Alle lieben George – zumindest auf diese Weise!

© WELTEXPRESS, Foto: Dr. Jürgen Pyschik

In St. Gallens Stadttheater ist dies dem Wiener Bühnenbildner Gernot Sommerfeld (mehr unter www.gernot-sommerfeld.at) anlässlich der deutschsprachigen Uraufführung von Alan Ayckburns „Alle lieben George“ in überzeugender Weise gelungen.

Reihenhausgärten sind symbolisch ein Nebeneinander an sich, der Gärten wie ihrer Besitzer. Für eine Bühnengestaltung einfach zu eindimensional. In St. Gallen quetscht sich da nichts nebeneinander, je nach dramatischer Funktion wird für manche Gärten schlicht eine neue Dimension eröffnet. Zum Beispiel für den Garten der titelgebenden Figur George, der übrigens im ganzen Stück nie zu sehen sein wird, aber in den Dialogen der anderen Protagonisten omnipräsent ist und somit gar keinen Platz auf der Bühne benötigt: Der Garten zieht einfach eine Etage höher und vergegenständlicht sich in einer Miniaturisierung von zwei Blumenkästen.

Miniaturisierung ist es auch, was den auf der Bühne ausgebreiteten Kunstrasen in die unterschiedlichen Welten der anderen Protagonisten verwandelt: Der Zimmerspringbrunnen und die pseudoantike Gipsgöttin trennt den Garten wie die Besitzer, das erfolgreiche Unternehmerehepaar optisch und sozial vom nur durch gusseiserne Gartenmöbel geadelten Gärtchen des in konservativer Starre und Sprachlosigkeit nach vielen Ehejahren angelangten Arztehepaars. Es bedarf gar nicht der Lebensgröße, um ins Auge zu springen.

Was die Figuren des Stückes an diesem Abend immer wieder in Dialoge und Spannung versetzt, ist einerseits das angekündigte Schicksal ihres gemeinsamen Freundes George, dem ein Krebstod in spätestens 6 Monaten prophezeit wird, weiterhin Ayckburns Kunsttrick des „Theaters im Theater“, hier ein Laientheaterstück, dessen Aufführung die befreundeten Ehepaare immer wieder proben, und nicht zuletzt eine geniale Lichtregie von Friedrich Rom, sonst der Chefbeleuchter des Wiener Burgtheaters, der die eigentliche übersichtliche Bühne immer wieder in „Subwelten“ zerlegt.

Friedrich Rom ist nicht nur der zweite Wiener, der hier beteiligt ist. Schauspieldirektor Tim Kramer ist zwar in Berlin geboren, aber schon lange gewohnheitsmäßiger Wiener. Aus diesen langen Wiener Jahren erwuchs nicht nur die Verbindung zu Sommerfeld, mit dem er in St. Gallen schon eine Reihe von Projekten realisiert hat (Julius Cäsar, Nathan der Weise, Maria Stuart), auch Stefan Röhrle (Kostüme) entstammt der Wiener Theaterszene.

Das Stück selbst ist ganz im Anspruch Aykburns eine Komödie, bei der man oft nur deshalb lacht, um die Verlegenheit zu überwinden, die einen angesichts der Vertrautheit der Dialoge – in diesem Fall langjähriger Ehepartner – anspringt. Schon die Art, wie diese ihre Rollen für eine geplante Laientheateraufführung einüben, müsste zur Pflichtlektüre aller angehenden Ehetherapeuten und Kommunikationswissenschaftler gehören. Es sind Dialoge, wie sie für einen Autor wie Alan Ayckburne typisch sind: Dialoge die scheinbar nahe am „Boulevard“ entlangtänzeln und die uns dennoch erschrecken, weil wir sie uns allzu vertraut sind.

Mentalitätsmäßig, so würde man vermuten, dürften Wien und die Ostschweiz Welten trennen. Dass dem nicht unbedingt so ist und dass man sich in St. Gallen vielleicht jenseits von Barockbibliothek und wirtschaftswissenschaftlicher Exzellenz auch nach einer gewissen Leichtigkeit des Seins sehnt – gern verbunden mit dem Tropfen Gift, ohne den es in Wien nun mal nicht geht), bewies der Erfolg der Premiere.

Weitere Termine unter www.theatersg.ch/spielplan/alle-lieben-george

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