Baller- und Blödmänner in einer bundesdeutschen Eishockey-Begegnung … und am Ende Eisbären als Sieger über Panther – Direktberichterstattung vom Eishockey-Spiel zwischen den Berliner Eisbären und den Augsburger Panther 6:4 (2:4, 2:0, 2:0)

© Foto: Joachim Lenz, 2015

Vor dem Spiel

Nach vier Niederlagen in Folge kämpft der Rekordmeister aus Berlin in ausverkaufter aber nicht voll besetzter Halle gegen Gäste aus Augsburg um die direkte Qualifikation für die Play-Off-Spiele.

Eisbären-Cheftrainer Uwe Krupp konnte in den vergangenen Tagen mehrfach zum Training bitte und zu dem gesellten sich nach mehr oder minder langer Auszeit Verletzte wie Matt Foy ein. Nur noch Constantin Braun und Mark Bell bleiben im Lazarett.

Das erste Drittel

Die Eisbären – ganz in Dunkelblau gekleidet – beginnen vorsichtig gegen Panther in weißem Hemd und dunkelblauen Hosen und kassieren – das liegt nicht an der Kleidung – in der 4. Minute den ersten Gegentreffer. Torschütze für Augsburg ist Ivan Ciernik.

Der nächste Angriff der gut aufgelegten Gäste bringt den zweiten Treffer des Abends (4.). Völlig frei kommt Thomas Jordan Trevelyan zum Schuß und trifft in das von Petri Vehanen gehütete Berliner Tor. Erstaunen und Augenreiben. 2:0.

Strafzeit für die Gäste aus Augsburg (6.). André Reiß muß wegen Hakens vom Eis. Im Powerplay bieten sich für Jimmy Sharrow und Foy zwei Möglichkeiten (7.), die der Augsburger Torhüter Markus Keller vereitelt.

Das ist der Anschluß für die aufstrebenden, vorwärts strebenden Berliner. Nach Vorarbeit von TJ Mulock drischt Julian Talbot die Scheibe aufs Gäste-Tor. Keller wird durch zwei Abwehrspieler die Sicht genommen. Das Ding ist drin (9.).

Mannschaftskapitän André Rankel nimmt nach dem ersten Powerplay sein Kämpferherz in die eingepackt Hhand, kurvt mit Puck und Passion durch das gegnerische Drittel und trifft zum 2:2-Ausgleich (11.). Mit André-Rankel-Rufen wird „der beste Mann“ gefeiert. Derweil wird Antti Miettinen in dem bisher ereignisreichen ersten Drittel wegen Stockschlags von den Hauptschiedsrichtern Stephan Bauer und Christian Oswald auf die Strafbank geschickt.

Der zweite Pfostenschuß der Panther. Die Gäste beißen. Dieses Mal in Überzahl. Glück und Pech liegen hier und heute nah beieinander. Tor für die Panther. Mit einem Gewaltschuß von James Bettauer nach starker Einzelleistung erhöhen die Panther auf 3:2 (13.). Diese Bayern wollen sich offensichtlich nicht die "Lederhosen" ausziehen lassen.6

Was ist denn das? Mit drei Angreifern fahren die Augsburger ins Berliner Dritte. Dieses Mal trifft Philip Riefers (14.). Nach 14 effektiven Spielminuten steht es 4:2 für die Gäste. Die Eisbären präsentieren sich hinter als Hühnerhaufen, löchrig wie ein bayerischer Bergkäse, während jeder Angriff der Augsburger entweder im Tor (4x) landet oder an den Pfosten knall (2x) oder haarscharf am Tor vorbeizischt (3x).

Wegen Hakens muß Torschütze Ciemik für zwei Minuten auf die Strafbank. Powerplay der Eisbären, die sich umgehend an Keller herankämpfen. Kaum ist Augsburg wieder vollzählig muss Riefers wegen Stockschlags eine Strafe antreten (18.). Erneutes Überzahlspiel der Heimmannschaft. Einen Schuss von Barry Tallackson kann Keller halten (19.).

Traumhafter Tempogegenstoß der Panther, denn Vehanen – und nur Vehanen – entschärfen kann (20.).

In der ersten Pause kommentierte Jens Baxmann das erste Drittel mit den Worten „schlecht, total schlecht, kein Spielfluss. Ich weiß nicht, was los ist“ und auf dem Videowürfel in der hohen Halle am Ostbahnhof wird seine Sicht der Dinge live und laut übertragen. Das ist offen, das ist ehrlich. Das sieht und hört man auch nicht alle Tage.

Das zweite Drittel

© Foto: Joachim Lenz, 2015Ein Panther-Schläger zerbrichte (24.). Tooor und „Hallelujah Berlin“, denn Miettinen erzielt nach Vorarbeit von Henry Haase und Frank Hördler für die Gastgeber im zweiten Drittel das dritte Tor (26.).

Ein Panther umkurvt drei, vier Berliner in Christian-Neureuther-Manier (28.), triff aber nicht ins Tor. Auf beiden Seiten bieten die Defensivabteilungen Desaströses.

„Wenn Sport zur Nebensache wird! Kämpfen Benny“, lesen Tausende in der Halle (29.). Das Transparent wird in der Fankurve hochgehalten und die Eisbären-Fans skandieren „Kämpfen, Benny, kämpfen“. Eine ehrenwerte Aktion der Dynamo/Eisbären-Fans für den Zweitliga-Fußballer Benjamin Köhler der Eisernen vom 1. FC Union Berlin, der die Diagnose Krebs erhielt und um sein Leben kämpft. Das ist eine typische Ost-Berliner Sportkameradschaft, die es im Westen der Stadt auf diese Weise nie geben würde, behaupte ich und berichte weiter.

Foul in letzter Minute. Strafzeit für Luigi Caporusso wegen Beinstellens (31.). Pohl steht völlig frei und müsste den Puck kriegen. Pohl kriegt den Puck … von Florian Busch, schiesst, trifft, Tor (42.). Das ist der Ausgleich. 4:4 steht es nach etwas über der Hälfte der Spielzeit. Beachtlich zeigen sich die Ballermänner auf beiden Seiten, doch in der Defensive zeichen sie sich gleichfalls beachtlich und zwar als Blödmänner.

Strafzeiten für beide Mannschaften. Hördler wegen unsportlichen Verhaltens und Trevelyan wegen Hakens müssen in die Kühlbox (34.). Es wird hitziger auf dem Eis. Die Nerven liegen blank.

Erst wird Casey Borer gefoult – er bleibt auf dem Eis liegen -, dann fliegen die Fäuste. Haase und Spencer Machacek erhalten zwei plus zwei Strafminuten wegen unnötiger Härte (36.). Auf dem Eis agieren kurz vier gegen vier Spieler plus zwei Torhüter, dann sind beide Mannschaften wieder komplett, während Haase und Machacek auf der Strafbank ausharren. Auf dem Eis geht`s zur Sache, das Spiel verlagert sich hin und her wie Wellen auf hoher See, doch das Spiel ist nicht hochklassig, um es klar zu sagen.

Trevelyan taucht frei vor Vehanen auf, der hält (39.). Wie geschrieben: Es geht hin und her und der nächste Treffer ist angesichts übler Abwehrarbeit nur eine Frage der Zeit. Zur zweiten und letzten Pause werden die Schiedsrichter mit Pfiffen begleitet.

Das dritte Drittel

© Foto: Joachim Lenz, 2015Zwei, drei Möglichkeiten für die Eisbären. Keller kann sich auszeichen (22.). Pohl mit einer guten Einschußmöglichkeit (45.). Olver trifft das Tor fast freie nicht (46.). Die Eisbären schießen häufiger aufs Tor und scheinen dem fünften Treffer näher als die Panther, die jedoch mitzuhalten versuchen, wenn auch offensichtlich die Kräfte nachlassen (47.).

14.200 Zuschauer sehen eine kurzweilige Begegnung zweier gleichstarker Mannschaften. Wieder ein Angriff der Panther, doch Trevelyan kann die Scheibe nicht im Berliner Tor unterbringen (55.).

Tor für Berlin? Die Schiedsrichter gehen zum Videobeweis (55.). Kein Tor. „Das Tor kann wegen Torraumabseits nicht gegeben werden“, erklärt der Hallensprecher den aufgebrachten Zuschauern. Schieber-Rufe werden laut. Das neunte Tor des Tages liegt in der Berliner Luft. Pohl läuft mit Puck auf Keller zu, stoppt, passt auf den mitgelaufenen Florian Busch und der trifft in voller Fahrt zum 5:4 (57.). Mit 122 km/h schlägt die Schiebe links im Tor ein. Toll. Die Zuschauer feiern die Eisbären. „Steht auf, wenn ihr Eisbären seid“, singen viele und fast alle stehen auf (58.).

1:45 Sekunden vor Schluß wird der Augsburger Torsteher Keller aus dem Kasten genommen. Die Eisbären zeigen sich eiskalt, nutzen die Situation und Talbot trifft nicht nur zum zweiten Mal in diesem Spiel sondern auch zum 6:4 (59.). Das war zudem Talbot`s 150. Scorerpunkt. EHC-Gesänge und Klatschpappenkrawall lassen die Halle am Ostbahnhof beben.

Sieg! Das Spiel ist aus. In einem abwechslungsreichen wie kurzweiligen Spiel siegen die Berliner Eisbären mit 6:4 über am Ende müde Augsburger Panther.

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