. Andererseits würde dann immerhin die noch nervigere Miley Stewart von der Bildfläche verschwinden. Unglaublich, aber wahr, Miley und Hannah sind ein und dieselbe Person. Die Macher der erfolgreichen TV-Serie “Hannah Montana” vertreten die Ansicht, eine andere Haarfarbe mache einen Menschen selbst für enge Bekannte unkenntlich. Clark Kent erkennt ohne Brille ja auch keiner als Superman und Manga-Figuren kann man oft nur an ihren Frisuren unterscheiden. Wieso das Ganze nicht auf eine moderne Fernsehheldin übertragen? Sind die Normalbürger aus “Hannah Montana” so verblendet, damit sich die Seriengucker besonders scharfsichtig vorkommen dürfen? Tatsächlich ist Mileys notdürftige Verkleidung das I-Tüpfelchen auf dem Lob der Oberflächlichkeit von Serie und Film. Du bist, wonach du aussiehst: Mit blonder Perücke als “Hannah Montana” ist Miley arrogante Zicke, mit brünettem Haar, welches ebenfalls verdächtig nach Perücke aussieht, ist sie sensibles Kleinstadtmädchen. Die Wandlung vollzieht sich so unmittelbar nach dem Auf- und Absetzen der Kunsthaare, dass es gespenstisch ist. Noch deutlicher wird dies in der Fernsehserie. Auch Mileys Freundin Lily nimmt hier mittels Perücken Scheinidentitäten mit Pseudonymen an.

„Sie hatte von zwei Welten immer nur das Beste.“, verkündet die Werbezeile auf dem Filmplakat. Wie aufregend. „Nun muss sie sich für eine entscheiden.“ Tut Miley alias Hannah aber nicht. Ganz im Gegenteil wird die Unverzichtbarkeit der Doppelexistenz zementiert. “Hannah! Hannah!”, skandieren die Fans zum Höhepunkt der Handlung, als Miley lieber Miley statt Hannah sein will. Ein Moment von kongenialer Paradoxie. Die vorgebliche Bestätigung ist tatsächlich ultimative Ablehnung. Das Kunstprodukt “Hannah Montana” ist den Menschen lieber, nicht nur Fremden, sondern Mileys Nachbarn und Freunden. Die echte Miley will niemand. Aber existiert die überhaupt? Miley Stewart, ein normales Mädchen, welches zeitweise eine Popsängerin ist, wird gespielt von Miley Cyrus, beworben als normales Mädchen, welches zeitweise eine Serienheldin und Popsängerin ist. Selbst ohne den gemeinsamen außergewöhnlichen Vornamen wäre das verdächtig. Neben haufenweise  “Hannah Montana” – Fanartikeln soll vor allem Miley Cyrus vermarktet werden. Und zwar von Papa Billy Ray Cyrus, der sich in Serie und Spielfilm als idealisierter Traumvater selbst spielt. Seit Kinderstar Macaulay Culkin wurde kein Jungdarsteller derartig vermarktet. Culkin spielte zuletzt übrigens ziemlich erfolgreich am Theater. Vielleicht hat die echte Miley ja noch eine Chance.

Titel: Hannah Montana -Der Film
Start: 1. Juni
Regie: Peter Chelsom
Drehbuch: Dan Berendsen
Darsteller: Miley Cyrus, Billy Ray Cyrus, Vanessa Williams, Emily Osment
Verleih: Walt Disney
www.hannahmontana-derfilm.de

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