Berlinale Talent Campus 2010 – Cinema Needs Talent: Looking for the Right People

Impression von der Abschlußveranstaltung des diesjährigen Berlinale Talent Campus.

Aus den vielfältigen Veranstaltungen hier nun einige herausgegriffen, die der Autorin des Textes für die Umsetzung der eigenen Filmprojekte als besonders sinnvoll erschienen:

Der in drei Teilen angelegte Workshop „The Indie Filmmakers Guide to Cross Media“ griff die in den letzten Jahren extrem gestiegene Relevanz des Internets für die Finanzierung, Realisation und den Vertrieb von Spielfilmen, Dokumentationen und neuen Filmformen auf.

Der amerikanische Autor und Regisseur Lance Weiler, der sich selbst als „Storyteller“ und nicht mehr als Filmemacher bezeichnet, nutzt das Internet seit Jahren exzessiv. Alexandre Brachet, Teil der Produktionsfirma upian.com, hat seit 2008 eine ganz neuartige Form der Dokumentation auf arte online (http://gaza-sderot.arte.tv) laufen, die aus dem Gazastreifen über Monate hinweg diverse Protagonisten live verfolgt. Neu an dieser Form der Dokumentation ist, dass der User seinen Lieblingsprotagonisten anklicken und gezielt dessen Weg verfolgen kann. Landkarten vermitteln, wo sich wer befindet, und jederzeit ist Interaktion mit dem Zuschauer möglich. Das neueste Projekt derselben Produktionsfirma findet man ebenfalls im Internet, unter http://prisonvalley.arte.tv/en.

Teil Zwei des Wokshops klärte auf über diverse Möglichkeiten der Finanzierung durchs Internet. Eine davon ist das sogenannte „Crowd Sourcing“. Der britische Dokumentarfilm „Age of Stupid“ spielt im Jahr 2055. Pete Postlethwaite spielt den einzigen Überlebenden in einer ausgestorbenen Welt. Er sieht sich Dokumentarfilmmaterial an aus einer Zeit, als der Untergang der Welt noch hätte aufgehalten werden können. Finanziert wurde „Age of Stupid“ über das Internet von mehr als 600 Menschen, die das Projekt als sinnvoll und notwendig erachteten und insgesamt mehr als eine Million Euro spendeten. Doch damit nicht genug: die beiden Freundinnen Franny Armstrong (Regie) und Lizzie Gillet (Produktion) haben gemeinsam mit ihrem Team eine aufwendige Internetseite gestaltet, die über alle Updates und Hintergründe des Films informiert. Zur Klimakonferenz in Kopenhagen waren die beiden und ihre Helfer live vor Ort und produzierten täglich eine 20-Minuten-Live-Web-TV-Show. Zu finden ist dies alles unter: http://www.ageofstupid.net

Timo Vuorensola aus Finnland stellte sein Filmprojekt „Iron Sky“ vor, das er über die Webpage http://www.wreckamovie.com produziert. Der Inhalt: 1945 fliegen die Nazis auf den Mond, 2018 kommen sie auf die Erde zurück. Mehr muss nicht gesagt werden. Auf dieser Webseite lassen sich jede Menge Filmprojekte finden, die es wohl teilweise sehr schwer hätten, über „normale“ Produktionswege finanziert zu werden. Moderatorin des dreitägigen Workshops war Liz Rosenthal, die mit ihrer britischen Firma „Power to the Pixel“ (http://powertothepixel.com/) dafür sorgt, dass der Übergang für Filmemacher in eine crossmediale Medien- und Filmwelt ein wenig flauschiger wird.

Ein weiteres Highlight des Talent Campus war „In the Limelight: Claire Denis“. Die französische Independent Autorin und Regisseurin plauderte völlig entspannt gut zwei Stunden lang darüber, was sie inspiriert, mit welchen Menschen sie am Liebsten arbeitet, und wie sie arbeitet. Filmausschnitte aus einigen ihrer Filme wurden eingespielt, etwa „Beau Travail“ (2000) oder „Trouble Every Day“ (2001) mit der unglaublichen Béatrice Dalle und dem Selbstdarsteller Vincent Gallo. Ein großer Film, den man sich unbedingt einmal wieder ansehen sollte.

Was noch?

„Kill Your Darlings“ von Susan Korda – das bereits in den vorigen Jahren stattfand – widmet sich der Frage, wie man sich im Schnitt von dem trennen kann, was einem ans Herz gewachsen ist, auf was aber für den eigentlichen Film besser verzichtet werden sollte. Ein sinnvoller Ratgeber.

Bei „Brussels in Berlin: How to Produce in Europe“ wurde an jeden bereits am Eingang ein Büchlein verteilt, das alle wichtigen Informationen zum Thema enthält. Es war dennoch aufschlussreich, den zahlreichen Fragen der Jungproduzenten zuzuhören.

In „The Secret Life of Sound“ plauderten Stefan Busch (der für das Sounddesign zu Tom Tykwers „das Parfüm“ verantwortlich zeichnete) und Peter Strickland, der Autor und Regisseur von „Katalin Varga“ (der für seinen Film den Preis für die „Europäische Entdeckung 2009“ erhalten hat) aus dem Tonkästchen. Wie gelingt es, originale Soundquellen mit Studiogeräuschen so zu kombinieren, dass ein bestechender Sound entsteht?

Eine richtig gute Zeit hatten alle auf der „Closing Party“ im HAU2, auf der sich die Talente tummelten. Nach gut sechs Tagen Workshops, die für viele mit diversen weiteren Events gefüllt waren, wie etwa dem legendären „Speed Dating“, bei dem es darum geht, in kurzer Zeit Kontakte zu knüpfen, die einem bei den eigenen Projekten weiterhelfen könnten, feierten die 350 Gäste und deren Freunde nochmal so richtig ausgelassen. Ich muss gestehen, ich habe es versäumt, meiner Einladung zur „Forumsparty“ in die Berliner Volksbühne zu folgen, denn die Stimmung der Talent Campus Abschlussparty konnte an diesem Abend wohl kaum übertroffen werden.

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