Beachvolleyball-Weltmeisterschaft 2013 in Polen – Neue Helden braucht the Beach

Am Dienstagnachmittag gegen 16 Uhr verdunkelte sich der Himmel in windeseile. Plötzlich erlebten wir einen Wolkenbruch vom Feinsten mit allem, was dazugehört: dunkles Donnergrollen, zuckende Blitze, Sturmböen, prasselnder Regen! Keine Frage: Die Spiele wurden wegen "Gefährdung der Akteure" unterbrochen. Das Pressezelt, zu dem schnell alle Vorhänge geschlossen wurden, hielt dem Prasselregen stand.

Wetterunbilden hatte Pawel allerdings nicht gemeint, als er sich sichtlich sorgte, sondern den Lärm, den Trubel, den Besucheransturm, den der Betreiber einer ländlichen Pension mit Namen "Agroturystyk" seit rund einem Jahrzehnt von Weltturnieren der Beachvolleyballer hier in den Masuren gewohnt ist.

Immer, wenn die Volleyballerinnen und Volleyballer kommen, dann verwandelt sich die 700-Seelengemeinde Stare Jablonki in den Nabel sportlichen Beachboys and Grils. Volleyball-Spieler, -Fans und Feierwütige aus ganz Polen strömen in diese dünn besiedelte Region – wie der Regen bei diesem Unwetter. Jedem Wetter zum Trotz begeistern sich alle an den sportlichen Darbietungen und machen Party!

Diesmal ganz besonders, denn erstmals im volleyballverrückten Polen werden hier und heute Weltmeisterschaften zelebriert. Bei den Frauen und Männern treten jeweils 48 Teams an. Für das Turnier der Frauen und das der Männer wurden jeweils drei Freikarten/Wildcards vergeben. Bemerkenswert ist zudem, daß jeder der fünf Kontinente mindestens mit einem Team vertreten ist. Insgesamt kommen die Teams aus 31 Ländern. Diese Beachvolleyball-Weltmeisterschaft 2013 in Polen ist wahrlich international.

Die kleine Gemeinde, die etwa 100 km nordöstlich von Warschau liegt, legt noch etwas drauf. Dies Mal hat sie sich in eine Buden- und Heldenstadt verwandelt. Mit in Polen anscheinend überaus populären luftgefüllten Werbeträgern, mit Souvenir- und Imbissbuden jeder Art. An Telefon- und Strommasten angeheftet erblicken wir meist finster schauende Heroes auf überlebensgroßen Postern. Protagonisten einer Helden-Kampagne des Weltverbandes FIVB. Sie sind die Stars der Szene. Aus den USA, Brasilien, Niederlande und Deutschland. Genannte Nationen sind jeweils mit der Maximalzahl von je vier Paaren im Wettbewerb vertreten und führen nicht nur Dank Masse das Feld der Favoriten an.

Aber natürlich sind auch die Branchenführer des Gastgebers, Grzegorz Fijalek und Mariusz Prudel, in den plakativen Helden-Status einbezogen. Sie tragen die größten Hoffnungen auf die erste Beachvolleyball-WM-Medaille eines Verbandes, der im Hallen-Volleyball seit Jahren zu den Weltbesten zählt.

Verletzungsprobleme am Oberschenkel haben dazu geführt, dass der deutsche Hero Julius Brink leibhaftig nicht in Aktion tritt. Mit Kjell Schneider holte Brink 2005 in Berlin WM-Bronze, wurde später (2009) mit Jonas Reckermann Weltmeister, 2011 WM-Dritter und im Vorjahr sensationell Olympiasieger. Reckermann beendete aus gesundheitlichen Gründen seine Karriere, doch Brink will mit seinem neuen Vordermann und Blockspezialisten Sebastian Fuchs Olympia 2016 in Rio de Janeiro angehen. Aus der ersten großen Bewährungsprobe ist nun nichts geworden.

Doch Welttour-Neuling Fuchs darf an der Seite von Thomas Kaczmarek WM-Erfahrungen sammeln. Medaillenchancen dürften sie kaum haben. "Wenn wir unsere beste Leistung abrufen, können wir vorn mitspielen. Und das wollen wir auch", sagt Jonathan Erdmann, mit seinem Berliner Partner Kay Matysik 9. bei Olympia und kürzlich beim Grand Slam in Rom auf Rang fünf.

Nach der Trennung des in der Vergangenheit besten Frauen-Duetts Sarah Goller (Karriereende)/Laura Ludwig haben Kathrin Holtwick/Ilka Semmler die nationale Führungsrolle übernommen. Sie dürften am ehesten in der Lage sein, für den deutschen Verband die erste WM-Plakette für den weiblichen Bereich zu erkämpfen. Vor allem auch, weil etliche Topteams – so die Titelverteidigerinnen Larissa/Julian (Brasilien) sowie May/Walsh (USA) – nicht mehr mitmachen.

Laura Ludwig steuert mit der jüngeren Blockspezialistin Kira Walkenhorst den kommenden olympischen Höhepunkt an, dürfte aber zusammen mit der Partnerin gegen die aktuellen Topteams (noch) nicht bestehen können.

Der Veranstalter erwartet täglich mehrere Tausend Zuschauer. Insgesamt "etwa 70 000", wie eine Mitarbeiterin des Pressezentrums verkündet. Am Wochenende sollen es um die 20 000 sein. Was natürlich gegenüber den 700 Einwohnern von Stare Jablonki eine Masseninvasion bedeutet.

Mehr als 500 Helfer sorgen für den organisatorischen Ablauf. Jeden Abend ist Unterhaltung/Entertainment angesagt. Tagsüber ist buntes Treiben am Wasser. 50 m vom Ufer kann man auf einer künstlichen Insel auf einem Beachfeld übers Netz pritschen und baggern…

Der Etat der WM wird offiziell mit rund 2 Millionen Euro bezifftert. Das Preisgeld von insgesamt einer Million Dollar kommt von der FIVB, die aber über Sponsoren und TV-Rechte mehr einstreicht. Aus deutscher Sicht bedauerlich, dass die WM live nur über Bezahlsender (sport1+/la ola tv) zu sehen ist. Da hat der Olympiasieg bei ARD/ZDF kein Umdenken beim Schielen auf Quoten bewirkt.

Proteste wegen Geldverschwendung wie kürzlich beim Confed Cup in Brasilien sind übrigens nicht zu erwarten. "Warum auch", meint die Presseassistentin. "Die Leute sind froh, dass hier einmal im Jahr was los ist. Den ganzen Tag gibt es Spiel und Spaß und Unterhaltung für Einheimische, Urlauber und Gäste. Das mögen die Leute."

Eine Woche lang steht das kleine verschlafene Örtchen Stare Jablonki im Focus der weltweiten Beachvolleyball-Szene. Bei Sonne und bei Regen.

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