Das Geschäft mit der Krankheit

Bekannt ist das Problem schon lange. Nicht nur Pauschal-Touristen, sondern auch Überwinterer und Ausländer mit zweitem Wohnsitz in der Südtürkei klagen über Abzocke in den Krankenhäusern, in denen Patienten ganz offen “Kunden” genannt werden.

Die Vorfälle gleichen sich: kleine Magenverstimmung, Ohrenschmerzen oder andere Unpässlichkeiten. Man sucht den Hotelarzt auf, und denkt, er wird eine kleine Untersuchung oder Behandlung durchführen. Stattdessen bestellt er den Krankenwagen, der den “Kunden” in das Krankenhaus bringt, für das er arbeitet. Mit anderen Worten, der Hotelarzt ist eigentlich nur dazu da, die Patienten in das Krankenhaus einzuweisen, mit dem er einen Vertrag hat. Nebenbei bemerkt, sind die Arztzimmer in den Hotels meist von Krankenhäusern angemietet, die dafür bis zu 80 000 Euro Miete pro Jahr bezahlen.

Gerhard Müller vom Auslandskrankenversicherer Mondial gab bei der Sendung “Frontal 21” im ZDF am 10. August 2010 folgendes Statement ab: “Dieses Schleuser-System ist teuer. Und so sind rund 40 Prozent aller Klinikabrechnungen aus türkischen Urlaubsgebieten betrügerisch überhöht. (”¦) Allein der finanzielle Schaden in türkischen Urlaubsgebieten liegt bei etwa acht Millionen Euro. Aber viel wichtiger ist natürlich der körperliche und gesundheitliche Schaden, den sehr viele Patienten auf sich nehmen müssen, durch falsche Behandlung, durch Übermaß-Behandlung, durch Willkürbehandlung von Diagnosen, die überhaupt nicht existieren.”

Der ADAC verweist auf seine Notrufstation in Istanbul und auf mögliche Heimflüge mit Ambulanzflugzeugen. Das wäre immer noch günstiger als so manche Behandlung in den türkischen Klinik und medizinisch häufig besser. Auch hier das Statement aus der Sendung “Frontal 21” von Klaus Reindl, Pressesprecher ADAC: “Es gibt sogar Kliniken, die Patienten gegen Leiden behandeln, die sie überhaupt nicht haben und dann wird es gelinde gesagt, gefährlich”.

Gerhard Müller von der Mondial Assistance sagt weiter zu dem Thema: “Gesundheitsleistungen werden genau so verkauft wie Teppiche oder Lederjacken. Nur bei einem Teppich oder bei einer Lederjacke merken Sie zu Hause, dass die Qualität nicht stimmt und Sie hängen sie in den Schrank oder geben sie zur Altkleidersammlung. Bei Gesundheit haben Sie möglicherweise ihr Leben lang unter der schlechten Qualität und der Abzocke des Behandlers zu leiden.”

Unnötige Behandlungen, mehrtägige Krankenhaus-Aufenthalte und Verzögerungstaktiken für die Entlassung der Patienten – Beschwerdebriefe betroffener Personen erzählen unglaubliche Geschichten. Ein deutscher Rechtsanwalt, der für eine Mandatin gegen ein Krankenhaus in Antalya klagt, berichtet folgendes: “Meine Mandantin befand sich Ende Juli 2010 für eine Urlaubswoche in Antalya. Der Rückflug konnte zunächst nicht angetreten werden, da meine Mandantin aufgrund eines Unwohlseins direkt auf Anweisung des Flughafenarztes in das (”¦)-Krankenhaus eingeliefert wurde. Obwohl meine Mandantin sich dagegen wehrte, über Nacht zu bleiben, ließ man sie nicht gehen. Es wurden umfangreiche Untersuchungen bis hin zur Legung eines Herzkatheters durchgeführt, obwohl sowohl EKG als auch Blutdruck vollständig normale Werte aufzeigten und die Diagnose auf Brustschmerzen, die nicht vom Herzen ausgehen, lautete. Bevor sämtliche Maßnahmen durchgeführt wurden, gab meine Mandantin an, dass sie lediglich über 200 Euro verfüge. Am nächsten Tag bestand meine Mandantin darauf, das Krankenhaus zu verlassen. Man überreichte ihr die Rechnung in Höhe von umgerechnet knapp 5 000 Euro zur sofortigen Begleichung. Da meine Mandantin diesen Betrag nicht zahlen konnte, sollte sie ein Schuldanerkenntnis in perfekter deutscher Sprache mit einer Verzinsung von 15 % zahlbar bis spätestens Ende August 2010 unterschreiben. Allerdings musste sie vorher eine Anzahlung von 1 000 Euro leisten, sonst dürfe sie das Gebäude nicht verlassen. (”¦) Da sich diese Fälle derzeit häufen und nicht nur Geldbeutel, sondern auch Gesundheit der Betroffenen gefährdet sind, erscheint uns eine  Weiterverfolgung dieses Themas durch die Medien von großer Bedeutung und Wichtigkeit. (”¦)”

Ich habe mehrere solcher Berichte in Form von Leserbriefen erhalten, die klar zeigen, dass die Methoden in den Krankenhäusern immer rauer werden und die Verwaltungen dieser Krankenhäuser immer gieriger. Auch in Alanya verfolgten wir einen Fall eines britischen Patienten, der über 10 Tage in einem privaten Krankenhaus behandelt wurde, obwohl seine Familie mehrmals darum bat, ihn in ein öffentliches Krankenhaus zu überführen, da sie die hohen Kosten für eine Privatklinik nicht aufbringen konnte. Auch hier wurde mit übertrieben intensiver Behandlung und dem Argument, der Patient würde den Krankentransport nicht überleben, die Verlegung des Kranken hinausgezögert. Bevor er in das staatliche Krankenhaus in Alanya verlegt werden konnte, verlangte man von der Ehefrau ebenfalls eine Unterschrift auf ein Schuldanerkenntnis in Höhe von umgerechnet etwa 5000 Euro, ohne eine Rechnung vorzulegen. Erst auf unsere Nachfrage wurde eine Rechnung erstellt, die dann so viele ärztliche Behandlungen aufwies, dass man davon ausgehen musste, dass der Arzt 10 Tage nicht mehr von der Seite dieses Patienten gewichen sein musste. Nach zwei Tagen Aufenthalt im öffentlichen Krankenhaus fühlte der Patient sich besser und wurde entlassen. Die Rechnung dieses Krankenhauses betrug nicht einmal 100 Euro. Drei Wochen später flog er nach Hause, fiel nach ein paar Tagen in ein Koma, ausgelöst durch fehlende Mineralien in seinem Körper. Kurz darauf verstarb er.

Leider kann man hier den möglichen Patienten keinen generellen Rat geben, wie sie sich gegen solche Methoden wehren können, da mit der Angst einer etwaigen schwerwiegenden Krankheit gespielt wird, so dass der Patient zuerst einmal kaum in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen.

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