Ansprüche und Widersprüche – der 1. FC Union Berlin sorgt für Schlagzeilen

Das Stadion An der Alten Försterei von der Waldseite aus gesehen. © Foto: Hans-Peter Becker, Aufnahme: Berlin, 22.2.2015

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der 1. FC Union Berlin sorgt weiter für Schlagzeilen. Einen Tag nach der Heimniederlage gegen den FC Ingolstadt zog nicht etwa Weihnachtsruhe über die „Alte Försterei“ und die letzte Konzentration auf das Singen der besinnlichen Lieder, die Nachwehen der Trainerentlassung halten weiter an. Das Programmheft zum Spieltag war etwas dicker als gewöhnlich. Der Grund, es wurde ein ausführliches Interview mit dem Präsidenten des Vereins, Dirk Zingler, abgedruckt. Insgesamt sind es aktuell 3 ausführliche Interviews, die Zingler geführt hat, neben dem erwähnten, stand er im vereinseigenen AF-TV und dem Fachmagazin Kicker Rede und Antwort. Die Boulevard-Medien und sogar der Bezahl-Sender Sky sollen vergebens angefragt haben.

Die Frage, warum musste Jens Keller gehen, ist für einige Medien nicht endgültig beantwortet. Die sportlichen Gründe sind nachvollziehbar. Gegen St. Pauli gelang am 13. Spieltag noch ein glücklicher Sieg. Es folgten fünf sieglose Spiele, lediglich im Heimspiel gegen Darmstadt wurde glücklich ein Punkt geholt, durch ein Eigentor der Gäste mit dem Schlusspfiff und dann folgte der Auftritt in Bochum. Die Initiative, den Trainer zu entlassen, reklamierte der Geschäftsführer Sport und Präsidiumsmitglied Lutz Munack für sich. „Ich habe das dem Präsidium vorgeschlagen und die Entscheidung wurde im Präsidium einstimmig getroffen.“ Munack weiter in einem Sky-Interview: „Der Impuls ging natürlich von mir aus. Das ist ja meine Aufgabe, im Sport Dinge zu erkennen und zu handeln, bevor möglicherweise Situationen entstehen, die dann für alle unschön sind.“

Das Ziel den Aufstieg zu schaffen, möglichst direkt, ist in Gefahr geraten. Früher hieß es bei Union immer, „alles kann, nichts muss“. Angesichts des Kaders und dessen Kosten scheint aus der Möglichkeit eine Notwendigkeit geworden zu sein. Nach Auffassung von Lutz Munack und Helmut Schulte, dem Leiter der Lizenzspielerabteilung hat Keller es nicht geschafft, das Optimum aus dem Kader zu holen. Zingler betonte, dass eine Entscheidung für eine Trainerentlassung, „eine Entscheidung mit der allerhöchsten Würde sei.“ Grundsätzlich wird das nie spontan entschieden, sondern ist ein längerer Beratungsprozess im Präsidium. Aktuell ranken sich Spekulationen darüber, ob nicht neben der sportlichen Leistung andere Gründe mit ausschlaggebend waren. Zingler selbst hat das befeuert, durch Äußerungen in einem Kicker-Interview: „Gehen Sie davon aus, dass wir schwerwiegende Gründe hatten, das Arbeitsverhältnis zu beenden.“ Und etwas später folgt: „Einen Mitarbeiter, der sich nichts zu Schulden kommen lassen hat, entlasse ich nicht.“ Thomas Eichin, der Ex-Fußballprofi ist einer der Geschäftsführer vom SAM Sports und Berater von Jens Keller, hat sofort auf die Aussagen von Zingler reagiert und spricht von „mysteriösen Nebelkerzen“, die jetzt gezündet werden. „Wenn etwas vorgefallen wäre, das arbeitsrechtlich relevant wäre, hätte Union den Vertrag gekündigt oder man hätte sich auf eine Vertragsauflösung verständigt. Weder das eine noch das andere ist aber erfolgt. Lutz Munack hat mir gesagt, dass es allein sportliche Gründe für die Trennung gab.“

Am 4. Dezember mussten der Cheftrainer und sein Co. gehen und am 17. Dezember trennte sich der Verein zusätzlich von Torwarttrainer Dennis Rudel. In einem Pressegespräch kritisierte der neue Cheftrainer Andre Hofschneider auch die Leistung des Torwartes. Der bisherige 3. Torwart, der Österreicher Michael Gspurning, beendet seine Laufbahn und wechselt aus dem Profikader in den Trainerstab. U-19 Torwart Lennart Moser wird neuer 3. Torwart. In dem Gespräch benannte Hofschneider auch die anderen Baustellen. Die Eisernen haben im bisherigen Saisonverlauf 17 Punkte nach einer Führung wieder hergeben müssen, ein Unentschieden oder eine Führung nicht über die Zeit gebracht.

Von den Neuverpflichtungen konnte bisher nur Marcel Hartel richtig überzeugen. Er debütierte am 1. September in der U-21 Nationalmannschaft und ist im offensiven Mittelfeld eine wichtige Stütze. Allerdings hat der 1. FC Köln ein Rückkaufrecht auf sein Eigengewächs. Noch nicht so richtig angekommen scheint dagegen Akaki Gogia zu sein. Der gebürtige Georgier verpasste die ersten 3 Spiele wegen einer Verletzung, stand bei 15 Spielen im Kader, bestritt davon lediglich 4 Begegnungen über 90 Minuten. In der Innenverteidigung spielte der Erstliga-erfahrene Spanier Marc Torrejon eine solide Rolle. Wegen einer Wadenverletzung musste er 7 Spiele aussetzen, sonst ging er, bis auf das letzte Spiel gegen Ingolstadt , immer über die volle Distanz. Der andere Neuzugang für diese Position, Christoph Schösswendter hatte bei Jens Keller schlechte Karten. Für die Außenverteidigung wurde Peter Kurzweg aus Würzburg geholt, er wurde in 3 Spielen eingesetzt. Atsuto Uchida wurde nur in 2 Spielen eingesetzt und plagte sich mit Verletzungen herum. Der für das defensive Mittelfeld geholte Grischa Prömel besitzt durchaus Potential und brachte es auf 11 Einsätze. Am 3. Spieltag kassierte er in Nürnberg eine rote Karte und war anschließend für 2 Spiele gesperrt.

Die Weihnachtspause kommt jetzt sehr gelegen. Bereits am 2. Januar findet die erste Trainingseinheit statt. Die nächsten Aufgaben heißen Holstein Kiel auswärts und am 26. Januar, zum ersten Heimspiel im neuen Jahr 1. FC Nürnberg. Die Chancen, unter die besten 20 Mannschaften zu kommen sind intakt, wenn sich auch die Ausgangsposition verschlechtert hat. Bis auf den aktuellen Spitzenreiter Fortuna Düsseldorf haben Kiel und Nürnberg Federn gelassen. In den ausstehenden 16 Spielen kann der neue Trainer Andre Hofschneider versuchen, mehr aus dem Kader herauszuholen, als es seinem Vorgänger gelungen ist. Bis dahin wird sich hoffentlich der mediale Pulverdampf um die Keller-Freistellung verzogen haben und der Fußball wieder im Mittelpunkt stehen.

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