Berliner Eisbären im Sommerschlaf

Die gute Nachricht: Meister der nationalen DEL-Runde können die Schützlinge des Cheftrainers Don Jackson durchaus wieder werden. Denn die strapaziöse Puckjagd zwischen Wolfsburg und Mannheim beginnt erst Mitte September. Genügend Zeit also, um die Mannschaft fit und eingespielter zu präsentieren. Wenn man die Euro-Trophy – ohne die besten Klubs Russlands und der Schweiz – in ihrem ursprünglichen Sinne nutzt – als Vorbereitung auf die jeweiligen Nationalligen!

Die Ursachen für den ernüchternden Auftritt gegen die Eis-Red-Bulls liegen auf der Hand: Die Berliner befinden sich erst seit knapp drei Wochen im Training. Und ob die Profis deutscher Zunge oder nordamerikanischer Herkunft ihre Urlaubs-Fitnessprogramme ohne Aufsicht brav ausgeführt haben, muss offen bleiben. Die Ösis unter Regie vorherigen Eisbären-Coaches Pierre Page jedenfalls haben sich seit Mai (seit Juli auf Eis) auf die anstehende Saison präpariert. Page vielsagend: "Wir haben Erfahrungen aus der Ära von Dynamo Berlin nach russischem Vorbild genutzt … nur härtere Arbeit als die Konkurrenz bringt uns voran."

Der Kanadier Jackson kontert auf den Hinweis, ob man nicht auch in der deutschen Topliga DEL früher mit dem Saisonaufbau beginnen könne: "Ich glaube, das wäre im Moment nicht durchsetzbar." Offensichtlich hatten die Salzburger dank Page nicht nur momentan physische und spielerische, sonder auch mentale Vorteile: Sie gingen wesentlich konzentrierter und engagierter zur Sache.

Seine Genugtuung über den vorher von der Eisbären-Fangemeinde kaum für möglich gehaltenen Erfolg, garnierte der Franco-Kanadier Page mit etlichen Komplimenten an die Hausherren: Es sei kein 5:0-Torespiel gewesen, "den Unterschied hat heute unser Torwart Joshua Tordjman gemacht. Er ist ein Mann mit NHL-Qualitäten – und Zukunft." Es sei schön, wieder in Berlin zusein. Salzburg habe eine hohe Lebensqualität, "aber Berlin bietet mehr Spaß und Unterhaltung, hat unglaubliche Fans und die großartige O2-Arena". Er lobte die  (von ihm eingeleitete) Fortführung der Erfolgs- und Meistertradition: "Berlin hat acht Jahre bis zum Gewinn der Euro Trophy gebraucht. Wir wollen einen ähnlichen Weg gehen in Salzburg, sind derzeit im fünften Jahr des Projekts, könnten aber schon in dieser Saison die Trophy holen."

Positiv bei den erschreckend fehlerhaft agierenden Gastgebern: Weder Jackson ("Salzburg war heute eine Klasse besser"), noch Kapitän Stefan Ustorf beschönigten die Vorstellung. "Enttäuscht, peinlich, blamabel", sei das gewesen, so Ustorf, "was wir heute abgeliefert haben". Und der sonst nie um eine Schnellanalyse verlegene Stürmer suchte lange nach einer Erklärung: "Keine Ahnung, warum das heute so desolat war, nachdem das zweite Spiel in Schweden schon recht ordentlich verlief… Aber heute passte und funktionierte gar nichts…alle Reihen und Mannschaftsteile sind noch auf der Suche."

Fünf neue Spieler – wie heuer beim EHC – sind im Fußball die halbe Formation. Auf dem Eis aber nur ein Fünftel mit Eingewöhnungsbedarf. Bedeutet, dass auch die Stammbesatzung von Frank Hördler bis Andre Rankel, von Rob Zepp bis TJ Mulock noch weit von ihrer Normalform entfernt war. Ustorf: "Das Gute ist, dass wir schon am Sonntag gegen Bratislava und in den folgenden Begegnungen die Möglichkeit haben, besser und erfolgreicher aufzutreten."

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