Das schöne China in Tusche, Wort und Musik, aber Dichter im Gefängnis – Serie: Die Frankfurter Buchmesse 2009 (Teil 2/3)

China, Ehrengast der Frankfurter

Es geht also um politischen Machtkampf in China, der aber so und so nicht verhindern wird, daß Menschen ob ihrer gesagten und gedruckten Meinung in China hinter Gittern kommen. Dagegen protestieren sehr eindrücklich und eindrucksvoll Chinesen in Halle 3, indem sie die Situation simulieren, dagegen protestierte erneut der PEN Deutschland in einer überfüllten Pressekonferenz, auf der auch der Vorsteher des Börsenvereins Gottfried Honnefelder deutliche Worte zur Freiheit des Wortes und zur Freiheit der Autoren fand. Herbert Wiesner, Generalsekretär des PEN sprach mit Zhou Qing, dem derzeitigen chinesischen Writers-in Exile-Stipendiat, der erneut die Gefährlichkeit ansprach, die in China offene Worte gedruckt oder gesprochen auslösen. Er wurde von Shi Ming, PEN-Präsidiumsmitglied in ein so wunderbares Deutsch gebracht, das wir das ausdrücklich würdigen wollen.

Wiesner protestierte erneut gegen die Inhaftierung des ehemaligen PEN-Präsidenten in China, Liu Xiaobo, dem sich aber auch alle anschlossen. Mit Amir Cheheltan kam auch ein verfolgter Iraner zu Wort und zumindest kam auch ein Satz zu den Menschenrechtsverfolgungen in Rußland. So sehr es richtig ist, jetzt zur Buchmesse den Finger auf die Menschenfreiheitswunde in China zu richten, so falsch ist es, die anderen Länder unerwähnt zu lassen. Und ganz falsch ist es schon, Europa nicht zu thematisieren, zum Beispiel die Zensur des Berlusconilandes gegenüber den Italieners Monaldi/Sorti, die nicht in Italien erscheinen dürfen, obwohl sie – harmlos – historische Krimis schreiben, die allerdings historisch verbürgte Machenschaften des Papstes enthüllten, was erst dem Vatikan, dann Berlusconi, dann seinem Verlag Mondadori nicht gefiel, weshalb sie verboten wurden. Auch dies bleibt ein Fall für den PEN, der sich schriftlich beim PEN-Italien bemüht hatte, aber wohl aufgegeben hat, was er nicht sollte. Der Zensur ist überall zu widersprechen, auch in Europa!

Im Forum der Frankfurter Messe, wo nun schon traditionell das jeweilige Gastland residiert, ist es bunt und symbolisch. Da gibt es die chinesische Mauer, hier aus Büchern, da gibt es einen allerliebsten Wörtersee, dessen Sprachwitz nur die Österreichkenner goutieren, da gibt es in Riesendimensionen Reispapier, einer der Träger von wunderbaren Tuschzeichnungen und Schönschreiberei. Nur Ai Weiwei ist nicht gekommen, der hier wohl bekannteste chinesische Künstler, u.a. auf der Documenta vertreten und gerade in München wegen einer Gehirnblutung operiert, Folgen der Prügel einer Polizeiaktion in China gegen ihn. Im Forum hat Li Jiwei eine Installation errichtet, in der mit digitaler Hilfe eine Rundumschlag chinesischer Schriftkultur sinnlich faßbar wird und aus Tusche Wörter werden, aus Wörter Büchern, aber auch zu E-Books gerinnen. Wobei die chinesischen Schriftzeichen schon für sich einen Bildcharakter haben, das sieht man beim Transformierungsprozeß auch mit europäischem Auge. In Vitrinen sind die zu Wörtern geronnenen Produkte zu bestaunen, die schon im 7. Jahrhundert der Tang-Dynastie Druckstöcke mit Kalligraphien zeigen. Xu Lin, die Präsidentin der Konfuzius-Institute in Deutschland, die es seit vier Jahren vergleichbar unseren Goetheinstituten im Ausland hierzulande gibt, hatte bei der Eröffnungspressekonferenz auf die engen Beziehungen der Chinesen zur deutschen Kultur und vor allem Literatur und Philosophie verwiesen. Und da sie Marx und Engels in den Mund nahm, konnte man sich wieder einmal über den Bedeutungsverlust der Deutschen in der Welt wundern.

Die chinesische Literatur und die anwesenden Dichter und Denker sowie Journalisten sind so vielfältig, daß wir auf die Buchhandlungen verweisen, die fast überall einen reichen und zur Buchmesse übersetzten Bestand aufweisen, wobei die Aktualität die Sachbuchthemen zeigen, die die Breite der chinesischen Verlagslandschaft darstellen, aber auch auf Exilchilenen in der ganzen Welt ausgedehnt ist. China, so sieht man auf der Buchmesse täglich, ist in Bewegung und die geht nach allen Richtungen, den staatlichen Dirigiergelüsten zum Trotz. Anders verhielt es sich bei der Chinesischen Eröffnungsgala in der Alten Oper, die nun auch schon traditionell Kultur des Gastlandes auf die Bühne bringt. Das war diesmal ein rein musikalisches Ereignis, das vom Shanghai Opernhausorchester unter Dirigenten Zhang Guyong Fernost und Rosenresli, das hier das Heideröslein war, vereinte und beides auf hohem Niveau, aber durchaus auch fetzig darbot.

Das Haus war nur mit Ehrengästen gefüllt, also denen, die vom Veranstalter eingeladen waren, überwiegend Chinesen, womit vielleicht zu erklären ist, daß der Auftakt mit Beethovens Egmont-Ouvertüre auf verhaltenen Beifall stieß, obwohl sehr anständig musiziert wurde, weil der Dirigent mit scharfem Taktstockeinsatz immer wieder Musikergruppen zu leiserem Spiel aufforderte, was gut tat, weil die einzelnen Instrumentengruppen so sehr gut zu Gehör kamen.Das war bei diesem in unseren Ohren abenteuerlich gemischtes Musikprogramm auch nötig. Wir hätten uns mehr oder sogar rein Chinesisches gewünscht, müssen aber ehrlich zugeben, daß Sopranistin Dilbèr und Tenor Wei Song – nomen est omen – Johann Strauß auf Deutsch und Puccini auf Italienisch perfekt boten. Die lyrischen chinesischen Stücke, die sie auch sangen, erscheinen unserem Ohr sehr harmonisch und fließend, ohne dramatische Höhepunkte eine allumfassende Musik. Verblüffend dann die Wiedergabe des Goeth’schen Heiderösleins in allen drei Strophen auf Chinesisch, sehr textnah geboten durch den Dortmunder Kinderchor.

Pianist Lang Lang war der Star des Abends und sein Auftritt war wirklich bemerkenswert. Das hat mit dem Spiel zu tun, aber auch mit der sehr zurückgenommenen, ja geradezu auffällig höflichen Haltung dem Orchester und dem Publikum gegenüber. Er spielte Teile des Klavierkonzertes „Yellow River“ von Xian Xinghai, 1939 in sechs Tagen komponiert, als der japanisch-chinesische Krieg tobte, den die Japaner begonnen und grausam durchgezogen hatten. Die Musik soll die Hingabe der Chinesen an ihr Land, an Menschen, Landschaften und ihre Geschichte ausdrücken und Lang Lang brachte diese romantische Musik mit energischem Anschlag in die Gegenwart zurück. Bei seiner Zugabe der Träumerei von Robert Schumann ließ er dann die Seele schweben. Zuvor hatte es zwei den Chinesen eigene Instrumente gegeben. Jiang Kemei spielte auf der Huqin, ein Gerät zwischen kleinem Kürbis, Geigentönen, auf jeden Fall Bogen und Gitarrenhals und einer enormen Wirkung, die vor allem bei schnellen Tempi kaum glaublich scheint. Tang Junquiao spielte auf der Bambusflöte und für uns waren diese rein chinesischen Stücke ein Ohrenschmaus, weil man in unseren Konzertsälen weder die Musik noch die Instrumente zu hören bekommt. Schade, daß es für dieses Konzert, wie bunt gemischt auch immer, keine Karten zu kaufen gab, denn Menschen, die ihre Karten kaufen, sind bessere und engagiertere Hörer als Repräsentanten, die sie gestellt erhalten.

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