Autorentheatertage im Deutschen Theater – Eröffnung mit „Das letzte Feuer“ von Dea Loher

Zu Gast im Deutschen Theater sind neben großen Bühnen auch kleinere wie das Theaterhaus Jena und das Volkstheater Rostock.

Die Gastspiele wurden von der Intendanz und der Dramaturgie ausgewählt. Die Auswahl von vier noch unaufgeführten Stücken, die zum Abschluss der Autorentheatertage in der langen Nacht der Autoren in Werkstattinszenierungen zu sehen sein werden, vertraute Intendant Ulrich Khuon dem renommierten Filmkritiker Michael Althen an.

Die ungewöhnliche Idee, statt der üblichen mehrköpfigen Jury einen einzigen, dazu noch betriebsfremden, Juror zu beauftragen, sorgte vorab für die gewünschten Diskussionen und Spekulationen.

Michael Althen hat sich seiner Aufgabe verantwortungsbewusst gewidmet. Wie er in seiner Eröffnungsrede offenbarte, war ihm in seiner Schulzeit das Theater derart verleidet worden, dass er es später nicht mehr besuchte. Im Zusammenhang mit seiner Jurorentätigkeit hat Althen nun einiges nachgeholt, indem er Vorstellungen besuchte und sich hinter den Kulissen umsah. Dabei sei ihm, wie er glaubhaft und sehr sympathisch versicherte, das Theater in einem neuen, reizvollen Licht erschienen.

Als Sachverständiger gab Althen sich nach diesem Schnellkurs nicht, und was seine Auswahl aus den mehr als 160 eingesandten Stücken betrifft, so teilte er als sein Kriterium mit: „Ein gutes Buch ist ein gutes Buch ist ein gutes Buch.“

Intendant Ulrich Khuon stellte bei der Eröffnung klar, dass die Autorentheatertage keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zu ähnlichen Berliner Festivals seien.

In der Tat gibt es in Berlin genügend Theaterbegeisterte, die ein weiteres Angebot sowohl von Gastspielen mit außergewöhnlichen Inszenierungen als auch die Vorstellung neuer dramatischer Arbeiten mit großem Interesse wahrnehmen.

Staatssekretär André Schmitz verriet, dass Ulrich Khuon nur mit dem Versprechen, auch seine Autorentheatertage in Berlin zu realisieren, ans Deutsche Theater geholt werden konnte. Es ist zu vermuten, dass dieses Festival schon mit seinem ersten Erscheinen zum festen Bestandteil Berliner Kulturlebens geworden ist.

Gespielt wird, meistens gleichzeitig, auf den drei Bühnen des DT. So gab es am Eröffnungsabend in der Box ein Gastspiel des Volkstheaters Rostock mit dem Stück „Alles offen. Rostocker Geschichten aus der Zeitenwende“ von Tobias Rausch, und im Deutschen Theater „Das letzte Feuer“ von Dea Loher in der Inszenierung von Andreas Kriegenburg. Für das Stück wurde Dea Loher 2008 mit dem Mühlheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet, und Andreas Kriegenburg erhielt für seine Inszenierung des Stücks 2008 am Thalia Theater Hamburg den deutschen Theaterpreis „Der Faust“ in der Kategorie „Beste Regie Schauspiel“.

Menschen, die auf unterschiedliche Art traumatisiert sind, hat Dea Loher in ihrem Stück versammelt. Ausgangspunkt der Geschichte ist der Tod des achtjährigen Jungen Edgar bei einem Verkehrsunfall. Einziger Unfallzeuge ist der ehemalige Soldat Rabe (Hans Löw), der bereits durch seine Kriegserlebnisse traumatisiert ist und durch den Tod des Kindes eine weitere Erschütterung erfährt.

Auch Edgars Eltern (Natali Seelig und Jörg Pose) sind schon traumatisiert durch das Zusammenleben mit der dementen Mutter des Ehemanns, der eine Affäre mit der durch ihre Krebskrankheit traumatisierten ehemaligen Lehrerin Karoline (Susanne Wolff) hat. Diese ist indirekt durch das Auto, das sie sich bereitwillig stehlen ließ, an dem Unfall beteiligt.

Nach einer sexuellen Begegnung mit der traumatisierten Karoline lässt der traumatisierte Soldat sich auf eine Liebesgeschichte mit der traumatisierten Mutter des toten Kindes ein, während Karoline sich mit der traumatisierten Polizistin Edna (Lisa Hagmeister) vergnügt, die bei der Verfolgung eines vermeintlichen Terroristen, der in Wirklichkeit ein Kleinkrimineller ist, den Unfall verursacht hat.

Im Unterschied zu den übrigen, unentwegt redenden, Personen, verschanzt sich der Kleinkriminelle (Matthieu Svetchine) sprachlos in seinem Zimmer, aus dem ihn der durch seine Arbeitslosigkeit traumatisierte Peter (Markwart Müller-Elmau) herauszulocken versucht.

Die Ereignisse des Stücks werden von den Beteiligten als Geschehnisse aus der Vergangenheit berichtet, wobei sie in einer schönen Sprache nicht bewältigt, sondern eher totgeredet werden.

Bühnenbildnerin Anne Ehrlich hat verschiedene, kleinbürgerlich möblierte Zimmer auf die Drehbühne gestellt, die nahezu unentwegt nach rechts rotiert. Nach links bewegen sich die AkteurInnen mit dem verzweifelten Versuch, ihrem Leben eine andere als die vorgegebene Richtung zu ermöglichen. Sie alle bemühen sich um Veränderung und hoffen, das ersehnte Glück doch noch zu erreichen.

Die Personen auf der Bühne erscheinen nicht als begreifbare Persönlichkeiten, sondern als Erzählende, die im Davonlaufen Entwürfe für die Gestaltung ihrer Identitäten entwickeln.

Die einzige scharf umrissene Figur ist die an Alzheymer erkrankte Rosmarie, die Großmutter des toten Edgar. Katharina Matz gestaltet die verwirrte alte Frau mit grandioser Präzision. Hier stimmt jede Bewegung und jeder Blick, jedes leere Lächeln und jedes erkennende Hinsehen. Die mit der Krankheit einhergehenden Stimmungsschwankungen werden ebenso deutlich wie die Fremdheit im eigenen Körper, der sich wie eine Maschine bewegt. Besonders erschütternd ist die plötzlich auftretende Krankheitseinsicht, mit der Rosmarie feststellt, dass ein Mensch ohne Erinnerungen kein Mensch mehr sei.

Auch Rosmarie versucht sich gegen ihr Schicksal zu stemmen, ist jedoch ihrem Verfall hilflos ausgeliefert. In manchen Augenblicken trauert sie um ihren Enkel, weiß sofort danach nicht mehr, dass er tot ist, fragt seine Eltern nach dem Kind, kauft ihm Geschenke, die sie dann wieder für Geschenke hält, die sie überraschend selbst bekommen hat.

Für Edgars Vater wird das alles schließlich so unerträglich, dass er seine Mutter in der Badewanne ertränkt.

Auch der Soldat endet gewaltsam. Nachdem er seine Geliebte beinahe erschlagen hat, weil er es nicht mehr erträgt, sie reden zu hören, übergießt er sich mit Benzin und zündet sich an.

Das Schlussbild erscheint grotesk-gemütlich. Alle Beteiligten versammeln sich und scheinen mit sich und den Anderen versöhnt. Alle scheinen Plätze gefunden zu haben, an denen sie mit ihren Traumen zufrieden leben können. Sogar die Toten dürfen noch einmal aus den Gräbern, um nach Luft zu schnappen.

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