Aufbruch zu neuen Ufern – Oper Leipzig startet in eine spannende Saison

© Kirsten Nijhof

Ja, Leipzig boomt, jedenfalls was die Besucher betrifft. Immer mehr Hotels werden gebaut, dennoch wirkt die Stadt zumeist ausgebucht. Doch die Studenten ziehen sich mittlerweile aus der Innenstadt zurück und einige Bürger sprechen schon von ihrer Stadt als ’Hypezig`. Hier gilt es aufzupassen, denn nachdem das Stadtzentrum prächtig hergerichtet wurde, entdeckt man bei Streifzügen durch die weiter entfernten Stadtteile doch noch enormen Renovierungsbedarf sowie viele Bürger, die sich ausgeschlossen fühlen.
Bürgernähe zeigte allerdings die Oper Leipzig mit ihrem Eröffnungsprogramm am vergangenen Samstag. Von 10 Uhr früh bis nach 20 Uhr gab es nonstop kostenlos interessante Darbietungen in den Theaterwerkstätten, auf den Bühnen des Hauses sowie in den großen Foyers zu erleben. Gedränge überall, für das öffentliche Gala-Konzert um 18 Uhr waren schon lange vor Beginn alle Plätze im großen Saal besetzt, so wurden die Stufen freigegeben, dennoch mussten sogar die Türen geöffnet werden und viele Besucher lauschten draußen im Foyer dem Gewandhausorchester unter der Leitung des Intendanten. Selbst Dresdner wurden an diesem Tag in der Oper Leipzig gesichtet.

Ulf Schirmer präsentierte musikalische Highlights aus der kommenden Saison. Auftakt war eine imposante Darbietung von Wagners Tannhäuser-Ouvertüre,  gefolgt von dem Einzug der Gäste auf die Wartburg. Alessandro Zuppardos Opernchor konnte hier glänzen, wie auch in der Eröffnungsvorstellung von ’Nabucco` am Sonntag. Ab Mai 2015 sollen in Leipzig regelmäßig Wagner-Festtage stattfinden, was ja lange überfällig war. Neue Mitglieder des Ensemble wurden vorgestellt, sowie musikalisch auf die Premiere von Charles Gounods ’Faust` am 11. Oktober hingewiesen.

Viel Aufmerksamkeit – auch von den Medien – erhielt das am Sonntagmorgen erstmals angesetzte ’Baby-Konzert` im Konzert-Foyer der Oper. Kurz vor 10 Uhr – vielleicht etwas zu früh – sah man im regnerisch kühlen Leipzig Eltern mit Kinderwagen auf die Oper zueilen. Eine Mutter schob mühsam ihren Sprössling die Stufen hinauf zum Eingang, um dann von einem herbei eilenden Journalisten gebeten zu werden die Prozedur zu wiederholen mit der Begründung, sie sei ein gutes Motiv. Also wurden Kind und Wagen wieder die Stufen runtergetragen und dann ging es erneut die Stufen hoch, nun von einer Kamera verfolgt.

Diese Baby-Konzerte sind in vielen Opernhäusern aktuell im Trend, nach Kinder- und Jugendarbeit wohl eine folgerichtige Aktion. Machte Schirmer in München noch Zwergl-Musik, so sind es nun in Leipzig die Baby-Konzerte. Statement der Oper: Man wolle sich hier keine neue Generation von Konzertbesuchern rekrutieren, sondern einfach mal die Wirkung der Musik auf die ganz Kleinen beobachten.

20 Kleinstkinder mit Eltern waren anwesend, auf Decken und Kissen verteilt. Der Intendant selbst dirigiert ein kleines Ensemble des Gewandhausorchesters. Auftakt: ein Divertimento des 16jährigen Mozart in drei Sätzen. Eine schöne Erfahrung, diese Musik einmal außerhalb der strengen Anordnung eines Konzertraums zu erleben. Das Ambiente glich einem Outdoor Picknick, die Eltern entspannten beim ersten Ton, die Kinder reagierten unterschiedlich. Manche hörten gespannt zu, andere dirigierten oder tanzten, wieder manche quäkten im Takt oder gingen auf spannende Entdeckungsreise zu benachbarten Kindern auf den Kissen. Sie hatten schnell verstanden, hier gab es Freiräume, die sonst so nicht leicht zu finden sind.
Es folgte ein meditativer Streichersatz von Beethoven, entstanden 1825, der die Widmung trägt: Heilige Danksagung. Manche größeren Kinder wurden nun unruhig, dagegen schienen die unmittelbaren Neuzugänge auf dieser Erde die ruhige Klangsprache zu genießen. Ein zwei Monate altes Baby dirigierte  diesen Satz ungemein rhythmisch mit, wogegen es bei Mozart noch schlummerte. Man hätte das Gegenteil erwartet. Diesem Auftaktkonzert sollen noch weitere folgen, alle sind schon ausverkauft. Hoffen wir, dass diese ungewohnten Erlebnisse die Eltern dazu inspirieren ihren Kindern ab und an einmal eine Klassik-CD aufzulegen oder gar Hausmusik zu betreiben.
Wie sagte doch Arthur Schopenhauer: „Die Musik ist so sehr, was alle Kunst zu sein strebt, nämlich Wiederholung der Welt in einem einartigen Stoff, daß, wer die Musik völlig erklärt, eben damit auch die Welt erklärt.“

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