Auf der Spitze des Eisbergs lebt es sich alles andere als vergnüglich – Annotation zum Buch „Die Kanzlerin“ von Konstantin Richter

Konstantin Richter: Die Kanzlerin. Eine Fiktion. © Kein & Aber

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Konstantin Richter hat das wohl am meisten missverstandene Buch der Saison geschrieben. Mal geht er als Witzbold, mal als Renegat, mal als Schreiber eines Rocksongs durch. Diese Apostrophierungen treffen allerhöchstens Teilaspekte seines vielschichtigen Romans um ein Jahr im Leben der deutschen Bundeskanzlerin. Na klar geht es um Angela Merkel und ihren berühmten Satz, den sie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise äußert. Und damit die Tore in die Bundesrepublik Deutschland weit aufmachte, wie seinerzeit das Politbüromitglied der Deutschen Demokratischen Republik Schabowski, als er, ebenfalls aus einem Gefühl heraus, die Zonis in Westberlin einmarschieren ließ.

Gefühle zeigte Merkel davor kaum – und danach noch weniger. Aber genau dieses kurze Erwachen reizte Richter – und er hat daraus einen großartigen Roman gemacht. Wir folgen eine Weile der Kanzlerin zwischen Hoffnung, Zweifel und Resignation. Wir nehmen teil an ihrem Glücksgefühl, das sie für ein paar Tage durchströmt. Die Sache beginnt und endet mit Wagners Tristan und Isolde – wenn das kein Wink mit dem Zaunpfahl ist, weiss ich auch nicht weiter.

Nie hat jemand tiefer die Merkelsche Seele ausgelotet, kauft euch dieses Buch!

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Konstantin Richter, Die Kanzlerin, Eine Fiktion, 176 Seiten, Verlag: Kein & Aber, Zürich 2017, ISBN: 3-0369-5755-5, Preis: 18 EUR (D)

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