Das Geheul – Benicio Del Toro verwandelt sich in „The Wolfman“ in Joe Johnstons Neuverfilmung des Horrorklassikers

Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus. „Zeig dich endlich!“, ruft Ben Talbot (Simon Merrells) in einer Vollmondnacht. Als der Morgen graut, liegt er zerfleischt im Straßengraben. Auf Bitten von Bens Verlobter Gwen reist dessen in Amerika als Schauspieler arbeitender Bruder Lawrence nach in seinen englischen Heimatort, um den Mörder zu finden. In Blackmoor erwartet Lawrence Finsteres als die Ablehnung seines entfremdeten Vaters Sir Talbot (Anthony Hopkins). Der von Scotland Yard gesandte Inspector Aberline (Hugo Weaving) vermutet einen Wahnsinnigen hinter der blutrünstigen Mordserie, der Ben zum Opfer fiel. Die Landbevölkerung und die durchreisenden Zigeuner sprechen jedoch von einer Bestie, die bei Vollmond umgeht. Lawrence erfährt man eigenen Leib die grausige Bedeutung der alten Weissagung: „Even a man who is pure at heart and says his prayers by night, may become a wolf when the wolfbane blooms and the autumn moon is bright.“

Den Vers aus dem klassischen „The Wolfman“ fanden das Kino-Publikmun 1941 so überzeugend, dass es ihn für einen authentischen Zigeunerspruch hielt. Tatsächlich stammt der Reim aus der Feder des deutschen Emigranten Curt Siodmak, der mit seiner Mischung aus Horrorgarn und Volkssagen einen modernen Kinomythos schuf. Es ist dieser Mythos, welchen Regisseur Joe Johnston wiedererwecken will. Sie haben sie alle gesehen: „The Wolfman“, „Werewolf of London“, „Frankenstein meets the Wolfman“ und sogar den obskuren britischen Schauderfilm „The Undying Monster“. Ihr vom oscargekrönten Maskenbildner Rick Baker geschaffener Wolfsmensch ähnelt dem klassischen Filmmonster, wie es Lon Chaney, Jr. Im Original verkörperte. Das die heulende Pelzbestie nie so richtig gruselig war, ist Johnston bewusst. Seine moderner „The Wolfman“ funktioniert, weil er sich selbst als Hommage an die alten Filme begreift.Genüsslich ironisiert er Genreklischees und flicht historische Anspielungen wie den im Jack the Ripper-Fall ermittelnden Inspector Aberline ein.

Das Anwesen der Talbots verfällt wie deren Familie. Der Tod beherrscht die düsteren Räume, sichtbar und versinnbildlicht durch die verstaubenden Trophäen. Der Verfall hat sich nicht in die Familie eingeschlichen, sondern Sir Talbot selbst hat ihn sich ins Haus geholt und dort konserviert gleich den Tierleichen, die von seinen Wänden hängen. Als ein im Pelzmantel auftretenden Großwildjäger spielt Anthony Hopkins den alternden Patriarchen, ein Menschenfresser wie das Tier, dessen Fell er trägt. Als wolle sich die wilde Natur an Talbot für dessen Feindseligkeit rächen, bricht sie aus ihm selbst hervor. Der sich in der Familie und als britischer Kolonialherr in Indien als Herrenmensch Gebärdende wird zum Tier-Menschen erniedrigt, ähnlich Nebukadnezar, von dem ein Pfarrer im Film aus der Bibel zitiert. „Manchmal ist das Monster der Jäger.“, raunt Talbots indischer Diener (Art Malik) zweideutig. Bedeutender als der Konflikt zwischen menschlichem Geist und animalischen Instinkten, welchen der Werwolf-Mythos verkörpert, ist der Vater-Sohn-Konflikt in „The Wolfman“. Curt Siodmak verfasste sein Originaldrehbuch nach eigener Aussage nach den Grundzügen einer antiken Tragödie. Die Talbots sind Opfer eines Fluchs, die Sünden des Vaters werden an den Söhnen heimgesucht. Lawrence Rückkehr auf das Familienanwesen ist auch eine Rückkehr zu dessen düsterem Erbe.

Der Fluch erinnert an eine vom Vater auf den Sohn übertragene Geisteskrankheit auf, gegen den die Schulmedizin und Zigeunerzauber gleichermaßen machtlos sind. Das Grauen entsteht nicht aus der übernatürlichen Verwandlung, sondern deren Unkontrollierbarkeit und dem daraus resultierenden Tötungsdrang. Die Geheimhaltung dieses Makels gilt vor allem dem Schutz der Familienehre. Doch „Stolzer Mut kommt vor dem Fall.“, wie es die miserable Synchronisation formuliert. Solche auch in der Handlung spürbare Nachlässigkeit lässt die unterhaltsame Neuverfilmung trotz der hochkarätigen Besetzung und atmosphärischen Ausstattung hinter dem Klassiker zurückbleiben. Der spielte nicht im 19. Jahrhundert, sondern der Gegenwart. Manche Pelz-Klassiker geraten niemals aus der Mode.

Titel: The Wolfman

Land/ Jahr: USA 2010

Genre: Horrorfilm

Kinostart: 11. Februar 2010

Regie: Joe Johnston

Drehbuch: Andrew Kevin Walker

Darsteller: Benicio Del Toro, Anthony Hopkins, Emily Blunt, Hugo Weaving, Geraldine Chaplin

Laufzeit: 102 Minuten

Verleih: Universal

www.universal-pictures.de

www.wolfman-film.de

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