Der Elch kann überall sein – Sommerliche Eindrücke in Schweden

© Foto: Rainer Hamberger

Moschusochsen sind entfernte Verwandte der Ziegen, genetisch. Ein zweieinhalb Meter langes und über 400 Kilogramm schweres männliches Exemplar würde man kaum mit einer zierlichen Ziege in Verbindung bringen. Das dichte Fell besteht aus mehreren Schichten. Besonders warme Wolle wird aus dem Unterfell gewonnen. Eine aufwändige Angelegenheit. Decken und Kleidungsstücke haben deshalb auch ihren Preis.
Das Muskox Center in Tännäs hat es sich zur Aufgabe gemacht gesunde Tiere aufzuziehen um sie dann aus zu wildern. Von einer Rampe aus kann man die kleine Herde, bestehend aus zwei weiblichen Tieren mit einem Jungen und dem mächtigen Bullen, eingehend beobachten.
„Härlige Härjedalen“ heißt es auf dem Schild neben der Straße. Die Gegend um Tännäs, Funäsdalen, Vemdalen und Sveg im mittleren Teil Schwedens ist geprägt von Wald, Seen und Bergen. Eine „härlige“ Landschaft; im Sommer zum Wandern, im Winter zum Skifahren.
Schon vor etwa einer Woche sind wir mit der Stena-Linie von Fredrikshavn nach Göteborg übergesetzt. Hier an Schwedens beliebter Schärenküste verspürt man kein hektisches Großstadttreiben. Die Innenstadt erstreckt sich entlang historischer Kanäle und die meisten Sehenswürdigkeiten sind zu Fuß erreichbar. Einen Besuch wert ist unter anderem die Fischmarkthalle – feskekörka-, ein markantes kirchenähnliches Gebäude aus dem Jahr 1873 wo frischer Fisch und Meeresfrüchte erster Qualität angeboten werden. Wer von einer Reise durch Schweden ständig wechselnde Landschaften und aufregende Städte erwartet, sollte sie lieber gar nicht antreten. Gerade diese Unaufgeregtheit macht den Erholungswert aus. Zudem ist Autofahren das reine Vergnügen, da es auf breiten Straßen sehr diszipliniert verläuft. Geschwindigkeitskontrolle ist jedoch anscheinend ein wichtiges Thema, was man aus den zahlreich installierten Radarsäulen schließen kann.

Geruhsames Reisen in weiter Landschaft

© Foto: Rainer HambergerVon sieben Millionen Schweden wohnen die meisten im Süden des Landes, wo sich auch die an der Ostküste liegende Weltstadt Stockholm befindet. Von den Wikingern bis zu Nobelpreisträgern; das Land hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Das moderne Leben heute ist geprägt von einer offenen und toleranten Einstellung. Gehälter sind im Internet einsehbar. Frauen sind meistens berufstätig, denn sie müssen für ihre Altersversorgung selbst aufkommen. Einwanderern gegenüber verfolgt man eine strickte Integrationspolitik. Schweden gehört zu den Ländern Europas die gemessen an der Bevölkerungszahl die meisten Flüchtlinge aufnimmt.
Ein Blick auf die Karte zeigt: das lang gezogene Land, im Westen flankiert von Norwegen, im Osten von Finnland,  ist geprägt von sehr unterschiedlichen Landschaftsformen. Das im Süden liegende Schonen erinnert stark an die aus Norddeutschland bekannten Tiefebenen. Zahlreiche Seen lockern das dichte Waldland Mittelschwedens auf. Ausgedehnte Fjellgebiete und Felsen begegnen uns im Norden, wo auch die Samen mit ihren Rentieren beheimatet sind.
Auf dem Weg nach Norden von Göteborg kommend erreicht man bald Schwedens größten See, den Vänern. Er liegt 44 Meter über dem Meeresspiegel und ist 106 Meter tief. Eingebettet in die historischen Provinzen Dalsland, Värmland und Västergötland ist er der drittgrößte See Europas. Landschaftlich sehr schön die Schärengärten entlang dem Ufer mit ca. 22.000 Inseln.
Anscheinend uninteressiert an Besuchern der Moose Ranch knabbern die Elche das Grün von Ästen oder kratzen sich mit den mächtigen Schaufeln an juckenden Stellen im Fell. Das Wappentier Schwedens lässt sich in der Nähe von Dals-Ed beinahe auf Augenhöhe bestaunen. Meistens sind  Elchbegegnungen wenig erfreulicher Art. Zusammenstöße der tonnenschweren Tiere mit Autos gehen für beide Teile nicht gut aus. Von den ca. 400.000 frei lebenden Elchen wird jedes Jahr ein Viertel zur Jagd freigegeben. Ihr Fleisch schmeckt vorzüglich. Da Wolfsrudel als natürliche Feinde kaum mehr geduldet werden, muss der Mensch regulieren.

Wilde Weiten des Nordens

© Foto: Rainer HambergerBretterwege führen über sumpfiges Moorgelände vorbei an Flechten bewachsenen Felsen. Fulufjäll, einer von zahlreichen Nationalparks in  Schweden, ist noch relativ jung. Erst seit dem Jahr 2002 stehen die 385 Quadratkilometer unter besonderem Schutz. 140 Kilometer markierte Wanderwege und 15 Rasthütten, teilweise mit Übernachtung, ermöglichen ein ausgiebiges Erkunden dieser für Schweden so typischen Landschaft. Keine Beweidung durch Rentiere ermöglichte die Bildung eines dicken Teppichs von Flechten. Bequem erreichbar ist auch Schwedens höchster Wasserfall der mit 93 Meter in die Tiefe stürzt. Der Landschaft architektonisch angepasst ist das „Naturum“. Fotos und Naturtöne zeigen die dort heimische Flora und Fauna zu allen Jahreszeiten.
Das Storsjö-Ungeheuer zeigt sich der Legende nach meistens an Sommertagen, wenn der Storsjön glatt und still daliegt. Mit raschen Bewegungen auf der Wasseroberfläche bewegt es sich pfeilschnell. Von weitem gleicht es einem Schlangentier mit Buckeln und einem kleinen Kopf, Ohren und Flossen an den Hals gedrückt. Beim Blick vom Östberget mit einer Höhe von 468 Metern über dem Meeresspiegel auf der Insel Frösön sind jedoch nur vereinzelte Fischerboote zu sehen. Viele lichtarme Tage lassen allerlei Mythen aufleben.
Der auf der Insel gelegene Ort Frösön gehört heute zur benachbarten Stadt Östersund, hatte aber noch bis 1970 den Status eines köping, eines eigenständigen Marktfleckens und war Mittelpunkt des Handels in der Provinz Jämtland.
Man trifft viele junge Leute in Östersund. Das macht die Stadt so lebendig. Verschiedene Ausbildungsstätten, u.a. eine Universität, sind hier gebündelt, ebenso Einkaufszentren und medizinische Versorgung. Im Freilichtmuseum wird die Vergangenheit der Region zum Leben erweckt. Die Elchfarm Moose Garden beherbergt nicht nur Elche. Man kann dort auch übernachten und vom Fenster aus die Tiere beobachten.

„Alles wird umgesiedelt, das Rathaus, die Kirche, natürlich all die Wohnhäuser“, erfahren wir in der Tourismusinformation. Man hat nicht genügend Vorstellungsvermögen, sich diese Aktion auszumalen. Nötig ist dieser Schritt in Kiruna, Schwedens nördlichster Stadt, durch die sich ständig ausweitende Erzgewinnung. Anscheinend übersteigt der Ertrag die Kosten der Umsiedelung. Kiruna ist eine liebenswürdige Stadt mit zahlreichen Geschäften. Geplagt von extremen Wetterverhältnissen, bis zu – 30 ° C Kälte und Dunkelheit im Winter, ist sie trotzdem für Viele der Ort, wo es Arbeit  oder einen Studienplatz gibt in dem dünn besiedelten Nordschweden. An riesigen Abraumhalden vorbei führt die Straße Richtung Westen. Dann sehen wir die ersten Rentiere. Flechten und Moose sind ihre Hauptnahrung. Die gibt es hier im Überfluss. Wir sind unterwegs zur Kebnekaise-Fjällstation. Der höchste Berg Schwedens  der 2104 Meter hohe Kebnekaise kann von hier aus bestiegen werden. Die Fjällstation ist beliebter Ausgangspunkt für verschiedene Wanderungen. Angefangen hat es mit 18 Betten in zwei Räumen nach dem Vorbild alpiner Berghütten. Seit 2011 sind 198 Betten in sechs Gebäuden untergebracht, ebenso eine eigene Bäckerei, Restaurant und Sauna. Trotz des Nieselregens haben sich viele Bergsteiger auf den Weg nach oben gemacht. Zwei Tage planen sie für ihr Vorhaben ein und hoffen auf besseres Wetter.  Wir haben hier den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht.

Das Nieseln ist tiefliegenden Wolken gewichen. Mitte August ist die Saison vorbei. Auf der Suche nach einem Rentiergeweih halten wir an einem Haus neben der Straße. Hier wird alles verkauft: Fell, Geweihe, Fleisch und Würste. Der Besitzer, ein Same, ist wortkarg, vielleicht auch des Englischen nicht mächtig. Wir werden uns trotzdem handelseinig. Die Fahrt über das Fjell den Polarkreis überquerend ist gerade bei diesem Wetter ergreifend. Wohltuend die Einsamkeit, das Nicht-Vorhandensein einer Aufsehen erregenden Landschaft. Vielleicht nur für uns, nicht für die Samen, welche mit den dort weidenden Rentieren ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen.

Das letzte Fahrzeug ist in der Fähre untergebracht. Kurze Zeit darauf werden die Taue eingeholt und wir legen ab. Klein erscheinen die Autos über uns auf der Brücke, ein Wahrzeichen Göteborgs, die wir gerade „unterqueren“. Letzte Blicke auf die Stadt während wir die Schärenküste hinter uns lassend  das offene Meer ansteuern. In Geschäften und Restaurants des Schiffes herrscht Hochbetrieb. Jeder will sich informieren, was während der Überfahrt los ist. Das vielseitige  Angebot wird jeder Altersgruppe gerecht. Eine Oase der Ruhe ist unsere Kabine, die jeglichen Komfort bietet. Während des Frühstücks am nächsten Morgen laufen wir in die Kieler Förde ein. Nach dem Ausladen holt uns die Betriebsamkeit deutscher Straßen schnell ein. Dabei sind wir in Gedanken noch auf dem windumtosten Fjäll mit seiner endlosen Einsamkeit.

Informationen:

Anreise: Stena Line bietet auf verschiedenen Strecken günstige Verbindungen zwischen Deutschland und Südschweden an; www.stenaline.de

In Schweden: auf der offiziellen Website des Landes www.visitsweden.com/schweden
finden sich alle relevanten Informationen, auch über die Stadt Göteborg an der Westküste.; In den Bergen von Härjedalen gibt bei Tännäs in reizvoller Natur Apartments vermietet; www.tannaskroket.se

Reiseveranstalter: DERtour hat zahlreiche Reisebausteine zu Schweden in seinem Programm, von Einzelbausteinen, Ferienhäusern und kompletten Rundreisen bis zu Städteaufenthalten, Infos gibt es am einfachsten online unter www.dertour.de

Literaturhinweis: als Neuerscheinung „Die letzten Wildnisse der Erde- die faszinierendsten Nationalparks und Naturreservate der Welt“. Mit eindrucksvollen Bildern der weltbesten Fotografen präsentiert dieser Bildband die schönsten Nationalparks und Naturschutzgebiete der Erde aus spektakulären Blickwinkeln! Grandiose Naturaufnahmen der weltbesten Fotografen; ISBN 978-3-89944-993-8; 368 Seiten; gebunden, mit Schutzumschlag; 23,1 x 29,5 cm; 39,95 www.kunth-verlag.de

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