Brüderlein fein … – Berlinale Wettbewerb: „Submarino“ von Thomas Vinterberg

Szene mit Per Arnesen

Ein solcher Film ist auch der Beitrag aus Dänemark, der mit Thomas Vinterberg einen bekannten Regisseur aufbietet, ist dieser doch nicht nur ein Dogma-Regisseur gewesen, sondern hat mit „Fest“ Filmgeschichte geschrieben. Diesmal war ein Roman der Ausgangspunkt, den der Regisseur mit Tobias Lindholm in ein Drehbuch goß und mit Charlotte Bruus Christensen an der Kamera auch einmal eine Frau an dieser filmisch so wichtigen Stelle mitarbeitet, was sich gelohnt hat. Die Aufnahmen sind oft verstörend und die Trostlosigkeit der Lebenssituation spiegelt sich in den Straßen und Häusern und Wohnungen wider.

Es ist also die Geschichte zweier Brüder, die lieblos groß geworden, selbst keinen Halt im Leben gefunden haben. Während sich der mit 33 Jahren ältere Nick nach einer Gefängnisstrafe erst einmal zurechtfinden muß und jegliche Bindung und die daraus erwachsenden Gefühle und Handlungen ablehnt, muß der haltlose Bruder seinem kleinen Sohn Halt geben, die Mutter ist gestorben. Liebevoll ist sein Verhältnis zu Martin, der so heißt, weil der dritte Bruder Martin aus Schuld der Mutter der beiden Brüder ums Leben kam, was die Familie endgültig zerstörte. Aber den Halt, den er dem Sohn gibt, bezieht er aus seiner Drogenabhängigkeit, wo er sich immer wieder den Kick holt, um seine Situation auszuhalten.

Es kommt noch schlimmer für beide Brüder: Martins Vater wird zum Dealer, was ihm dann das Genick bricht und Nick führt den unbedarften und noch jungfräulichen Bruder Ivan seiner eigentlich großen Liebe, die längst einen anderen hat, ausgerechnet Sofie zu, die ihn liebt, ihm zu Willen ist und sich auf den Liebesbeweis Ivan zu entjungfern einläßt, was für sie tödlich endet. Für diesen Mord durch Ivan fühlt sich Nick nun schuldig und läßt sich für ihn verhaften. Nur weil ein cleverer Anwalt erahnt und dann durch die kaputte Hand des Nick den Beweis erbringt, daß dieser nicht der Mörder sein kann, kommt dieser aus der selbstgeknüpften Schlinge wieder heraus.

Aber vorher gab es im Gefängnis die Schlüsselszene. Da entdecken sich die inhaftierten Brüder gegenseitig, nur durch einen Maschendraht getrennt. Diese kleine Szene, die ein Lächeln ins Gesicht, vor allem in die Augen beider Brüder zaubert, zeigt die innere Verbundenheit auf, die sie nicht leben, aber eigentlich fühlen. Der Selbstmord des Bruders am nächsten Morgen, der angesichts seiner Fürsorge um seinen Sohn einem seltsam erscheint, sucht sich die Erklärung in dessen Annahme, daß Bruder Nick wohl für Martin sorgen werde, ihm Vater werde. Das allerdings ist unsere Interpretation, die Nahrung findet im Schluß des Films, als sich der kleine Martin von seinen Kindergärtnerinnen abwendet, neben Nick sitzen will und seine Hand in die des Onkels steckt, denn beide sind die letzten, die von der Familie übrig bleiben und jetzt aufeinander angewiesen sind.

Bleibt nur noch, den Titel zu erklären. Den hat er einer perfiden Foltermethode zu verdanken: „Submarino“ – nennt man die Prozedur, wo der Kopf eines Menschen so lange unter Wasser gehalten wird, bis das Ersticken die Folge wäre, genau dann wird er herausgezogen. Die Todesangst allerdings hat man schon gehabt. „Submarino“ soll also das Leben unter unwürdigen Verhältnissen kennzeichnen, wobei im Film aber einige wirklich den Tod finden, wenn auch nicht durch Ersticken.

Titel: Submarino

Land/Jahr: Dänemark 2010

Regie: Thomas Vinterberg

Darsteller: Jakob Cedergren, Peter Plaugborg, Morten Rose, Gustav Schiffer Kjaerullf

Bewertung: * * *

Vorheriger ArtikelEr pfeift, wann er will … und geht damit baden – Berlinale Wettbewerb: Der rumänische Film „Eu cand vreau sa fluier, fluier“
Nächster ArtikelIn den politischen Fußfesseln der Macht – Berlinale Wettbewerb: Roman Polanskis „The Ghost Writer“ nach Robert Harris